Der neue Staat

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Der neue Staat
Seit der Schlacht von Mohács waren bis zu Stephan Báthorys Tod gerade 60 Jahre vergangen. Inzwischen war das frühere Ungarn in drei Teile zerbrochen. Seine Mitte war dem Türkischen Reich angeschlossen worden. Im Westen und Norden herrschten ungarische Könige aus dem Hause Habsburg. Doch die „Identifizierung“ der östlichen Gebiete ist nicht mehr so einfach. Johann I. war „König von Ungarn“, Isabella „Königin von Ungarn“ und ihr Sohn, solange er lebte, „Johann II., gewählter ungarischer König“ (electus rex Hungariae). Bis 1570 gab es den Fürstentitel überhaupt nicht, auch der Landesname „Siebenbürgen“ war nur nichtamtlich in Gebrauch, und zwar aus dem einfachen Grunde, um zwischen den beiden „Ungarn“ zu unterscheiden. Anfänglich allerdings stellten die Habsburger aufgrund ihres eigenen Krönungsrechtes und später unter Berufung auf die Abkommen von Wardein, Julmarkt und Nyírbátor den Königstitel der Szapolyais in Frage, während die Polen, Franzosen und Türken ihn anerkannten. (Die übrigen europäischen Mächte nahmen zu ihm je nach ihrem jeweiligen Verhältnis zum Kaiserhaus Stellung.) Die ungarische Öffentlichkeit half sich damit, daß sie – unter Vermeidung des Landesnamens Siebenbürgen – bei aller ihrer Erfindungsgabe sprachlich im unklaren ließ, wer denn Isabella eigentlich sei (das lateinische 262Wort ,regina‘ bedeutet ungarisch sowohl herrschende Königin als auch die Gemahlin des Königs), und Johann II. mit einer in Prag und Preßburg üblichen Redewendung den „Sohn König Johanns“ nannte.
Dieses staatsrechtliche Durcheinander beendete das Speyrer Abkommen durch die Schaffung des siebenbürgischen Fürstentitels. Doch der frühe Tod Johanns II. (den allein die den Habsburger Hoftraditionen folgenden Historiker – im nachhinein – Johann Sigismund nannten) läßt jene Dynastie von der Bühne der Geschichte verschwinden, die das alleinige Recht zuerst auf den Titel „König“ und dann„ Fürst“ besaß. Als Stephan Báthory gewählt wurde, griff er auf die Rechtsordnung des alten Ungarns zurück und gebrauchte den tradierten Titel der früheren königlichen Gouverneure in Siebenbürgen, „Woiwode“. Er leistete dem König sogar den Lehnseid. Doch während früher der Woiwode ein ernannter Beamter war, wurde er jetzt vom Landtag zum Landesherrn gewählt. Natürlich konnte Báthory sein Bemühen, die relative Unabhängigkeit seines Staates zu erhalten, nicht lange hinter diesem zweideutigen Titel verheimlichen. Als „einfacher Magnat“ hatte er eine Herrscherwürde mit freilich recht anfechtbarem Rechtstitel errungen. Doch erst die polnische Königswürde versetzte ihn in die Lage, sich nicht nur den Titel des letzten Szapolyai „Fürst von Siebenbürgen“ anzueignen, sondern auch dessen Vererbbarkeit wie internationale Anerkennung durchzusetzen.
So schwer man für dieses Land und seinen Herrscher Namen und Titel fand – nicht weniger schwerfällig verlief der Entstehungsprozeß, aus dem der Machtapparat des neuen Landes hervorging. Im Landtag des Königreichs Ungarn bis 1526 war der Adel einzeln oder durch Komitatsabgesandte vertreten. Die siebenbürgischen Komitate hingegen wählten gemeinsam eine Delegation aus einigen wenigen Personen, und auch die Sachsen schickten gesonderte Vertreter. (Über die Teilnahme der Szekler liegen keine Angaben vor.) Ihre eigenen Angelegenheiten erledigte die damalige Provinz im Rahmen gemeinsamer Versammlungen der drei Nationen.
Zu Zeiten Johanns I. wurde konsequenterweise an diesem System nichts verändert. Den ersten ungarischen Landtag, zu dem die Siebenbürger Stände (mit Einschluß der Szekler) als gleichberechtigte Teilnehmer kamen, berief Bruder Georg für den 18. Oktober 1541 nach Debreczin ein. Eine Fortsetzung unterblieb vorerst, bis 1544 hielten die Komitate des Königreiches und Siebenbürgens wieder getrennte Landtage ab. Doch damals erschienen auf dem Landtag der drei Nationen im August in Thorenburg als vierter gleichberechtigter Partner auch die Abgesandten der Komitate dies- und jenseits der Theiß. Von da an wird dies zur allgemeinen Praxis, die Funktion des ungarischen Landtages übernimmt im östlichen Königreich und später im Fürstentum praktisch die erweiterte einstige Landesversammlung. Die Theiß-Komitate, die früher nicht zu Siebenbürgen gehörten, erhielten nun einen eigenen Namen, nämlich die Bezeichnung „Partium“ (Teile) in Verkürzung des Titels „Transylvaniae et partium regni Hungariae princeps“.
Der einstige ungarische Landtag (dessen Rechtsnachfolger im Landesteil der Habsburger ungehindert fortbestand) war Anfang des 16. Jahrhunderts zu einem wirksamen Organ der ständischen Interessenvertretung geworden. Ohne seine Einwilligung war es unmöglich, Steuern zu erheben oder Gesetze zu verabschieden. Allmählich hatte er sich darüber hinaus schon ein gewisses Kontrollrecht über die königliche Regierung erworben. Der siebenbürgische 263Landtag hatte sich im Prinzip alle diese Errungenschaften bewahrt, in der Praxis jedoch verlor er an Gewicht, obwohl er sehr häufig, manchmal vier- bis fünfmal jährlich einberufen wurde. Doch änderte sich seine Zusammensetzung. Nach 1545 waren die Komitate des Partiums und Siebenbürgens, die Stühle der Szekler und Sachsen sowie schließlich einzelne Städte von einer ständig wechselnden Anzahl von Abgesandten vertreten. Deren Ansehen war geringer als das der kleinen Gruppe der Räte und Oberbeamten, die die fürstliche Regierung repräsentierten, und als das Ansehen der etwas größeren Schar respektabler Herren, der vom König/Fürsten ernannten „Regalisten“. Naturgemäß zählten dazu auch die Großgrundbesitzer, in der Praxis war die Berufung in den Stand der „Regalisten“ aber von der persönlichen Gunst des Herrschers abhängig.
1556 wurde der Brauch aufgegeben, die Landtage auf Initiative der Stände einzuberufen. Das wurde nun zum Vorrecht des Herrschers, seine Propositionen bestimmten die Tagesordnung und wurden zumeist auch voll akzeptiert, während die Erledigung der traditionell nur Lokalangelegenheiten betreffenden Vorschläge (postulata) der Stände stets ungewiß blieb.
Außenpolitik und Militär waren und blieben das Monopol des Herrschers, die Finanzen nur zum Teil, denn hier mußte das nominelle Steuervorschlagsrecht des Landtages beachtet werden. Die ständischen „Freiheiten“ lebten nur noch in der Lokal- (Komitats-, Stuhl-) verwaltung weiter, aber auch dort mit abnehmender Bedeutung. Nur in Ausnahmefällen wagte der Landtag gegen den Herrscherwillen aufzutreten, so als der Zwist zwischen Isabella und Bruder Georg es fraglich werden ließ, wer denn überhaupt die Regierungskompetenz besitze. Oder als man den „Woiwoden“ Báthory in seiner infolge des Bekes-Aufstandes bedrängten Lage zur Einhaltung seines bei der Wahl geleistetes Versprechens zwingen wollte – übrigens vergeblich.
Die Stärkung der Zentralmacht ging aber nicht mit einer Modernisierung der Verwaltung einher. Der Staatsapparat, den Johann I. noch ganz nach dem Muster der Epoche vor 1526 in Ofen geschaffen hatte, war in dem Durcheinander der Jahre 1540/41 zerfallen; und sogar das aus wenigen Personen bestehende. „Sekretariat“ des Siebenbürger Woiwoden, das Johann Szapolyai noch vor 1526 zu modernisieren versucht hatte, löste sich auf.
Diesem Notstand hatte Bruder Georg, der „Ämterhäufer“, durch die Schaffung einer Kanzlei ganz eigener Art abgeholfen. Diese aus 3–4 Sekretären und mehreren Schreibern bzw. „Notaren“ bestehende Behörde war für alle Regierungsangelegenheiten zuständig, angefangen von den Finanzen über die Diplomatie bis hin zum Militärwesen, von der Güterverleihung bis zur Rechtspflege. Auf lange Sicht konnte diese allzu einfache Lösung nicht taugen.
Im Rahmen der politischen Wende des Jahres 1566 gelangte an die Spitze der „größeren“ Kanzlei (cancellaria maior), welche die gesamte Fürstenzeit hindurch bestand, der erste Kanzler Mihály Csáky (der dieses Amt bis 1571 behielt). Die für die Gerichtsbarkeit zuständige sog. kleinere Kanzlei (cancellaria minor) wurde 1559 eingerichtet. Deren Leiter, der „Spruchmeister“ (Prothonotarius), war zur Zeit Bruder Georgs nur der Stellvertreter des Oberrichters, seit 1556 nun der erste Richter des Landes. Nach einer gewissen Zeit hatten zwei Männer zugleich dieses Amt inne. Auch ein gesonderter Schatzmeister wurde berufen, welcher aber die Finanzaufsicht mit dem Oberperceptor und dem die Zehntpachten kontrollierenden Oberarendator 264teilen mußte. Die Befehlshaber des Heeres (unter denen die Kapitäne von Wardein, Diemrich, Kővár und Huszt die wichtigsten waren), die Obergespane der Komitate und die Anführer der Szekler wurden gleichfalls vom Herrscher mit ihren Ämtern betraut, nur die Sachsen konnten ihre alte Selbstverwaltung in etwa bewahren.
Trotz dieser weitgehenden Zentralisierung blieb die Staatsverwaltung höchst archaisch (im mittelalterlichen Ungarn hatte vergleichsweise ein wesentlich stärker gegliedertes System von Fachinstitutionen bestanden), und ihre Leiter – mit Ausnahme des Kanzlers in Wirklichkeit Beamte niederen Ranges – besaßen keine Möglichkeit, auf die Staatsgeschäfte Einfluß zu nehmen. Selbst der Kanzler und die ihm Unterstellten besaßen nicht annähernd die Kompetenz, wie sie eine zeitgemäße Regierung verlangt hätte. Sie waren eher Ausführende der Herrscherentscheidungen, als daß sie diese vorbereiteten. Das beste Beispiel dafür bietet Stephan Báthorys Regierung. Die Führung der Kanzlei in Weißenburg lag in den Händen sehr tüchtiger Männer (Ferenc Forgách, Imre Sulyok und zuletzt Farkas Kovacsóczy) – König Stephan aber erledigte die wichtigsten Landesgeschäfte nicht über sie, sondern über seine von Márton Berzeviczy geleitete Krakauer „siebenbürgische Kanzlei“.
Die Hauptwürdenträger waren übrigens zugleich Mitglieder des königlich/fürstlichen Rates. Vor 1526 war diese uralte Einrichtung gerade im Begriff, reorganisiert und modernisiert zu werden. Einen Teil seiner Mitglieder wählte der Landtag, ein anderer Teil ging aus dem Fachpersonal des Könighofes (Sekretäre) hervor, wodurch der Rat sowohl eine ständische als auch eine behördliche Kontrolle der Königsmacht darstellte. Johann I. führte jedoch wieder den alten, aus hohen Würdenträgern und Aristokraten bestehenden Rat mit unklarer Kompetenz wie Zusammensetzung ein. 1542 wollten die drei Nationen Isabella (aber in erster Linie dem Bruder Georg) zwar einen gewählten Rat aus 22 Mitgliedern zur Seite stellen, doch wurde dieser Beschluß nicht verwirklicht. Auch spätere, in die gleiche Richtung gehende Versuche scheiterten. Isabella und nach ihr Johann II. wählten sich ihre Räte selbst und unterbanden damit jede ständische Kontrolle.
Betrachten wir nun jene Persönlichkeiten, die als die Führer des Landes bezeichnet werden können, so läßt sich ein interessanter Wandel beobachten. Zu Zeiten des alternden Königs Johann hatten die machthungrigen und entsprechend erfolgreichen Magnaten die Hauptrolle gespielt. Unter Bruder Georg nahm die Zahl solcher lokaler Machthaber ab, und seit den 1560er Jahren begannen sie zu verschwinden, weil einerseits mehrere Magnaten (z.B. Menyhért Balassa und die Perényi-Familie) die Partei wechselten, andererseits die großen Adelsfamilien infolge einer seltsamen Häufung von Zufällen ausstarben (Drágffy, Jaksics). Die Magnaten aus dem eigentlichen Siebenbürgen (die Familien Kendi, Maylád) besaßen wiederum nur kleinere Güter. Die einheimischen Magnaten mußten die Macht die ganze Zeit mit „fremden“ (nicht aus Siebenbürgen stammendem oder gar nichtungarischen) Höflingen teilen. Zuerst mit den Vertrauten Johanns I. und später mit deren Nachkommen, wie dem Dalmatiner Antal Verancsics oder dem Adligen Orbán Batthyány aus Transdanubien. Nach ihrem Tod nahmen ihre Stelle landesfremde Familiare der Herrscher ein. Beispielsweise der zum Kanzler ernannte Kleinadlige Mihály Csáky; der aus Schlesien gebürtige Wardeiner Kapitän Tamás Varkocs; der ebenfalls kleinadlige Burgkapitän von Huszt 265Kristóf Hagymássy; der aus dem Banat stammende, aber angebliche Rumäne Gáspár Bekes; die zu Isabellas Gefolge gehörenden beiden Polen Stanislaw Niezowski und Stanislaw Ligęza; oder etwa der Leibarzt der Königin, der Italiener Giorgio Biandrata usw. Unter Stephan Báthory ändert sich die Situation nur insofern, als die Zahl früherer Paduaner Studenten unter den einflußreichsten Höflingen – besonders in den Kanzleien – zunahm. Zu ihnen gehörte der Leiter der Krakauer siebenbürgischen Kanzlei, der aus Oberungarn stammende Márton Berzeviczy; ebenso seine zwei Stellvertreter, Farkas Kovacsóczy aus Slawonien und der Adlige Pál Gyula bäuerlicher Abkunft; schließlich der aus Ungarn nach Siebenbürgen geflohene, aus einer Magnatenfamilie stammende frühere Bischof von Wardein und dann Kanzler in Weißenburg Ferenc Forgách (dem später übrigens Kovacsóczy im Amt nachfolgte).
Die Entwicklung der ungarischen Gesellschaft in der Epoche vor Mohács war unzweifelhaft von der Entfaltung ständischer Strukturen geprägt. Dieser Prozeß brach hier im Osten nach 1526 ab. Im zukünftigen Fürstentum Siebenbürgen sollte es zur Restauration der Herrschermacht als dominantes Strukturelement kommen. Das zeigte sich nicht nur an der Machtstruktur, an dem sich verengenden Kreis der an der Herrschaft Beteiligten, sondern auch an der immer machtvolleren Repräsentation der fürstlichen Gewalt. Im Ungarn von Matthias Corvinus oder dem der Jagellonen war die Hinrichtung von Persönlichkeiten aus der politischen Elite eine Seltenheit. Auf die Bewahrung dieser Tradition wurden auch die Habsburgerkönige verpflichtet. Demgegenüber ließ Königin Isabella die Magnaten einfach ermorden, die sie als höchstgefährlich einschätzte, so die Brüder Kendi und Ferenc Bebek im Jahre 1558, woraufhin der Landtag nachträglich das Todesurteil über die Opfer aussprach. Auch von den Hinrichtungen nach der Schlacht von Kerelőszentpál durch Stephan Báthory war schon die Rede: Damals sind die Stände nicht einmal gefragt worden, der Anschein der Gesetzlichkeit wurde durch Einbeziehung des Spruchmeisters in die „Urteilsfindung“ aufrecht erhalten.
Daß die Macht der Herrscher ein solches Übergewicht erlangen konnte, lag zum Teil an den wachsenden materiellen Mitteln, die dem Hofe zur Verfügung standen. Die Basis dafür hatte Bruder Georg gelegt, in erster Linie durch Vergrößerung der Kammergüter. Mitte des 16. Jahrhunderts gehörten bereits 700 Dörfer zu den Kammergütern, das entsprach 15–20%, des Landesgebietes. Die größten Herrschaftszentren waren Weißenburg, Diemrich, Wardein, Julmarkt, Fogarasch, Kővár, Görgen, Appesdorf, Neuschloß, Jenő, Lugosch, Karansebesch, Székelytámad, Székelybánja, Kleinschlatten, Huszt und Törzburg, und später kamen noch die gewaltigen Báthory-Herrschaften hinzu. Wenn sich heute das finanzielle Vermögen dieser Ländereien auch kaum mehr abschätzen läßt, so vermochte die fürstliche Regierung auf dieser neugeschaffenen Grundlage eine direkte Kontrolle über einen erheblichen Teil des Landesterritoriums auszuüben. Gestützt auf das aus diesen Latifundien resultierende Übergewicht fiel es leicht, das Kammeralvermögen neu zu ordnen. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts verfügte der siebenbürgische Staat bereits ungefähr über folgende Einnahmen:
24000 besteuerte Hufen in Siebenbürgen
60 000 Gulden
17 000 besteuerte Hufen im Partium
40 000 Gulden
266Zensus der Sachsen am Martinstag
8 500 Gulden
Sondersteuer der Sachsen
25 000 Gulden
Dica der Szekler
20 000 Gulden
Besteuerung der Städte
15 000 Gulden
Einkünfte aus den Salzbergwerken
30 000 Gulden
Zölle
15 000 Gulden
Golderträge
5 000 Gulden
Zehntpachten
15 000 Gulden
 
Der Ertrag zusammen mit dem der Kammeral- und fürstlichen Privatgüter dürfte die jährliche Gesamtsumme von beinahe 300 000 Goldgulden ausgemacht haben. Das ist selbst bei Berücksichtigung der starken Geldentwertung im 16. Jahrhundert eine beachtliche Summe, betrugen doch die königlichen Einkünfte aus dem gesamten Ungarn vor 1526 jährlich nur 200 000 Goldgulden. So war auf jeden Fall genügend Geld zur Deckung der rasch anwachsenden Militärausgaben vorhanden. (Als zeitgemäße Söldnereinheit kann zwar nur die kleine, 1–2000 Mann starke fürstliche Leibwache gelten, doch verlangten Verstärkung und Unterhalt der Grenzburgen auch dann noch mehrfach Sondersteuern.) Von diesen Einnahmen wurden auch die Türkensteuer (10 000, später 15 000 Gulden) bezahlt, ferner die Gehälter der höchsten Würdenträger (Kanzler, Spruchmeister, Generalkapitäne und Räte) und schließlich die bis zu Stephan Báthorys Tod außerordentlich bescheidenen Hofhaltungskosten.
Die Vermehrung der Kammeralgüter und der wirksame Einsatz des Kammervermögens waren nicht nur Ursache, sondern auch Folge des Machtverlustes der Stände, hatten diese doch in der Zeit vor Mohács gerade bei der Enteignung der königlichen Güter und der Kontrolle der Staatsfinanzen ihre größten Erfolge erzielt.
Warum erwies sich der neue Staat mit seiner Ständegesellschaft von Anfang an als schwächer als das alte Ungarn?
Die erste Ursache dafür ist politischer Art. Das allmählich Gestalt annehmende Fürstentum Siebenbürgen entstand nicht aus eigener Kraft, sondern auf den Druck der türkischen Macht. Ohne türkische Intervention im Jahre 1529 wäre der Landesteil der Szapolyais gar nicht entstanden, ohne das (höchst brutale) Eingreifen des Sultans von 1541 wäre er nicht erhaltengeblieben und ohne die Kriegszüge von 1552 bis 1556 hätte er sich nicht neu organisiert. König Johann, Bruder Georg und ihre Nachfolger gingen das Bündnis ein, weil sich nach ihren Erfahrungen der östliche Teil Ungarns gegen die Türken nicht halten ließ. Ihre von Zwang diktierte Entscheidung war jedoch von Furcht, ja sogar Ablehnung überlagert. Wenn daher der Druck der Unionsbestrebungen seitens der Ständegesellschaft oder eine momentane Verbesserung der gesamteuropäischen Situation das empfindliche Gleichgewicht nur etwas veränderte, versuchten die Machthaber Siebenbürgens sogleich, sich mit dem „anderen“ Ungarn der Habsburger auszusöhnen, ja waren nach einiger Zeit auch dazu bereit, ihren mächtigen Istambuler Patron zu verraten.
Fügen wir jedoch sogleich hinzu, daß auch der Türke jede Ehrlichkeit vermissen ließ. Das Wesen seiner siebenbürgischen Politik bestand darin, die Vereinigung beider Ungarn zu verhindern. Solange die Führer des neuen Landes sich vor solchen und deshalb verbotenen Schritten hüteten, wurde 267ihnen im übrigen vom Sultan eine recht weitgehende Freiheit eingeräumt. Andernfalls bestrafte er jedoch einen solchen „Verrat“ sofort und hart, indem er seine Eroberungsfeldzüge fortsetzte und ausweitete, wie das die Besetzung Ofens 1541 und der Überfall auf das Banat 1552 zeigten. Trat hingegen in den Machtverhältnissen eine günstige Wendung ein, so lösten Forderungen die „wohlwollende“ Fürsorge ab: Der einzige Unterschied zwischen dem Ende der 1540er und dem Beginn der 1570er Jahre bestand darin, daß man zuletzt nicht nur die Übergabe der wichtigsten Grenzburgen verlangte, sondern auch die Summe der Steuer und der „Geschenke“ erhöhte und zudem die ersten “Thronprätendenten“ in Stambul auftreten ließ. Ganz offensichtlich hatte man Siebenbürgen das gleiche Los wie der unterjochten Walachei und der Moldau zugedacht, um es schließlich irgendwann mit dem türkischen Reich zu verschmelzen.
So ist es ganz natürlich, daß bei einem solchen beiderseits unaufrichtigen Bündnis, das Siebenbürgen eine selbständige Staatlichkeit gewährte, eine gesellschaftliche Basis für eine solche im Lande selbst sich nur schwer herausbilden konnte. Der hartnäckige Widerstand der Stände provozierte die Vereinigungsversuche von 1540–41 und 1551–1556; beide endeten mit einer Niederlage, ja sogar in einer kleineren Tragödie, hatten aber dennoch einen unermeßlichen Nutzen unter zwei Gesichtspunkten: Einerseits zeigten diese Versuche den Türken, daß die Habsburgermacht für das östliche Ungarn eine Rückendeckung bot, die – im Falle großer Bedrängnis – Hilfe gegen die Pforte zu leisten vermochte und damit die bislang erzielten Ergebnisse des Unterwerfungsprozesses gefährden konnte. Auf diese Einsicht ist die Tatsache zurückzuführen, daß die türkischen Forderungen vom Beginn der 1570er Jahre sogar noch als Vorbild der Selbstbescheidung gelten können – verglichen mit der groben Art, mit der z.B. die rumänischen Länder behandelt wurden. Auf der anderen Seite bringen die wiederholten Niederlagen die ständischen Kräfte des zukünftigen Staates zu der Erkenntnis, daß das türkische Bündnis, ob es ihnen nun gefällt oder nicht, eingehalten werden mußte. Diese schwerwiegende Einsicht des verstorbenen Johann I. macht sich zuallererst der in seiner Existenz gefährdete Adel des Partiums zu eigen und später auch die Herren in den siebenbürgischen Komitaten.
Am längsten währten die Spannungen mit den durch wirtschaftliche wie emotionelle Bande gleicherweise mit dem Westen, den deutsch-österreichischen Ländern, verbundenen Sachsen, obgleich ihre Intelligenz (vom Reformator Johann Honterus bis zum Poeten Christian Schaeseus) versuchte, das tradierte Hungarus-Bewußtsein mit dem neuen deutschen Nationalgefühl zu vereinbaren. Als die beiden anderen Nationen (und das Partium) 1556 Königin Isabella zurückholten, brach in Hermannstadt ein wahrer Volksaufstand aus, wobei sogar der „kompromißbereite“ Königsrichter Johannes Roth umgebracht wurde. Dem nüchternen Peter Haller gelang es nur schwer, die Ordnung wiederherzustellen und zu einem Einverständnis mit Isabella zu kommen.
Die Herrscher Siebenbürgens und die Stände, in deren Namen sie die Macht ausübten, bestanden hartnäckig auf der Idee der Zugehörigkeit ihres Staates zu Ungarn. Ihre Politik – selbst noch die Stephan Báthorys – diente daher ganz allgemein ungarischen und nicht spezifisch siebenbürgischen Interessen. Die Geschichte des dem Türken gefügigen jungen Staates stellt sich (bis 1690!) dar als die ständige Wiederholung von Versuchen zur Union 268mit Ungarn, von unausbleiblichen Niederlagen und türkischen Strafaktionen, bis schließlich der ursprüngliche Zustand gleichsam wiederhergestellt werden konnte.
Die zweite Ursache dafür, daß die ständischen Kräfte in den Hintergrund gedrängt wurden, ist primär gesellschaftlicher Art. Die drei Nationen hatten sich schon mehr als ein Jahrhundert (seit 1437) an die Praxis der Zusammenarbeit in dieser Provinz gewöhnt, doch hatten sich die Unterschiede oder gar Gegensätze zwischen ihnen nicht verringert, und das Gewicht ihres gemeinsamen Auftretens war seit 1467 stark zurückgegangen. Lange Zeit vermochten sie nicht im Maßstab ihres Landes zu denken. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten offenbarten sich in den, wenn auch verfehlten Versuchen István Mayláds 1539–1541 politische Bestrebungen, die auf das Land Siebenbürgen konzentriert waren. Kennzeichnender jedoch war das Verhalten der drei Nationen nach dem Unionsversuch von 1551, als Szekler, Sachsen und Ungarn jeweils gesondert die Verbindung zum Hofe Ferdinands I. aufnahmen, um ihre Steuerzahlungs- und Truppenstellungsverpflichtungen zu vereinbaren. Der sächsisch-ungarische Gegensatz bricht immer wieder auf, ganz gleich ob der Herr Siebenbürgens gerade ein Kaiser, König oder Fürst ist; die Szekler machten sich mit ihren häufigen Aufständen sowohl den Landesherrn als auch die beiden anderen Nationen regelmäßig zu Gegnern. Der Adel des Partiums hingegen stand schon von Haus aus außerhalb der juristischen Fiktion der drei Nationen. Nicht nur Praxis und institutioneller Rahmen für eine gemeinsame Politik waren bis dahin nur ansatzweise vorhanden, sondern auch die Interessen waren kaum identisch. Die Unterschiedlichkeit ihrer Privilegien wies den stolzen ungarischen Adel, die bürgerlichen Sachsen und die bäuerlichen Szekler in völlig verschiedene Richtung.
Der dritte Faktor ist schon weiterführenden Charakters: Die miteinander rivalisierenden ständischen Kräfte waren an sich sozialökonomisch schwach und verletzlich.

 

 

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