Die Bewohner: Daker und Ansiedler

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Die Bewohner: Daker und Ansiedler
Über die Bevölkerung der neuen Provinz schreibt Eutropius folgendes: „…nach dem Sieg Trajans über Dakien wurden aus dem gesamten Gebiet der römischen Welt riesige Menschenmassen dort angesiedelt, um dieses Land und seine Städte zu bevölkern. In Dakien gibt es nämlich der langen Kriege des Decebalus wegen keine Männer mehr“ (Eutropius VIII, 6, 2). Der Geschichtsschreiber spricht darüber, daß sich im Laufe des Eroberungskrieges die Zahl der Urbevölkerung bedeutend verringert hat, weshalb Trajan dieses Gebiet beinahe von Grund auf neu bevölkern mußte. Bei der Provinzialisierung eines neuen Gebietes war eine solche Besiedlung die allgemeine Praxis, die Veteranen kamen so zu Grund und Boden. Den Soldaten folgten Familienangehörige und Händler. Wenn also nur davon die Rede gewesen wäre, so hätte Eutropius das nicht besonders hervorheben müssen. Er aber wies nachdrücklich auf den Grund der Besiedlung hin: auf die weitgehende Vernichtung der Urbevölkerung, auf die Entvölkerung des Gebietes.
Das Schicksal der Bevölkerung eines neu erworbenen Gebietes hing davon ab, nach welchen Vorereignissen und auf welche Weise Rom in seinen Besitz gelangt war. Wurde die Provinz auf friedlichem Wege erworben, so war das mit geringerem Blutverlust der Bevölkerung verbunden. In Dazien war das nicht der Fall: Trajan verleibte es dem Reich nach zwei schweren Kriegen ein, am Ende eines anderthalb Jahrhunderte dauernden Prozesses. Diese Kämpfe 45und Niederlagen machte die Daker bereits früh zu verhaßten Feinden (Cassius Dio LXVII, 6, 1 und 6, 5). Diese Meinung über die Daker verschlechterte sich noch durch die Taten des Decebalus nach dem ersten dakischen Krieg. Der König wurde in den Augen der Römer zum Eidbrüchigen; da er die Bedingungen des Friedensschlusses nicht eingehalten hatte, löste dies erneut einen Krieg aus. Auch andere Taten des Decebalus ließen keinen Zweifel über die Absichten des Königs aufkommen. Den in Gefangenschaft geratenen Longinus wollte er zuerst für sich gewinnen, und als das nicht gelang, „…erdreistete er sich, im Tausch für Longinus das bis zur Istros reichende Gebiet und die Kosten des Krieges zu verlangen“. Die Sorgen über die für Trajan unerfüllbaren Bedingungen beseitigte Longinus selbst, durch seinen Selbstmord (Cassius Dio LXVIII, 12, 1–5). Daraufhin versuchte Decebalus, Trajan durch Meuchelmörder in dessen mösischem Hauptquartier umbringen zu lassen (Cassius Dio LXVIII, 11, 3).
Die Taten des dakischen Königs hinterließen bei den Römern so tiefe Spuren, daß sie auf Jahrhunderte hinaus ihr Bild über dieses Volk bestimmten. Aufgrund der dem zweiten Krieg unmittelbar vorausgehenden Ereignisse darf man sich nicht wundern, daß die Römer die physische Vernichtung ihres Gegners anstrebten.. Die Liquidierung der das Imperium Romanum angreifenden Barbaren war für die Römer übrigens keine ethische Frage. Dieser Standpunkt, der bereits zur Zeit des Augustus festgelegt worden war (Res Gestae Divi Augusti 3), wurde auch später in die Praxis umgesetzt. Auch Mark Aurel hatte die Absicht, die Jazygen zu liquidieren (Cassius Dio LXXI, 16, 1–2). Die Vernichtung bedeutete natürlich nicht nur die Tötung der sich Widersetzenden, sondern auch den Verkauf der Bevölkerung als Sklaven, die Einberufung der Männer zum Militär und ihre Versetzung in entfernte Provinzen. Diese Daker, die bis zum Ende zu Decebalus gehalten hatten, durften also nicht mit Gnade rechnen. Das beeinflußte auch noch ihre allerletzte Tat, die auf der Triumphsäule des Trajan verewigt ist: Die führende dakische Schicht verübte in ihrer bedrängten Lage massenweise Selbstmord. Bei den 123 Tage dauernden Zirkusspielen nach den Kriegen kämpften 10 000 Gladiatoren (Cassius Dio LXVIII, 15), der überwiegende Teil von ihnen könnten dakische Kriegsgefangene gewesen sein. Nach Kriton, Arzt am kaiserlichen Hof, Teilnehmer am Feldzug und Geschichtsschreiber, war die Zahl der Gefangenen sehr hoch, aber Trajan ließ – wahrscheinlich nach der letzten Schlacht – nur 40 von ihnen am Leben. Selbst wenn diese Angaben übertrieben sind, veranschaulichen sie zutreffend das dakisch-römische Verhältnis sowie die sehr hohen dakischen Menschenverluste.
Die am Leben gebliebenen Männer wurden Hilfstruppen zugewiesen und nach Britannien sowie in den Osten geschickt. Über ihr späteres Schicksal ist kaum etwas bekannt. Nichts deutet darauf, daß irgendjemand nach seiner Entlassung in die einstige Heimat zurückgekehrt ist. Es ist auch nicht bedeutungslos, daß gerade der zentrale Landesteil des Decebalus eine neue Provinz wurde, das Gebiet, dessen Bevölkerung weitestgehend vernichtet worden war, und zwar nicht nur im Laufe des Kampfes, sondern weil sie bis zum Ende – viele bis zum Giftbecher – an der Seite von Decebalus ausharrte. In erster Linie war es die Bevölkerung dieses Gebietes, die von den Römern niedergemetzelt oder in die Sklaverei geschickt wurde oder vor den Eroberern in noch unbesetzte Gebiete flüchtete.
46Ein wichtiges Moment bei der Organisation einer Provinz war die Einbeziehung der Urbevölkerung in eine für die Römer vorteilhafte administrative, territoriale Organisation (civitas peregrina). Die Civitates standen anfangs unter militärischer Kontrolle, aber auch die Führer des Volkes wurden mit in die Verwaltung einbezogen. Später übernahm die Führung der Civitates die von den Römern begünstigte Stammesaristokratie (principes). Die Civitates bedeuteten einerseits die organisatorische Form einer beginnenden Romanisierung, andererseits wurden sie zum Kern der späteren städtischen Gemeinschaften. In Dazien aber sind im Gegensatz zu anderen Provinzen keine Spuren dieser Organisation nachweisbar – möglicherweise, weil die führende Stammesschicht fehlte, die entweder bereits zur Zeit der Alleinherrschaft des Decebalus liquidiert oder im Laufe der Kriege zusammen mit der dakischen „Aristokratie“ vernichtet worden war. Bezeichnenderweise ist von den einstigen Stammes- oder Volksnamen Dakiens in der Provinzialepoche nur ein einziger erhalten geblieben: vicus Anar(torum), das Dorf der Anartessen in Nordsiebenbürgen (CIL III, 8060). Seine Bewohner aber waren keine Daker, sondern von diesen unterworfene Kelten. Nur ein Prinzeps ist dem Namen nach bekannt: Aurelius Aper. Aber auch er war kein Daker, sondern ein Stammesführer aus Dalmatien (CIL III, 1322). Ein anderer Grund für das Fehlen der Civitates kann die geringe Zahl der Urbevölkerung sein. Darum erachtete es die Regierung nicht als notwendig, für die restlichen Daker die der Romanisierung förderliche Verwaltungsform einzuführen. Das bedeutete also gleichzeitig auch, daß der Rest der Urbevölkerung nicht an dem zur Romanisierung führenden städtischen Leben teilgenommen hat. In den Inschriften der Provinz, in den städtischen Körperschaften sind Träger von thrako-dakischen Personennamen nicht vertreten.
Schrift- und archäologische Denkmäler versetzen uns in die Lage, die Details der mit den Worten Eutropius’ „ex toto orbe Romano “ durchgeführten Ansiedlung kennenzulernen. Die erste Gruppe von Siedlern bildeten die Legionsveteranen mit römischem Bürgerrecht, die bei der Gründung Sarmizegethusas angesiedelt wurden. Ein Teil dieser Veteranen, aus deren Personennamen man darauf schließen kann, daß sie aus Italien stammten, kam aus den früher im Rheingebiet, in Westpannonien und Mösien stationierten Legionen. Westpannonische oder norische Herkunft ist in den Inschriften selten angegeben. Ihre typischen Personennamen aber deuten auf eine solche Abstammung. Aufgrund der für norisch-pannonisches Gebiet charakteristischen Bestattungseigenheiten, der Verbreitung ihrer gegenständlichen Funde in Dazien und hauptsächlich einzelner Merkmale ihrer archäologischen Hinterlassenschaften in Norddazien kann die Zahl der von dort Angesiedelten als bedeutend angenommen werden.
Die andere von der mittleren Donau umgesiedelte Gruppe kam von Dalmatien nach Dazien. Zahlreiche Inschriften beweisen, daß sie in geschlossenen Gemeinschaften kamen und fast als Stammesteile angesiedelt wurden, hauptsächlich im territorium metalli. Ein Teil von ihnen besaß noch nicht das römische Bürgerrecht, sondern war Peregrinus. Sie lebten im Siebenbürgischen Erzgebirge in geschlossenen Gemeinschaften (vicus Pirustarum), und sie waren es, die mit dem Bergbau begannen. Von den Nachkommen der aus Dalmatien, Pannonien und Noricum Stammenden stiegen viele in die Reihen der munizipalen Führungsschicht auf. Aus 47Pannonien und Noricum kamen nicht nur römische Bürger nach Dazien, sondern auch ein großer Teil der Träger keltischer Personennamen (Bonio, Bucco, Cotu, Veponius).
Zu dem bunt gemischten ethnischen Bild der Provinz hat das Militär in großem Maße beigetragen. Unter den in Dazien stationierten Hilfstruppen gab es viele auf ethnischer Grundlage organisierte Verbände. Gerade darum überrascht es, daß trotz der hohen Zahl der Soldaten thrakischen Ursprungs und der vom Balkan nach Dazien Übergesiedelten die Zahl der thrakischen Personennamen in der Provinz so gering ist. Der Grund dafür kann sein, daß sich die aus einem nahen Gebiet stammenden Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit nicht in Dazien niederließen, sondern in ihre Heimat zurückkehrten. Viele stammten aus den östlichen Provinzen bzw. aus den südlichen Teilen des Balkans, somit aus griechischem Sprachgebiet.
Die Römer setzten in schwer zu verteidigenden, zerklüfteten Gebirgslandschaften sehr gern Sondereinheiten ein, beispielsweise die Bogenschützen aus Palmyra. In Westdazien waren sogar drei Verbände von ihnen stationiert. Es gab hier aber auch andere syrische Truppen, die meisten davon ebenfalls Bogenschützen oder andere kommageneische Einheiten. Die Zahl der Bevölkerung aus dem Osten, aus Kleinasien, stieg nach den Markomannenkriegen noch weiter an.
Die Zahl der für eine Auswertung geeigneten Personennamen der Provinz beträgt ca. 3000, ca. 2000 davon sind römische Namen, 320 sind griechischen oder östlichen, 120 illyrischen, 70 keltischen und 60 semitischen (syrischen) Charakters. Die Zahl der thrakisch-dakischen Namen beträgt ebenfalls 60, also nicht mehr als 2 % des gesamten Namenmaterials. Den überwiegenden Teil davon bilden echte thrakische Namen, deren Träger aus Gebieten südlich der Donau stammen konnten. Bisher ist noch kein Versuch erfolgreich ausgefallen, die Personennamen dieser beiden – im übrigen in der Frage ihrer Verwandtschaft umstrittenen – Völker voneinander zu trennen, deshalb werden sie zusammen registriert. Es ist aber auf alle Fälle charakteristisch, daß die mit Sicherheit als dakisch zu bezeichnenden Personennamen (Bitus, Butus, Decebalus, Diurpanaeus, Sassa, Scorillo) gerade nicht in Dakien, sondern in anderen Teilen des Reiches vorkommen, wohin die Daker als Sklaven gelangten. Im Noricum, wo die Romanisierung bereits 100 Jahre früher einsetzte, machen die Personennamen der Urbevölkerung 24 % des Personennamenmaterials aus. Bei der Romanisierung Daziens ist also der Anteil der Daker minimal.
Die Umsiedlung der Bevölkerung norisch-pannonischen und illyrischen Ursprungs zeigt die Verbreitung der Hügelgräberbestattungen in Dazien, hauptsächlich in Siebenbürgen. Über der Asche des auf einem Scheiterhaufen verbrannten Toten wurden kleinere oder größere Hügel angelegt. Dieser Brauch war in Westpannonien und im benachbarten Ostnoricum verbreitet. Die enge Verbindung zwischen diesen beiden Gebieten wird nicht nur durch die Hügelgräber, sondern auch durch die als Beigaben in die Gräber Daziens gelangten charakteristischen norisch-pannonischen Tongefäßtypen angezeigt (Dreifußschalen, schalenförmige Deckel, große Schalen mit senkrechter Wandung). Das größte Gräberfeld der norisch-pannonischen Siedler ist das Gräberfeld von Honigberg mit 300 Hügelgräbern. Weitere Gräberfelder fand man in Kaltbrunnen und Grabendorf. Außer den Gräbern mit Grabhügeln aus Erde sind auch Gräber mit Steinwand und Umrandung zum Vorschein 48gekommen. Das schönste und älteste Grab dieser Art wurde in Sarmizegethusa freigelegt: Das sehr große Grab (21 m im Durchmesser) der Familie Aurelius lag über dem Grab eines Mädchens. Die Gräber des kleinen Gräberfeldes von Csolnakos sind von einer runden Wandung umgeben. Nahe Analogien sind ebenfalls aus Westpannonien (Carnuntum in Österreich) bekannt.
Außer den Bestattungssitten gibt es über die Phänomene im Zusammenhang mit der Glaubenswelt auf norisch-pannonischem Gebiet nur wenig Spuren. Die aus keltisch-germanischem Gebiet hierher Übersiedelten konnten den Kult der Sulaviae, Epona und des Hercules Magusanus mitgebracht haben. Die Verbreitung des Silvanus-Kultes in Dazien kann eventuell ebenfalls auf engere pannonische Verbindungen zurückgeführt werden. Der Altar des Iuppiter Depulsor verweist auf die Gegend um Poetovio (heute Ptuj/Jugoslawien/Slowenien) in Südwestpannonien, wo dem „schützenden“ Iuppiter gewidmete Altäre zum Vorschein gekommen sind. Den dazischen Altarstein hat übrigens eine Person illyrischen Namens aufgestellt.
Über die Gebrauchsgegenstände und das Kleidungszubehör der von Süden und Osten, hauptsächlich aus Syrien Übersiedelten ist wenig bekannt, um so mehr aber über ihre religiösen Denkmäler. Zweifellos ist der eine Typ ihrer Grabtafeln – auf dem der Verstorbene während des Leichenschmauses dargestellt ist – südlichen, griechischen Ursprungs. Ebenfalls auf südliche Einflüsse hin haben sich die marmornen Kultbilder der Pferdegottheiten an der Donau verbreitet. Derartige Denkmäler sind eher in der südlichen Hälfte der Provinz in größerer Zahl zum Vorschein gekommen. Die Keramikindustrie Süddaziens weist zu der Mösiens Verbindungen auf.
Bedeutend ist die Zahl der Altäre und Tempel, die die aus dem Nahen Osten Stammenden ihren heimatlichen Göttern (Diis patriis) gewidmet hatten. Das spricht für ihre Bindung an die Heimat und ist eine Folge der organisierten, intensiven Verehrung der heimatlichen Kulte. An erster Stelle stand die Verehrung des dolicheischen Hauptgottes, der identisch mit Jupiter war. Von den ihm zu Ehren aufgestellten Altären und Kultbildern sind zahlreiche in Dazien zum Vorschein gekommen. In Sarmizegethusa, Porolissum und Micia hatten die Palmyraer ihre eigenen Tempel. In den Inschriften bezeugen zahlreiche östliche Götternamen ihren Ursprung und ihre unterschiedlichen Riten (Iuppiter Tavianus, Erusenus, Mater Troclimene, Iuppiter Heliopolitanus, Azizus, Bonus Puer, Balmarcades, Nabarazes, Malagbel, Bellahamon, Benefalarobolas).
Dazien gehört zu den lateinischen Provinzen: Die Verwaltung arbeitete in lateinischer Sprache, offizielle Inschriften wurden lateinisch abgefaßt und in Stein gemeißelt. Gebrauch und Verbreitung des Lateinischen förderten die aus lateinischem Sprachgebiet stammenden und nach Dazien gesandten Legionäre und westlichen Siedler – insofern sie Nachfahren von Italikern waren und lateinisch sprachen. Bei den Illyriern und Kelten kann man aufgrund ihrer frühzeitigen Umsiedlung nicht annehmen, daß sie zweisprachig gewesen waren, also die höhere Stufe der Romanisierung bereits erreicht hatten. Vielleicht sprachen sie schon lateinisch, hatten sich aber die Sprache in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts noch nicht zu eigen gemacht: Der Prozeß ihrer Romanisierung hat in diesem Fall erst in Dazien stattgefunden. Ebenso verhielt es sich mit den Pirusten aus Dalmatien. Andere Umsiedler kamen aus 49Gebieten mit Griechisch als Verwaltungssprache. Ein Teil von ihnen kam – ähnlich den aus der Urbevölkerung stammenden westlichen Siedlern – aus Gegenden, wo die Bevölkerung weniger hellenisiert war. Sie sprachen noch ihre eigene Sprache, wie z. B. die Galater. Zahlenmäßig waren die Bogenschützen aus Palmyra und ihre Familienangehörigen in der Mehrzahl. Sie hatten ihre eigene Schrift, die hin und wieder auch in Inschriften auftaucht. Trotz ihrer geringen Anzahl sind sie nicht zu unterschätzen, weil die Syrer in anderen europäischen Gemeinschaften nicht vorkommen. Es existieren mehrere griechische Inschriften, die – auffallend in einer Provinz mit lateinischer Sprache – nicht nur in einer Stadt, sondern – genau wie die syrischen Inschriften – verstreut über die gesamte Provinz zum Vorschein kommen. Häufig sind auch die griechischen oder orientalischen Buchstabeneinritzungen auf Ziegeln und Gefäßen. Beide Sprachen wurden also überall in der Provinz gesprochen. Es gibt zu denken, daß Apulum nicht auf lateinisch als „Goldstadt“ bezeichnet wurde, sondern auf griechisch (Chrysopolis) und daß der oberste Priester des Kaiserkultes ebenfalls der griechischen Terminologie entsprechend bezeichnet wurde.
Die aus dem Süden stammenden Siedler kamen aus dem offiziell griechisch sprechenden Thrakien und aus dem offiziell lateinisch sprechenden Mösien, wobei Mösien in Wirklichkeit griechisch-lateinisches Sprachgebiet war. Die ebenfalls aus dem Süden kommenden Thraker förderten ebensowenig die Verbreitung des Lateinischen. Überwiegend waren sie Soldaten, deren Dienstsprache zwar Lateinisch war, deren Geburtsort aber teilweise auf griechischem Sprachgebiet lag. Sie behielten ihre Muttersprache lange Zeit und bewahrten auch ihre charakteristischen Namen bis in frühbyzantinische Zeit. Darum konnten die aus Thrakien stammenden Soldaten, die zu Beginn des 2. Jahrhunderts ohnehin kaum mehr als 60 Jahre unter römischer Verwaltung gestanden haben konnten, in Dazien noch nicht Lateinisch als Muttersprache gesprochen haben. Das Beispiel der Thraker als eines der am wenigsten romanisierten Völker des Reiches macht darauf aufmerksam, daß – wenn man eine Verwandtschaft zwischen dem thrakischen und dem dakischen Volk voraussetzt – dieser Prozeß auch bei den Dakern sehr langsam vor sich gegangen ist. Da Dazien viel kürzere Zeit existierte als jede andere Provinz, insgesamt 165 Jahre, kann man nicht annehmen, daß die Urbewohner die lateinische Sprache übernommen haben.
Dazien war also sprachlich gesehen gemischt. Als einheitliche Sprache hätte sich zweifellos die offizielle Sprache der Provinz, nämlich Latein, angeboten. Lateinisch aber sprachen auf Muttersprachenniveau nur die Verwaltungsleiter, das Offizierskorps und anfangs die Mehrheit der Soldaten einer, nach 167 die von zwei Legionen. Um einen Sprachwechsel der Urbevölkerung erfolgreich durchzusetzen, hätten sich zuerst bei den neuen Bewohnern starke lateinische Sprachgemeinschaften herausbilden müssen.
Die Möglichkeiten für eine Romanisierung der Bevölkerung waren also begrenzt. Für die Staatsführung war die Romanisierung der Daker – wie es scheint – bei weitem nicht so wichtig wie die der Bevölkerung anderer Provinzen. Wer war überhaupt die Urbevölkerung? Die nach der Eroberung in der Provinz lebende dakische Restbevölkerung: Die archäologischen Funde sprechen dafür. Einige ihrer Siedlungen und Gräberfelder wurden gefunden. Ihre Zahl jedoch ist gering, und auch ihre Chronologie ist nicht in jedem Fall befriedigend geklärt. Fraglich ist, ob die teilweise freigelegten Siedlungen 50auch nach der römischen Besetzung noch bewohnt waren. Gräber, die sich an Siedlungen der autochthonen Bevölkerung anschlossen, wurden in Obrázsa, Leknitz, Iacobeni, Radnuten und Schäßburg gefunden, in den Grabinschriften aus Schäßburg kommen aber illyrische Namen vor. Die Zeit der Benutzung der Gräberfelder, die der Urbevölkerung zugesprochen werden können, erstreckt sich aber nicht über den Zeitpunkt der Aufgabe der Provinz hinaus. Die Gräberfelder bestehen zum überwiegenden Teil aus Brandbestattungen. Die Toten wurden im allgemeinen an ein und derselben Stelle verbrannt, dann die Asche in ovale, in die Erde vertiefte Gruben gestreut oder in Urnen beigesetzt. Letztere werden im allgemeinen für dakische Bestattungen gehalten, obwohl dieser Ritus in anderen Provinzen mit der römischen Bevölkerung zu verbinden ist. Selten sind Gräber, auf denen der Tote am Bestattungsplatz auf einem Scheiterhaufen eingeäschert wurde, dieser Brauch ist im allgemeinen bei den Hügelgräbern zu beobachten. Die unterschiedlichen Bestattungssitten kommen manchmal auch innerhalb eines Gräberfeldes vor. Skelettbestattungen fanden seit Ende des 2. Jahrhunderts in den städtischen Gräberfeldern Verbreitung (Apulum, Napoca).
Bei der ethnischen Zuordnung der Gräberfelder ist die Ansiedlung von zwei bekannten Volksgruppen der freien Daker Ende des 2. Jahrhunderts in der Provinz zu berücksichtigen. Aus einigen Gräberfeldern Daziens ist Silberschmuck zum Vorschein gekommen (z. B. in Mezőszopor), der den außerhalb der östlichen Provinzgrenze lebenden Karpen mit dakischer Kultur zuzuschreiben ist.
Die Hinterlassenschaft der dakischen Restbevölkerung ist einfach und kann außer an den Siedlungs- und Gräberfeldphänomenen nur noch mit Hilfe der bei den Ausgrabungen zum Vorschein gekommenen Töpferprodukten untersucht werden. Es sind von ihr keine Inschriften, Steinmetzarbeiten, Trachtendarstellungen oder Schmuckstücke erhalten geblieben. Die Spuren ihrer materiellen Kultur beschränken sich fast ausschließlich auf das Töpferhandwerk. Von der früheren, abwechslungsreichen dakischen Keramik sind bis in die Provinzialepoche nur einige Typen erhalten geblieben, gekennzeichnet durch ihre handgefertigte Technik. Scheibengedrehte dakische Gefäße sind zur Kaiserzeit selten. Der Gefäßkörper ist manchmal mit Fingereintiefungen oder einer Auflage in Form einer gedrehten Schnur und Varianten davon verziert. Der andere charakteristische Gefäßtyp ist die dakische Tasse: sie ist niedrig, dickwandig, mit sich zur Mundöffnung hin bogenförmig verbreiterndem Henkel, manchmal auch mit 2 Henkeln. All das deutet auf die sehr einfache Lebensweise der unteren Schichten der dakischen Gesellschaft vor der Eroberung hin.
Das dakische Töpferhandwerk der Provinz ist unter dem Gesichtspunkt der Romanisierung von Bedeutung. Die von den pannonischen Töpfern mit der Hand geformten Gefäße reichen nicht über das 2. Jahrhundert hinaus, sie verschwanden, und bis zum 3. Jahrhundert hatte sich eine einheitliche, scheibengedrehte, provinziale Keramik herausgebildet. In Dazien ist aber kaum eine Wechselwirkung zwischen dem Keramikhandwerk der Urbevölkerung und den Ansiedlern zu erkennen. Die unveränderte Töpferindustrie beweist gerade die Nicht-Romanisierung der Urbevölkerung. Der lange, stufenweise und mit Hilfe von archäologischen Funden in anderen Provinzen detailliert zu verfolgende Romanisierungsprozeß ist in Dazien nicht nachweisbar.
51Die Romanisierung war ein langer Prozeß, der in den eroberten, zu Provinzen umgestalteten Gebieten allmählich vor sich ging. Als dessen Ergebnis übernahm die Urbevölkerung die römischen Sitten, das eine oder andere Element der römischen Kultur, schließlich immer mehr von dieser. Zuerst veränderte sich ihre materielle Kultur durch den Einfluß der römischen Technik und Formen. Die Lebensbedingungen eines Teiles der Urbevölkerung veränderten sich ebenfalls. Die Romanisierung war mehr oder weniger ein freiwilliger Prozeß, dessen Rahmen durch die Verwaltungsorganisation, die Civitates, gewährleistet war sowie durch die Urbanisierung und den Militärdienst gefördert wurde. Die einzelnen Stammesgruppierungen lösten sich langsam auf; der lange Militärdienst, die Teilnahme am städtischen Leben und am Handel waren mit einer immer größeren gesellschaftlichen Umgestaltung verbunden. Dieser über Generationen andauernde Prozeß führte erst zur Zweisprachigkeit, dann aber zum Sprachwechsel. Er dauerte in den Provinzen des Reiches im allgemeinen 400 Jahre und war sogar während dieser Zeit noch nicht abgeschlossen. Die Romanisierung wurde von klar erkennbaren äußeren Maßnahmen begleitet bzw. gefördert, die stufenweise Anpassung und Assimilation kann an Hand der archäologischen Funde der Provinzen gut verfolgt werden. Von all dem sind in Dazien keinerlei Spuren zu finden.
Die Vielsprachigkeit der in Dazien angesiedelten Bewohner begünstigte von vornherein nicht die sprachliche Umgestaltung der dakischen Restbevölkerung. Wie sollten die Bewohner in der Umgebung von Lagern die lateinische Sprache kennenlernen, wenn dort nur syrische oder thrakische Mannschaften stationiert waren? Für die Urbewohner existierte anderswo keine Civitas-Organisation, durch die die Umgestaltung hätte beginnen können. Deren Fehlen ist so auffallend, daß man den Grund dafür möglicherweise nicht nur in der unbedeutenden Bevölkerungsgröße zu suchen hat, sondern auch darin, daß die Eroberer überhaupt keine Romanisierung der Restbevölkerung anstrebten. Es fehlte die führende Stammesschicht, mit der die Römer die Verbindung hätten aufnehmen können. Die Urbanisierung ging nur langsam voran und beschränkte sich auf die eine Hälfte der Provinz. Die Urbevölkerung nahm nicht am städtischen Leben teil, obwohl das doch der zur Romanisierung führende mögliche Weg gewesen wäre.
Es liegen keine Angaben darüber vor, daß in Dazien einige Jahrzehnte nach der Eroberung mit der Einberufung der Urbevölkerung in sprachlich differenzierte Truppen begonnen worden wäre, wie es in anderen Provinzen geschah. Auch manifestiert sich die dakische Glaubenswelt nicht in irgendwelchen religiösen Denkmälern. Kein einziger dakischer Göttername ist aus der Provinz bekannt. Trotz entsprechender Versuche kann der dakische Kult keines einzigen römischen Gottes bewiesen werden, daß sich eventuell als Ergebnis der interpretatio Romana eine lokale Gottheit hinter einem römischen Götternamen verborgen hätte. Die für die römische Kultur, das alltägliche Leben so charakteristische Aufstellung von Inschriften fehlt bei den Dakern.
Die Provinz bestand 165 Jahre. In so kurzer Zeit ist eine Assimilation und ein vollkommener Sprachwechsel unmöglich. In dem mit Italien benachbarten Pannonien und in anderen Provinzen erfolgte in den ersten 160 Jahren der römischen Herrschaft ebenfalls keine Romanisierung der materiellen Kultur; die Gebrauchsgegenstände und Trachten veränderten sich erst nach der Krise 52der Markomannenkriege, und erst in dem darauffolgenden und für einen solchen Zweck benötigten Zeitraum von 200 Jahren hat sich der Romanisierungsprozeß voll entfalten können. In Dazien erfolgte nach den Menschenverlusten in den Markomannenkriegen eine erneute Ansiedlung aus dem Osten, dann nach einem Menschenalter des Friedens in der Severerzeit eine ebenso lange kriegerische Periode und schließlich die Aufgabe der Provinz. Die Romanisierung der in der Provinz nach der römischen Eroberung verbliebenen dakischen Restbevölkerung ist durch nichts zu beweisen. Die höchste Stufe dieses Prozesses – der Sprachwechsel, die Übernahme des Lateinischen als Muttersprache -läßt sich in Dazien nicht nur nicht beweisen, sondern die Denkmäler der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung sprechen ausdrücklich dagegen.

 

 

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