2. Der siebenbürgische Staat und sein Umfeld in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts

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2. Der siebenbürgische Staat und sein Umfeld in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Die Grenzen des zwischen 1529 und 1571 entstandenen neuen Staates Siebenbürgen sind genauso schwer auszumachen wie die Geburt des Staates selbst. Die Oberhoheit Johanns I. und Bruder Georgs erstreckte sich auf alle die Gebiete, deren Grundherren sie als ihre Landesherren anerkannten. Die Territorien der beiden Ungarn verkeilten sich lange Zeit mosaikartig ineinander. Auf eine genaue Fixierung der Grenzlinien mußte bis zum Abkommen von Speyer gewartet werden: Damals verzichtete Johann II. (Johann Sigismund) auf sein Hoheitsrecht über alle Güter in den Komitaten unter Habsburgerherrschaft und erhielt im Tausch dafür das Territorium der Komitate Marmarosch, Kraszna, Mittel-Szolnok und Bihar (das „Partium“ ).
Obwohl dieser Frieden keine Verfügungen über die nachfolgenden Gebiete enthielt, galten ein Teil des Banats (das Lugosch-Karansebescher Banat) und 269je ein kleiner Teil der Komitate Arad und Zaránd am westlichen Fuß des Bihargebirges (der schon den türkischen Grenzstreifen darstellte) als zu Siebenbürgen gehörig.
Das Territorium des Fürstentums betrug insgesamt ca. 100 000 km2 (davon gehörten ca. 58 000 km2 zum eigentlichen Siebenbürgen).
Die Größe der Bevölkerung läßt sich wegen der Dürftigkeit der zur Verfügung stehenden Angaben nur ansatzweise schätzen – ebenso wie ihre ethnische Verteilung:
Tabelle 1. Die Bevölkerung des Fürstentums Siebenbürgen am Ende des 16. Jahrhunderts (Schätzung)
 
Gebiet
 
Ungarn
 
Sachsen
 
Rumänen
Sonstige (Raizen, Ukrainer)
 
Insgesamt etwa
Szeklerland
150 000
?
?
160 000
Sachsenland
?
65 000
15 000
85 000
siebenbürgische Komitate
210 000
20 000
170 000
?
400 000
Partium
140 000
90 000
80 000
300 000
Insgesamt etwa
500 000
90 000
280 000
85 000
955 000
 
Das Territorium des Königreichs Ungarn vor 1526 hatte demgegenüber ca. 350000 km2 umfaßt, mit einer Bevölkerung von wahrscheinlich mehr als 4 Millionen. Der im Laufe des 16. Jahrhunderts entstandene Staat war also, gemessen an seinem Vorgänger, wesentlich kleiner. Darüber hinaus war er einer Reihe von Einwirkungen von außen ausgesetzt, die nicht ausgeschaltet werden konnten.
In erster Linie handelte es sich dabei um das langsame Vordringen der Türken, womit ein fortwährender, offener oder verdeckter Kriegszustand verbunden war: Türkische Streifen ließen selbst in Friedenszeiten nicht von ihren verheerenden Raubzügen ab, worauf die Besatzungen der ungarischen Grenzburgen mit ähnlichen Aktionen antworteten.
Diese Kriegstaktik war eng mit der Herausbildung einer Zone doppelter Besteuerung verknüpft. Die Türken vermochten nicht einmal auf dem Höhepunkt ihrer Macht die Husarenaktionen zu verhindern, und die herrschende Schicht Ungarns und Siebenbürgens nutzte diese Streifzüge von Anfang an dazu, nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch ihre Besitzrechte über ihre von den Türken eroberten Güter auszuüben. Die Türken wiederum waren – schon im Sinne ihrer traditionellen Taktik der beständigen Aufreibung ihres Gegners – darum bemüht, jedes für sie erreichbare Gebiet zu besteuern.
Solange Siebenbürgen verbündeter Vasalle der Pforte war, hatte sich diese Zone mit Doppelbesteuerung auch an ihren gemeinsamen Grenzen gebildet, aufgrund der allgemeinen Lage selbstverständlich zum Nachteil Siebenbürgens. Die türkische Steuereintreibung reichte bis in die westlichen Dörfer des Komitats Hunyad, und im Komitat Bihar zahlten 53%, der Hufen Steuern an den Sultan und seine Spahis.
Der anhaltende Kriegszustand schadete notwendigerweise den Handelsbeziehungen des neuen Staates. Der Verkehr auf dem Haupthandelsweg, der 270Siebenbürgen mit Ungarns Zentren und mit Wien verband (Wien–Preßburg–Waitzen–Szolnok–Debreczin oder Wardein–Klausenburg) blieb zwar auch dann lebhaft, als sich die Türken in der Großen Ungarischen Tiefebene eingerichtet hatten. Die Kaufleute benutzten jedoch immer häufiger die Reiseroute von Klausenburg nach Kaschau und von dort durch das Waag-Tal nach Preßburg. Unter anderem hatte dies zur Folge, daß neben Wien nunmehr Krakau zur wichtigsten westlichen Basis des siebenbürgischen Handels wurde.
Von den übrigen wichtigen Handelswegen läßt sich die Bedeutung der Straße vom Unterlauf des Mieresch durch das Save-Tal nach Dalmatien und Italien nur schwer bestimmen. Die Zollpacht von Karansebesch besaß gegen Ende des Jahrhunderts einen sehr hohen Wert (1583: 6000 Gulden; 1588: 1900 Gulden), was aber eher auf ein Aufleben der Balkan-Beziehungen hindeutet. Der Handel über die von Bistritz, Kronstadt und Hermannstadt in die rumänischen Länder führenden Straßen geriet zur Jahrhundertmitte in die Krise. Der Bistritzer Dreißigstzoll (tricesima, Zollamt) war für eine lächerliche Summe zu pachten (1552 für 200, 1569 für 70, um 1574 für 100–120 Gulden). Beim Kronstädter Zollamt, das 1503 Waren im Wert von 167 000 Gulden abgefertigt hatte, wurden 1530 – als damals freilich in Siebenbürgen Krieg geführt wurde – Waren im Wert von genau 33 000 Gulden registriert. Dieser Betrag sollte sich auch in der zweiten Jahrhunderthälfte höchstens auf 80 000 Gulden erhöhen. In Hermannstadt mit ungefähr dem halben Umsatz von Kronstadt läßt sich eine ähnliche Konjunkturbewegung feststellen. Die unmittelbare Ursache für diesen Niedergang bildete das Ausfuhrverbot der Pforte für die Moldau und die Walachei. Beide Länder waren dazu gezwungen, das riesige Istambul mit Lebensmitteln zu versorgen. Zum Aufschwung gegen Ende des Jahrhunderts mochte die sich belebende Gewürzstraße, die Siebenbürgen von der Südukraine aus erreichte, beigetragen haben. An der Westgrenze des Landesteils der Szapolyais hatte bereits Bruder Georg mit der Errichtung neuer Dreißigstzollämter begonnen, und nach der Wende von 1556 entstand hier eine funktionstüchtige Außenhandels-Zollinie. Über ihren Umsatz besitzen wir wenig Angaben, er muß aber ganz erheblich gewesen sein, was sich aus den 929 Gulden Einnahmen des nicht allzu bedeutenden Amtes von Zillenmarkt 1588 ersehen läßt. Natürlich ließen auch die Türken und später das königliche Ungarn ihre neuen Grenzen nicht unbeaufsichtigt. Auf der Strecke nach Wardein lag der bekannte Waitzener (türkische) Zoll und an der von Klausenburg nach Kaschau der (Habsburg-ungarische) Dreißigstzoll von Tokaj. Die Kaufleute auf ihrem Weg von Siebenbürgen durch die Tiefebene nach Westen mußten nun an den zwei neuen Grenzen innerhalb des früheren Ungarn ihren Zoll an vier neue Ämter entrichten.
Mit dem Verfall der Außenhandelsbeziehungen verringerte sich zugleich auch das Interesse des Auslandskapitals. Von den Bodenschätzen des Fürstentums hatte das Salz den größten Wert. Zu den Salzgruben von Salzburg, Desch, Salzgrub, Seck und Thorenburg kamen die ähnlich reichen Fundstätten von Marmarosch hinzu. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts bemühte sich noch das weltberühmte Bankhaus der Fugger um die Pacht der Siebenbürger Salzkammer, während der Kämpfe von 1528/29 verschaffte sich Gritti dieses einträgliche Geschäft, und nach seinem Tod gelang es Johann I., bayerische Geschäftsleute an diesem Unternehmen zu beteiligen. Nach 1541 271aber plagten sich lange Zeit nur die kapitalschwachen lokalen Unternehmer (z.B. Peter Haller) mit den Salzgruben ab.
Ein ähnliches Schicksal traf die von Gritti wieder in Betrieb genommenen Goldgruben im Siebenbürgischen Erzgebirge: Nach anfänglichen Erfolgen verringerte sich das Interesse an diesen immer mehr, so daß sie beispielsweise zur Zeit Stephan Báthorys von obskuren italienischen Grubenpächtern (vielleicht Leute Biandratas?) geleitet wurden. Über eine Ausbeutung der später bedeutsamen sonstigen Bodenschätze – Eisen, Quecksilber – verfügen wir für das 16. Jahrhundert kaum über Angaben.
Das westliche Kapital blieb dem zum Kriegsschauplatz gewordenen Karpatenbecken nicht nur aus Vorsicht fern. Die Fugger gaben um 1546 auch die Pacht der ziemlich geschützten Kupfergruben in Oberungarn ab. Der Handel über den Atlantischen Ozean, die ostindischen Gewürze und die südamerikanischen Edelmetallgruben versprachen schnelleren und höheren Gewinn.
Die Flut der Azteken- und Inka-Schätze verringerte Wert und Ertrag der europäischen Goldbergwerke spürbar, mit entsprechenden direkten Auswirkungen auf Siebenbürgen.
Das Edelmetalldumping fiel zugleich mit einer entscheidenden Wende in der Wirtschaftsentwicklung Europas zusammen. Infolge des bemerkenswerten Aufschwungs des westeuropäischen Gewerbes stieg die Bevölkerung der dortigen Städte sprunghaft an. Der entsprechend stark gewachsene Lebensmittelverbrauch war aus der unmittelbaren Umgebung nicht mehr zu befriedigen. Die Getreidepreise stiegen deshalb schneller als die Preise der Gewerbegüter (auf das Vier- bis Sechsfache gegenüber dem vielleicht Dreifachen), die sich umkehrende Agrarschere verlangte wesentlich mehr Bargeld von den Städten, so daß genügend Bedarf für das Gold und Silber aus Übersee vorhanden war.
Inzwischen hatte die „Preisrevolution“ – im Ergebnis all dessen parallel mit dem Goldstrom aus der spanisch-amerikanischen Welt, dem Aufschwung der europäischen Industrie und dem plötzlichen Bevölkerungswachstum der westlichen Städte entstanden – auch das Karpatenbecken erreicht. In Rahmen der internationalen Arbeitsteilung entwickelte sich diese Region zu einem der großen Nahrungsmittel- und Rohstofflieferanten, der Preis ihres wichtigsten Exportartikels, des Mastrindes, erhöhte sich zwischen 1520 und 1580 auf das Dreifache und der des Weines auf das Vierfache; der Preis des eigentlich nur für den Eigenverbrauch bestimmten Weizens wurde infolge des Gleichgewichtsstrebens der Wirtschaft auf das Fünffache angehoben.
Das entfernte und kleine Siebenbürgen bekam von dieser Entwicklung größtenteils nur die Kehrseite zu spüren. Im Ackerbau kannten nur die Sachsen die moderneren Methoden, aber im Szeklerland begann man gerade, sich auf die Dreifelderwirtschaft umzustellen. Das Interesse am Gemüse- und Obstanbau wuchs in ganz Siebenbürgen erst zum Ende des Jahrhunderts, ebenso wie die ersten Versuche zur Stallhaltung und Futtermittelproduktion erst damals einsetzten.
Das Getreide ließ sich aufgrund der großen Entfernung und der in südöstlicher Richtung fließenden schiffbaren Flüsse nicht exportieren, das siebenbürgische Mastvieh wurde qualitativ von dem aus der Großen Ungarischen Tiefebene übertroffen, welches zudem auf einem kürzeren Weg zum Verbraucher getrieben werden konnte. Der Wein besaß in dem gerade 272ertragreich werdenden Anbaugebiet von Tokaj einen mächtigen Konkurrenten, ähnlich wie das Salz in den direkt auf dem Weg liegenden polnischen Salzgruben.
So blieb also Siebenbürgens Außenhandelsbilanz negativ. Die Preise der importierten Gewerbegüter (Stoffe, Werkzeuge, Waffen, Luxusgüter) konnten nicht einmal durch Verringerung der Importmenge ausgeglichen werden. Der Goldbergbau stellte zwar eine gewisse Hilfe dar, doch der Bergbau vegetierte aufgrund der Konkurrenz des billigen südamerikanischen Erzes nur noch dahin. Auch hier drückte die anhaltende Inflation den Wert der Goldmünzen. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurden der Reihe nach – undurchführbare – Preisregelungsgesetze erlassen.
Die Bewohner Siebenbürgens hatten daher im 16. Jahrhundert tatsächlich mit den globalen Entwicklungstendenzen zu kämpfen, wenn sie nicht die Rolle eines passiven Zuschauers ihres eigenen Niederganges übernehmen wollten.

 

 

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