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Die Obersteiermark durchzieht in westöstlicher Richtung eine rund 200 km lange Talfurche, die sogenannte „Norische Senke” (1), heute meist als „Mur-Mürz-Furche” bekannt. Vom salzburgischen Lungau bis zum Fuß des Semmeringgebirges innerhalb der Urgesteinszone verlaufend, wird der westliche Teil von der Mur, der östliche von der Mürz (860: „Moriza” (2) = slawisch: „kleine Mur”) durchflossen. Beide Flüsse vereinigen sich bei Bruck, wo sie einen Abfluß aus der Talfurche nach Süden finden. Die Mürz nimmt einige Kilometer östlich ihrer Mündung in die Mur einen von Norden kommenden starken Bach in sich auf, die Stübming, die im Becken von Aflenz entspringt. Das Tal der Stübming wird wegen eines seit Jahrhunderten für die Eisenverarbeitung wichtigen Ortes, Thörl (3), auch der Thörlgraben genannt. An der Stelle, wo die Stübming in die Mürz fällt, verengen Bergzüge das Trogtal der Mürz bis auf einen halben Kilometer: Von Norden ragt das Geieregg (724m), von Süden der Kapfenberger Schloßberg (623m), ein Ausläufer des Rennfeldzuges, in das Tal herein, das hier eine Seehöhe von rund 500m hat.
(1) K. METZ, Grundzüge d. geolog. Baues d. Steiermark, in: Steiermark. Land, Leute, Leistung 1971, S. 46 ff.
(2) Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark (künftig: StUB), bearb. v. J. ZAHN. Bd. 1, 1875, S. 11 (Nr. 7).
(3) F. PICHLER, Die Pengg und die Eisenindustrie im Thörlgraben, in: ZHVSt Sdbd. 9, 1965, S. 52 ff.
Die Gegend des heutigen Kapfenberg war schon in der jüngeren Steinzeit stabil bewohnt, wie die Rettenwandhöhle oberhalb der Stübming erweist (4): Hier fanden sich Steinwerkzeuge und frühe Tongefäßscherben. Bronzezeitliche Fundstücke (5) dokumentieren die Kontinuität der Besiedlung. Zur Römerzeit gehörte der Raum zum Verwaltungsbezirk der Stadt Flavia Solva, auf deren Areal seit dem Mittelalter das Dorf Wagna bei Leibnitz steht. Von Flavia Solva zogen römische Straßen nach Norden. Die Straße nach Bruck, der römischen Poststation Poedicum, teilte sich hier in zwei Äste, deren östlicher in das Mürztal ging, dort aber in das Tal der Stübming abbog, um über den Seebergpaß und den Raum Mariazell die Provinz Ufernoricum zu erreichen. Daß diese Römerstraße ständig begangen wurde, beweist der Fund von Spuren eines römischen Legionsstandlagers in der Nähe des Schlosses Wieden; eine Münze des Kaisers Domitian (81–96) gestattet eine genauere Datierung (6).
(4) W. MODRIJAN, Die steirischen Höhlen als Wohnstätten des Menschen, in: Höhlenforschung in der Steiermark. ( = Schild von Steier. Kleine Schriften 12, 1972) S. 61 ff.
(5) MODRIJAN, a. a. O., S. 85.
(6) Abbildung bei R. PUSCHNIG, K. – alter Markt, junge Stadt, 1974, S. 14 f.
Nach der Völkerwanderung drangen vor dem Jahre 600 von Süden her die Slawen in das Land ein. Im engeren Bereich Kapfenbergs lassen sich zahlreiche Ortsbezeichnungen aus dem Slawischen herleiten (7): Diemlach (1023: Domiahc), Deuchendorf (1203: Tichendorf), Pötschach (1301: Portschach), Parschlug (1203: Porseluch), Schinitz (frühmittelalterlich: Otschinitz = Dorf des Vaters) und andere. Bairische Siedler wanderten um etwa 800 ein und gründeten zwischen den slawischen Dörfern eigene Ansiedlungen: Arndorf, Rammersdorf, Redfeld (1307: Roetenfeld), Schörgendorf, Winkl, Krottendorf, Walfersam (= Waltersheim), Hafendorf (Dorf der Hafner) usw.
(7) S. PIRCHEGGER, Die slavischen Ortsnamen im Mürztal. (= Veröff. d. slavischen Inst. d. Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin, 1927) §§ 8 und 9.
An einem so markanten Punkt der Landschaft, an Fernstraßen, an der Zusammenmündung dreier Täler – dem Thörlgraben, dem von Nordwesten kommenden Lamingtal und dem Mürztal –, dazu noch an einer Talenge mußte im Mittelalter eine Burg entstehen. Die hochfreien Herren von Stubenberg (8) erbauten um das Jahr 1130 auf dem südlichen Bergsporn, der Ausblick in die Täler bot, ihre Burg. Nach dieser Lage erhielt die Burg den Namen Kapfenberg (mittelhochdeutsch: kapfen = gaffen, intensiv schauen). Die Burg wurde Zentrum einer bedeutenden Herrschaft der Herren und Grafen von Stubenberg, die bis zum Jahr 1956 Eigentümer der Burg waren. Die erste Burg lag rund 15m höher als die spätere – und heutige – Burg Kapfenberg (seit 1956: Hotel). Von Altkapfenberg sind noch Mauerreste und eine auf den Grundmauern der alten Burgkapelle 1676 errichtete Lorettokapelle (9) vorhanden. Zu jeder Burg gehörte in jener Frühzeit ein Wirtschaftskomplex, der die Versorgung der Burg sicherzustellen hatte (10). Dieser Komplex – aus vielen Parallelbeispielen zu belegen (11) – bestand aus einem großen Gutshof oder Meierhof, dazu einer Mühle, einer Herberge, aus einer Kapelle, oft auch einer Schmiede. So auch hier: Kapelle und Mühle standen auf dem nördlichen Ufer der Mürz an der Einmündung der Stübming, also wohl an dem uralten und römerzeitlichen Weg in das Thörltal; die Mühle nutzte das Wasser des Baches, denn die Mürz war damals ein ungezähmter Wildfluß mit vielen Hochwässern. Für die übrigen Baulichkeiten war jedoch kein Platz. Den Gutshof erbaute man daher auf dem linken Mürzufer innerhalb einer Schleife der dort auspendelnden Mürz, knapp unterhalb des Burgberges. Hier lagen wohl auch Taverne und Schmiede. Für diese Baugruppe mußte eine Verbindung zu Kapelle und Mühle hergestellt werden: Der „Kirchensteg” besteht heute noch. Aus diesem Komplex zu Füßen der Burg ist um 1190 als Burg-Untersiedlung der Markt Kapfenberg erwachsen, der 1924 zur Stadt erhoben wurde.
(8) J. LOSERTH, Geschichte d. altsteir. Herren- und Grafenhauses Stubenberg, Graz 1911.
(9) PUSCHNIG, K., S. 345.
(10) PUSCHNIG, a. a. O., S. 202 ff.
(11) Dazu F. POSCH, Die mehrstufigen Stadt- und Marktanlagen der Steiermark im Mittelalter u. ihre Bedeutung für die Siedlungsgeschichte, in: MIÖG 78, 1970, S. 274 ff.
Mit dem Funktionieren des Meierhofes und der Mühle, mit der Zunahme der Bevölkerung im Tale, nach dem Aufleben eines starken Durchzugsverkehrs, namentlich nachdem Markgraf Otakar der Traungauer 1166 den Semmeringübergang hatte öffnen lassen (12), genügten Meierhof und Annexe nicht mehr. Wulfing von Stubenberg gründete also hier um 1190 eine Siedlung höherer Ordnung, differenzierterer Funktionen: einen Markt, der sowohl der Herrschaft als den Bedürfnissen der Bevölkerung zu dienen vermochte, darüber hinaus auch dem Fuhrwerks- und Reiseverkehr. Für die Instandhaltung der Brücken wurde dem Markt später das Recht gegeben, eine Maut (13) einzuheben. Für die Neugründung des Marktes stand die Talfläche unterhalb der Burg zur Verfügung, auf der ja schon der Meierhof lag. An diesen Meierhof lehnte der Gründer nördlich eine von zwei Häuserzeilen begleitete Durchzugsstraße; eine kleine Verbreiterung konnte die Aufgabe eines primitiven Handelsmarktes erfüllen. Für den Markt aber mußte die von Bruck kommende Straße den Fluß überschreiten, was ursprünglich wohl durch eine Furt, bald aber über eine Brücke ermöglicht wurde. Der Verkehrsweg zog sich fast geradlinig durch den Markt und überschritt sodann nördlich des Marktes nochmals die Mürz auf der „oberen Brücke”, deren Standort bis heute unverändert geblieben ist.
(12) H. APPELT, Die Anfänge des Spitals am Semmering, in: ZHVSt 43, 1952, S. 3 ff.
(13) StUB Erg. heft zu den Bdd. I-Ill, bearb. v. H. PIRCHEGGER u. O. DUNGERN. (= Veröff. d. Histor. Landeskomm. für Steiermark XXXIII, 1949) S. 26 Nr. 33.
Innerhalb der nächsten Jahrzehnte stellte sich jedoch heraus, daß diese erste Marktanlage von etwa 1190 zu eng geplant war: Der Raum für den Handelsmarkt reichte nicht aus, Herbergsbetriebe fanden keinen Platz, die Handwerke konnten sich zu wenig ausbreiten. Die Herren von Stubenberg gründeten denn unmittelbar neben ihrem ersten Markt, nach Süden ausholend, um 1220/40 eine neue, zweite Marktanlage. Inzwischen war die Technik der Planung verfeinert: Die zweite Markt-Ausbaustufe erhielt einen großen, rechteckigen Marktplatz, an dem die Durchzugsstraße nun tangential vorbeizieht und die Marktfunktionen nicht mehr stört. Alle neu angelegten Straßen kreuzen einander im rechten Winkel, eine kleine Entlastungsstraße für den Marktplatz entstand zusätzlich. 1256 wird Kapfenberg erstmals urkundlich Markt genannt (14).
(14) StUB Bd. III, 1903, S. 292 Nr. 206: „Acta … in foro Chapfinberch, …”
Der alte Gutshof hatte inzwischen seine Funktionen weitgehend verloren und war als Schloß Unterkapfenberg Sitz einer der Stubenberg'schen Herrschaftsverwaltungen geworden. Seit 1911 ist er Sitz der Gemeindeverwaltung Kapfenbergs. Er lag an der Nahtstelle der beiden Marktanlagen nun im Zentrum des märktischen Areals, den Platz dominierend. An dessen westlicher Schmalseite erbauten die Bürger im 15. Jahrhundert ihr Gerichts-, später Rathaus mit einem Turm, das in der Grundanlage noch besteht. Mit der Gründung der zweiten Marktanlage war nun der Schwerpunkt der Siedlung so weit nach Süden gerückt, daß die bisherige „untere Brücke” das neue Straßennetz nicht mehr erreichte. Die von Bruck kommende Landstraße wurde daher 100m vor dem Mürzlauf abgeknickt, gegen Südosten geschwenkt, dazu eine neue „Untere Brücke” errichtet, welche bis heute am selben Platz steht. Diese Veränderung ist auf dem Blatt des Franziszeischen Katasters noch deutlich ablesbar. Die alte Eigenkirche der Stubenberg für den Markt, die Kapelle nördlich der Mürz, St. Oswald geweiht (15), war im 12. Jahrhundert Filiale der weit älteren Kirche St. Martin (16), die heute auch im Stadtgebiet liegt. Die St.-Oswaldkirche, erhielt 1374 die vollen Pfarrechte. Damit war jener Ausbau des Marktes Kapfenberg erreicht, der im wesentlichen bis etwa 1900, also fast 700 Jahre, bestand. Die Bevölkerung blieb in Zusammensetzung und Zahl ziemlich unverändert. Erst im 20. Jahrhundert, mit dem Aufstieg der Industrie (17), überwuchs Kapfenberg sein mittelalterliches Areal, und der Markt wurde nun zum historischen Kern, der neben den neuen Stadtteilen die Vergangenheit repräsentiert.
(15) PUSCHNIG, K., S. 329 ff.
(16) PUSCHNIG, a. a. O., S. 263 ff.
(17) PUSCHNIG, a. a. O., S. 382 ff.
Schon vor 1300 hatte Kapfenberg eine ansehnliche Entwicklungsstufe erreicht: Es gab rund 40 Bürgerhäuser, unter den Handwerkern drei Schmiede, zwei Kürschner – Hinweis auf den starken Durchzugsverkehr –, je zwei Schneider, Schuhmacher, Fleischer, Bäcker, einen Harnischmacher, einen Krämer und sogar einen Goldschmied. Die Hafner spielten im alten Kapfenberg eine besondere Rolle. Der erste überlieferte Straßenname lautet „havenzeil” (18), also eine einseitig verbaute Gasse der Hafner. Der Ton wurde vom Hügel bei St. Martin gewonnen, wo später die märktische Ziegelei stand und heute die Bestattungsanstalt liegt. Im 15. Jahrhundert kam es zwischen den Hafnern von Kapfenberg und denen zu Kindberg zu einem langwierigen Streit, den Kaiser Friedrich III. 1450 dahin entschied (19), daß den Kindberger Hafnern allein gestattet war, weißglasierte Tonwaren und Töpfe herzustellen, wogegen die Kapfenberger nur schwarze, graue und rote Tonwaren herstellen durften.
(18) Steiermärkisches Landesarchiv (künftig: StLA) Urkunde Nr. 1976 a.
(19) StLA Urkunde Nr. 6138 c.
Einen tiefen Einschnitt in der Marktgeschichte bedeutet das Jahr 1526: Wolfgang und Georg, Herren von Stubenberg, gewährten ihrem Markt und dessen Bürgern das Recht, zwölf Ratsherren und den Marktrichter frei zu wählen (20). Seit 1788 führt der Marktrichter den Titel Bürgermeister (21); zum ersten Bürgermeister im modernen Sinne wählten die Kapfenberger 1850 ihren früheren Marktherrn Wolfgang von Stubenberg. Im 16. Jahrhundert kam es zwischen der Stadt Bruck an der Mur und Kapfenberg zu einem Wirtschaftskampf (22) um Mautbegünstigungen, den Lebensmitteleinkauf im Mürztal und das Niederlagsrecht. 1530 endete dieser Streit mit einem für Kapfenberg erträglichen Kompromiß, nachdem sich der Marktherr für seinen Markt mit Erfolg eingesetzt hatte.
(20) StLA Urkunde von 1526 Februar 12; vgl. PUSCHNIG, K., S. 38 ff.
(21) PUSCHNIG, a. a. O., S. 183.
(22) PICHLER, Ein Wirtschaftskampf zwischen Bruck an der Mur und Wolfgang von Stubenberg 1528–33, in: ZHVSt Sdbd. 18, 1971, S. 71 ff., bes. S. 75 f.
Der Markt Kapfenberg lag im großen Landgericht im Mürztal, das bis an die Grenzen der Steiermark am Semmering und im Raum Mariazell reichte. Seit 1267 waren die Stubenberg die Herren dieses Landgerichtes, das sie auf der Burg Oberkapfenberg, später im Schlosse Wieden (KG Hafendorf) verwalteten. Seit 1267 stand also Kapfenberg mit dem Landgericht in enger Beziehung. Der Markt besaß einen eigenen Burgfried, einen gefreiten Niedergerichtsbezirk, in welchem der Marktrichter Recht sprach (23). Dieser Burgfried war zuerst sehr klein und umfaßte nur das geschlossene Marktareal selbst, schon die Hafnerzeile gehörte nicht mehr dazu. 1631 begannen daher Richter und Rat von Kapfenberg mit Georg von Stubenberg zu verhandeln, um eine Erweiterung des Burgfrieds unter Hinweis auf die Vergrößerung des Marktes zu erreichen. Am 12. April 1635 kam die Einigung zustande, und Georg von Stubenberg beurkundete die neue Burgfriedsgrenze. Sie begann bei der „Badbrücke” (Obere Brücke, wo damals das Baderhaus stand), verlief bis zur Verzweigung der Mürztal- und der Thörlgrabenstraße, wo ein Kreuz stand, ging zur Kirche und dem dortigen Friedhof, weiter längs des rechten Ufers der Mürz bis zum Bürgerspital (außerhalb des Unteren Tores), zur Schießhütte (in der Schinitz), dann etwas erhöht am Berghang des Schloßberges bis zur Abzweigung des Burgweges und wieder zum Baderhaus an der Oberen Brücke. Selbstverständlich war das „Herrenhaus” (Schloß Unterkapfenberg) innerhalb der Dachtraufe exempt, darauf wiesen bis ins 20. Jahrhundert die schweren Eisenketten auf niederen Steinsäulen vor dem Schlosse hin.
(23) A. MELL – H. PIRCHEGGER, Steirische Gerichtsbeschreibungen. (= Quellen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte d. Steiermark, 1914) S. 48.
Der Protestantismus war seit 1528 in Kapfenberg eingezogen (24), namentlich seit die wandernden Handwerksgesellen die neue Lehre mitgebracht und bekanntgemacht hatten. In der Gegenreformation unter Erzherzog Ferdinand II. von Innerösterreich, dem nachmaligen Kaiser, verschärften sich die Gegensätze; um 1600 mußten die protestantischen Bürger zwischen Emigration und Rückkehr zum alten Glauben wählen. Mehrere Bürger, darunter der Orgelmacher, zogen in das Exil nach Deutschland oder nach Ungarn. 1629 folgte ihnen der Marktherr Georg von Stubenberg in die Emigration. Seit 1961 besitzt Kapfenberg wieder eine evangelische Kirche und Pfarre.
(24) PUSCHNIG, K., S. 43 ff.
Ab 1599 gehörte die Pfarre St. Oswald in Kapfenberg dem Jesuitenorden, und zwar zum Stift Millstatt in Kärnten, das die wirtschaftlichen Grundlagen für die Mürztaler Pfarren und die Pfarre Pürgg im Ennstal gewährleistete. Nach Aufhebung des Jesuitenordens 1773 war von 1786 bis 1808 das josephinische Bistum Leoben, seither die Diözese Seckau-Graz für die Pfarre zuständig. Heute bestehen in Kapfenberg drei katholische Pfarren: St. Oswald (seit 1374), Maria Königin in Schirmitzbühel (seit 1957) und Zur Heiligen Familie in Walfersam (seit 1962). Die Schule in Kapfenberg war von Anfang an weltlich und unterstand dem Richter und Rat, der die Schulmeister bestellte. Sie ist seit 1577 bezeugt und bestand bis 1758, als sie in geistliche Hand überging.
Der Dreißigjährige Krieg (25) brachte neben einer Flut von Flüchtlingen aus dem Reiche einen bedeutenden Aufschwung der Eisenverarbeitung. 1630 beriet man über eine Dezentralisation der Eisenwerke (26), um einen Raubbau an den Wäldern zu vermeiden, die für die Holzkohle der Eisenschmelzen zu sorgen hatten. Von Kapfenberg aus wurden Werkstätten in der ganzen Steiermark koordiniert, aber auch die Produktion in den Ländern Krain, Tirol, selbst in Mailand miteinbezogen. Ein ähnlicher Vorgang vollzog sich im Ersten Weltkrieg – fast 300 Jahre später –, als von Kapfenbergs Böhlerwerken die Munitionsproduktion des gesamten Ostalpenraumes von Vorarlberg bis Ödenburg/Sopron und bis Laibach/ Ljubljana einheitlich durchorganisiert wurde (27). 1639 verlieh Kaiser Ferdinand III. dem Markt Kapfenberg ein Wappen (28). Es zeigt im blauen Schild eine goldene Brücke, aus deren Mitte ein goldener Löwe mit doppeltem Schwanz, offenem Rachen und ausgeschlagener Zunge und goldener Krone wächst, der einen gestürzten silbernen Anker – das Wappen der Herren von Stubenberg – in den Pranken hält. Die Brücke, Hauptfigur im Wappen, deutet auf die Wichtigkeit der Flußübergänge des Marktes hin. Nicht lange darauf verlieh Ferdinand III. auf Intervention Wolfgangs von Stubenberg zwei Jahrmärkte an Kapfenberg (29), diese brachten dem Markt bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung. Schwere Pestepidemien wüteten 1633, 1650 (30) und besonders 1712–1715 (31). Damals wurde eine Gedenksäule mit einer Marienstatue und vier Heiligen auf dem Platz aufgestellt (32). 1970 erstand diese Säule nach Restaurierung neu und fand ihren Platz nahe der Pfarrkirche St. Oswald.
(25) PUSCHNIG, a. a. O., S. 55 ff.
(26) StLA Meillerakten IX-a-19, fol. 514 ff.
(27) O. BÖHLER, Geschichte der Gebr. Böhler&Co. AG, 1870–1941, 1941.
(28) StLA Diplom Nr. 120m; Abbildung bei PUSCHNIG, K., S. 277.
(29) StLA Diplom Nr. 136m von 1647 Dezember 10, Prag.
(30) PUSCHNIG, K., S. 64 ff.
(31) PUSCHNIG, a. a. O., S. 69 ff.
(32) PUSCHNIG, a. a. O., S. 71 ff.
Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (33) war der Markt auf 71 Häuser mit 59 Bürgerfamilien gewachsen. Die Einwohnerzahl hatte fast 450 erreicht. Zu den Handwerkern waren ein Bierbrauer, ein Färber, ein Hutmacher, zwei Lederer, ein Lebzelter und Wachszieher, ein Weißgerber und zwei Weber gekommen; zehn Wirte nahmen sich der Durchreisenden an. Die Zahl der Hafner betrug vier. Das Zunftwesen stand in guter Blüte; in Kapfenberg bestanden 6 Zünfte, deren einige weit über den Raum des Marktes hinausgriffen: Die wichtigsten Zünfte waren die Müller (34) mit 94 Mitgliedern und die Weber (35) mit 59 Meistern. Zwischen Kapfenberg und dem Semmering, im Raum Weichselboden, Mariazell, Aflenz, der Laming bis an das Weichbild von Bruck und bis in die Stanz, saßen die Meister, also beinahe im ganzen heutigen Gebiet der politischen Bezirke Bruck und Mürzzuschlag. Räumlich kleiner war der Zunftbereich der Schmiede (36), doch stark spezialisiert; am stärksten waren naturgemäß die Hufschmiede vertreten und die Nagelschmiede und Hackenschmiede. Unter den insgesamt 40 Meistern treffen wir Waffen- und Messerschmiede, Löffel-, Bohrer- und Sensenschmiede. Als die Schneider und Schuhmacher um 1700 ihre Zünfte über Kapfenberg hinaus erweitern wollten, entschied der Kaiser letztlich gegen sie. Die Bäcker und Fleischer waren denen in Bruck an der Mur inkorporiert.
(33) PUSCHNIG, a. a. O., S. 74 ff.
(34) PUSCHNIG, a. a. O., S. 373 ff.
(35) PUSCHNIG, a. a. O., S. 374.
(36) PUSCHNIG, a. a. O., S. 375.
Die stark frequentierten Straßen brachten Kapfenberg immer wieder Soldatendurchmärsche (37). 1797 wurde in Diemlach-Berndorf ein großes Standlager für die napoleonischen Truppen eingerichtet, das bis Kapfenberg reichte. 1799 zogen die Truppen der russischen Verbündeten unter General Suwarow durch das Mürztal gegen Oberitalien. 1800, 1805, 1809 kamen französische Heeresabteilungen durch Kapfenberg, dessen Bevölkerung durch die Kontributionen und Einquartierungen schwer zu leiden hatte. Eingeschleppte Seuchen wie der Flecktyphus dezimierten die Bewohnerschaft, der österreichische Staatsbankrott von 1811 beraubte sie ihrer Existenzgrundlagen. Dazu traten Naturkatastrophen: Schwerste Hochwässer der Mürz überschwemmten den Markt mehrmals, rissen Straßen und Brücken fort. Beim Großbrand Kapfenbergs in der Nacht vom 20. auf den 21. September 1814 (38) blieben nur drei der 79 Häuser ganz verschont, von 61 Häusern standen nur noch die Grundmauern; der Turm des Rathauses am Platz stürzte ein, ebenso das Untere Tor an der Mürz. Beide Baulichkeiten wurden nicht mehr wiederhergestellt, das Rathaus blieb ohne Turm. Die Wiederherstellung gab dem Markt sein einheitliches Biedermeier-Aussehen, das im wesentlichen bis heute gewahrt blieb.
(37) PUSCHNIG, a. a. O., S. 85 ff.
(38) PUSCHNIG, a. a. O., S. 89.
Mit dem Bau der Südbahn, die Wien über Graz, Cilli und Laibach mit Triest verband (39), setzte schon 1844 das industrielle Zeitalter Kapfenbergs ein, das die wirtschaftlichen Strukturen des Marktes grundlegend veränderte, damit jenen Aufstieg brachte, der in der Erhebung zur Stadt im Jahre 1924 gipfelte. Techniker, Bauarbeiter, Landvermesser, Kommissionen belebten alle Zweige der Wirtschaft. Nach der Eröffnung der Gesamtstrecke 1857 stand dem Eisenhandel das Tor zu Welt offen. Die alten patriarchalisch geleiteten Hammerwerke wichen neuen Fabrikationsmethoden, Industriebetrieben. Seit Jahrhunderten bestanden in und um Kapfenberg – wie im ganzen Mürztal und bis Leoben – eine große Zahl von Eisenverarbeitungsstätten: die Hammerwerke (40). Grundlage dafür waren die kurzen Transportwege des Eisens von Vordernberg her, die reichlich vorhandenen Wasserkräfte, schließlich der Waldreichtum zur Erzeugung der Holzkohlen. Die Mürz wurde kaum genutzt, da der Wildfluß alljährlich über die Ufer trat und Schaden stiftete. Die Werke standen vielmehr an den Seitenbächen, der Laming und Stübming, wo ja schon die herrschaftliche Mühle von 1190 gestanden war. An der Mürz lag nur ein großes Hammerwerk, der „Schinitzhammer” (41), den der Markt 1689 von den Grafen von Stubenberg kaufte. Dieser Schinitzhammer hatte elf Feuerstätten, eine Schleife und eine Lehmstampfe für die Hafner. All diese Funktionen, dazu noch die Blasebälge der Schmiede wurden von Wasserrädern angetrieben, wofür mehrere Gerechtsamen bestanden. Die einzelnen Feuer waren an Schmiede des Marktes ausgetan. Jakob Haberfellner, der 1784 die „Flossenzerrennfeuergerechtsame” (Bewilligung des Eisenschmelzens) erhalten hatte, verlegte, der Wasserschäden müde, 1787 die gesamte Hammeranlage mit (damals) acht Feuern an die Stübming (Gemeinde Einöd), wozu eine eigene Genehmigung des Grazer Guberniums erwirkt werden mußte. In der Krisenzeit um 1880 kaufte der Gewerke Hans Pengg von Auheim, dessen Familie im Besitz des Hammerwerkes am Thörl war, die Anlage und erzeugte bis 1922 Hufnägel. Seit 1923 besteht hier die Pengg-Walenta Steirische Kettenfabrik AG, die zu den größten und modernsten der Welt zählt. Ihre Landwirtschafts-, Industrie- und Schiffsketten gehen zu 40 Prozent in 45 europäische und außereuropäische Länder.
(39) PUSCHNIG, Erzherzog Johann und der Bau der Südbahn, in: ZHVSt Sdbd. 4, 1959, S. 54 und DERS., Erzherzog Johann und die Entstehung der Südbahn, in: Erzherzog Johann von Österreich, sein Wirken in seiner Zeit. (= Forschungen zur geschichtl. Landeskunde d. Steiermark, hg. von der Histor. Landeskomm. für Steiermark XXXIII, 1982) S. 207 ff.
(40) PUSCHNIG, K., S. 376 ff.
(41) PUSCHNIG, a. a. O., S. 378 und 397.
Der berühmteste Hammer bei Kapfenberg war der Höllhammer in Berndorf, knapp oberhalb der Mündung der Laming in die Mürz. 1409 genannt (42), wurde er von Kaiser Friedrich III. an den Gewerken Peter Kornmeß aus Bruck mit dem Recht auf zwei Feuerstellen verliehen. 1515 übernahm ihn Sebald Pögl Freiherr auf Reifenstein (bei Judenburg), Hammerherr am Thörl (43). 1613 ist der Eisenobmann des Brucker Viertels und Bürger des Marktes Kapfenberg Sebastian Saupach aus Tiroler Geschlecht am Eigentum, dem Kaiser Ferdinand II. um 1620 den Adelsstand und die Herrschaft Spiegelfeld im Mürztal verlieh (44). Von 1623 bis 1857 besaß die aus dem Lungau stammende Familie Fraydt von Fraydenegg und Monzello auf Nechelheimb (45) den Höllhammer, den in diesem Jahr Franz Mayr erkaufte. Dieser war es, der die Eisenindustrie Kapfenbergs begründete. – Der Laminghammer, seit 1563 urkundlich bezeugt, stand bei Berndorf (46). Er ist erwähnenswert, weil ihn 1886 der württembergische Hoftierarzt Karl Kaltschmied, Nachkomme einer des Glaubens wegen emigrierten Eisenerzer Gewerkenfamilie, erwarb. Kaltschmied errichtete darauf nach englischem Muster die erste Bügeleisenfabrik Österreichs; 1912 bis 1914 mußten neue Gießereianlagen erbaut werden. Die Exporte gingen bis nach Rußland und Indien. 1938 erzeugte das Werk 12 Prozent der Weltproduktion an Bügeleisen und stand im Ostexport auf 24 Prozent. – Der Erlachhammer nächst der St.-Oswaldkirche ist durch eine Inschrifttafel von 1446 am Kapfenberger Pfarrhof, dem ehemaligen Hammerherrnhaus, im Gedächtnis geblieben. Unter den Besitzern finden sich die Familien Kornmeß (47) seit 1674 Thin (später: von Thinnfeld) und Schragl (48). 1829 kaufte Franz Mayr den Erlachhammer und baute von hier aus sein mächtiges Stahlwerk auf. Einige kleine Hammerwerke, etwa der Lucknerhammer, der Siebenbrünnhammer (49), lagen an der Stübming. Sie gewannen weniger an Bedeutung und gingen in den Anlagen der neuen Stahlwerke unter, sind höchstens noch an Bachläufen zu erkennen.
(42) H. PIRCHEGGER, Das steirische Eisenwesen bis 1564, 1937, S. 74 und Anm. 39. – E. DIETINGER, K. und die Entwicklung seiner Eisenhämmer zur Großindustrie. Masch. phil. Diss., Graz 1944.
(43) A. Ritter v. PANTZ, Die Gewerken im Bannkreise des steirischen Erzberges, in: Jahrbuch d. herald.-genealog. Gesellschaft „Adler” N. F. XXVII/XXVIII, 1917/18, S. 244 ff.
(44) PANTZ, a. a. O., S. 279. – P. DEDIC, Die Reformation und Gegenreformation in Bruck an der Mur und im Mürztal. (= Jahrbuch d. Gesellschaft für die Gesch. d. Protestantismus im ehemal. Österreich 63/64, 1942/43). – PUSCHNIG, Gnaden und Rechte. (= Verö ff. d. StLA, hg. G. PFERSCHY, 14, 1984) S. 22.
(45) PANTZ, a. a. O., S. 211. – V. HATHEYER, Chronik des Marktes Tamsweg, Tamsweg 1955, S. 324 ff.
(46) PUSCHNIG, K., S. 376.
(47) StLA Urkunde Nr. 6601 von 1456 Oktober 6.
(48) PANTZ (wie Anm. 43) mit Stammtafel bei S. 304.
(49) PUSCHNIG, K., S. 378.
Mehrfach erschien der Name Franz Mayr. Mit ihm begann der Aufstieg Kapfenbergs zur Weltgeltung. Franz Mayr, Bauernsohn aus der Gegend von Knittelfeld, kaufte, wie berichtet, 1829 den Besitz des Hammergewerken Franz Michael Schragl, bald hernach andere Hammerwerke und Waldbesitz für die Holzkohle. Mayr besaß bereits einen Kupferhammer in Waasen bei Leoben, er errichtete ein großes Hüttenwerk in Donawitz. Im Jahre 1842 übergab er seinen Besitz an seine Söhne. Franz Mayr (50), der älteste Sohn, war ein höchst qualifizierter Hüttenfachmann, der in England praktiziert hatte, ein Mann von außerordentlicher Tatkraft und großem Weitblick. Er gründete auf dem alten Erlachhammer das erste Gußstahlwerk Österreichs, er führte die Siemens-Martin-Öfen ein und ersetzte als erster in der Steiermark die Wasser- durch die Dampfkraft, im Hüttenbetrieb die Holzkohle durch die mineralische, wofür er selbst etliche Schürfe erschloß. Für den Tiegelguß begann er selbst Graphit abzubauen. 1857 kaufte Franz Mayr den Höllhammer hinzu, 1861 den Lucknerhammer, 1862 die alte Hofmühle an der Mündung der Stübming mit ihrer Hammergerechtsame, nachdem schon 1860 in Winkl eine Gußhütte für Steinkohlenfeuerung mit sechs Siemens-Gasöfen zu produzieren begonnen hatte. Damit hatte Franz Mayr den gesamten nördlichen und nordöstlichen Raum bei Kapfenberg zu einem Industriewerk zusammengefaßt. Franz Mayr wurde 1859 mit dem Prädikat „von Meinhof” in den Adelsstand erhoben, 1872 wurde ihm der Freiherrnstand verliehen. Als er 1872 sein Kapfenberger Stahlwerk an die Innerberger Hauptgewerkschaft verkaufte, besaß dieses 10 Tiegelstahlschmelzöfen, zwölf Streckglühfeuer, sechs Wasserhämmer, vier Dampfhämmer, ein Pochwerk mit Schleiferei sowie alle nötigen Nebenbetriebe. Die neue Leitung erbaute zwei weitere Tiegelstahlschmelzen und einen Dampfhammer. 1873 begann die Innerberger Hauptgewerkschaft in Kapfenberg mit der Herstellung von Mangan-, Wolfram-, Werkzeug- und Sensenstahl.
(50) C. v. WURZBACH, Biograph. Lexikon des Kaisertums Österreich. XVII. Teil, 1867, S. 107 ff. – Österreichisches biographisches Lexikon: bei Meier – Mayr – unter „von Melnhof”.
1881 ging das Stahlwerk Kapfenberg in den Besitz der neu gegründeten Österreich-Alpine-Montangesellschaft über. Diese vereinigte es mit dem großen Hammerwerk bei Kindberg, das sie aus der Konkursmasse des Gewerken von Fridau erworben hatte, und verlegte die gesamte Stahlerzeugung nach Kapfenberg. Auf dem Erlachhammer wurden zwei neue Dampfhämmer und eine Walzstrecke erbaut. Die Jahreserzeugung betrug 1887 rund 2400t, in den Jahren 1889 bis 1891 stieg sie auf mehr als 4000t. Das Werk beschäftigte damals etwa 500 Arbeiter. Die Österreich-Alpine-Montangesellschaft investierte wenig in das Stahlwerk: Am Stübmingbach standen noch aus Holz gebaute Objekte, die Gemeindestraße führte mitten durch das Werksgelände, am Bach stand der alte Mühlhammer; es gab nur drei gemauerte Wohngebäude, darunter das des Hüttenverwalters, wie der Werksdirektor damals bezeichnet wurde.
Als die Alpine-Montangesellschaft Geldmittel benötigte, um das Stahlwerk Donawitz auszubauen, verkaufte sie das Stahlwerk Kapfenberg 1894 an die Gebrüder Böhler (51). Die Unternehmerfamilie Gebrüder Böhler aus Frankfurt am Main war 1870 nach Wien gekommen. Als reine Handelsfirma hatte sie seit 1883 den Alleinvertrieb des Kapfenberger Stahls in der ganzen Welt übernommen und organisiert. Die Firma Böhler war es, die die Kapfenberger Stahlproduktion zu bedeutender Höhe führte, dem Kapfenberger Stahl weltweit einen geachteten Namen errang. Nach und nach verbaute die Gebrüder Böhler AG. das ganze Mündungsdelta des Stübmingbaches und dessen Raum taleinwärts zu einem Industriewerk, das heute das Stadtbild Kapfenbergs bestimmt (52) und der Stadt den Namen „Böhlerstadt” eingetragen hat. Zwei Drittel der gesamten Einwohnerschaft der Stadt stehen unmittelbar – als Beschäftigte oder deren Familie – in Abhängigkeit von den Böhlerwerken, heute VEW (Vereinigte Edelstahlwerke) Kapfenberg.
(51) PUSCHNIG, K., S. 381 ff. – BÖHLER (wie Anm. 27).
(52) Vgl. den topographischen Teil unseres Kommentars: „Die Gliederung des Territoriums von K.”
Parallel zu dieser Entwicklung an der Stübming vollzog sich in Diemlach eine bedeutende Industriegründung: Die Söhne des Gewerken Friedrich Bruno Andrieu erweiterten ihr Stahl- und Walzwerk, das in der Stadt Bruck an der Mündung der Mürz in die Mur stand, und errichteten auf Gründen in Diemlach ein kleines Hüttenwerk (53). 1900 ging dieses Hüttenwerk in den Besitz der Wiener Firma Felten&Guilleaume über, die ihm großen Aufstieg brachte: Das Werk Diemlach wurde die Rohstoffbasis für die Drahtseilerzeugung des Wiener Betriebes.
(53) PUSCHNIG, K, S. 394 f.
Neben den Eisenwerken entstand 1896 am Fuße der Rettenwand eine Verarbeitungsstätte für Holz: Josef Haberler gründete an der Stübming eine Pappenfabrik und Holzschleiferei (54), deren Erzeugnisse im Ausland großes Interesse fanden. 1936 wurde daraus die Firma „Isotex”, die als erste in Östereich die leichten Holzfaserplatten herstellte und in den Export brachte. In dieser Phase der Industrialisierung Kapfenbergs entstand eine neue Eisenbahnlinie, die Schmalspurbahn von Kapfenberg nach Au-Seewiesen durch das Tal der Stübming (55). Die rund 23 km lange Strecke, 1893–1895 erbaut, erschloß das Thörltal bis zum Fuß des Seebergsattels und gab den Stahlwerken Pengg in Thörl über Kapfenberg den Anschluß an das europäische Schienennetz.
(54) PUSCHNIG, a. a. O., S. 99 und 135.
(55) Eröffnung der schmalspurigen steiermärkischen Landesbahn K.–Seebach–Au, Graz 1893. – E. A. ZIFFER, Die schmalspurige Landesbahn K.–Seebach–Au, in: Mitteilungen d. Vereins für die Förderung des Local- und Straßenbahnwesens III, Wien 1895, 1. Heft.
Der Erste Weltkrieg brachte den Stahlwerken in Kapfenberg eine starke Konjunktur. Die Böhlerwerke erzeugten Granaten, Geschütze, Minenwerfer, Gewehrläufe. Einer ersten Ausbaustufe von Ende 1914 folgte 1916 eine zweite: In Winkl wurde zur Sicherung der Energieversorgung ein Dampfkraftwerk errichtet, wofür Böhler ein Kohlenbergwerk in Göriach ankaufte und in Betrieb nahm. Die Expansion der Produktion war so stark, daß Kriegsgefangene in den Werken eingesetzt werden mußten. Für sie wurden in der Gemeinde Hafendorf sieben große Barackenlager und 19 Einzelbaracken aufgestellt, die zum Teil bis 1970 bestehen blieben. Vorbildlich waren die Leistungen der Firma Böhler auf sozialem Gebiet (56): 1909 war von ihr das Werkskrankenhaus erbaut worden, das auch der übrigen Bevölkerung zur Verfügung steht. Schon 1906 hatte der Bau von Arbeiterwohnungen in der Schinitz begonnen; es gab Werksküchen und eine eigene Landwirtschaft dafür; es entstand ein Werksgasthof mit Theater- und Vortragssaal, ein neues Werksbad, ein Kinderheim. Die „Friedrich und Anna Böhler-Stiftung” regelte die Versorgung von Arbeits- und Krieginvaliden und deren Angehörigen.
(56) PUSCHNIG, K, S. 387 f.
Der Zusammenbruch des österreichischen Kaiserstaates im November 1918 bedeutete für Kapfenberg eine Katastrophe. Die Konjunktur brach zusammen; durch die Beschränkung des Staatsgebietes auf den – wie man damals sagte – „deutschösterreichischen” Kleinstaat verloren die Stahlwerke riesige Absatzgebiete im Osten und Südosten. Die Beschäftigtenzahl war bei Böhler von 1914 bis 1918 von 750 auf 7500 angestiegen, bei Felten&Guilleaume von 230 auf 500. Nun begann die Arbeitslosigkeit und Not. Die Marktgemeinde Kapfenberg griff zu „Notstandsarbeiten” (57): Sie erbaute das Grundwasserpumpwerk in der Schinitz und den Trinkwasserhochbehälter am Schinitzkogel (58); das erste Schwimmbad wurde in der Schinitz angelegt. Der märktische Fuhrhof, für den man vier Pferde kaufte, wurde errichtet, 1921 konnte die Doppel-Bürgerschule in der Schinitzgasse eröffnet werden, Straßen und öffentliche Gebäude wurden instandgesetzt. Dies war der Anlaß, die Straßen neu zu benennen und die Häuser systematisch zu numerieren. 1924 entstand ein Kindergarten.
(57) PUSCHNIG, a. a. O., S. 109 und 113.
(58) PUSCHNIG, a. a. O., S. 11 und 227.
Die Leistungen der Industriewerke, vor allem die tatkräftigen, erfolgreichen Maßnahmen der Notstandsarbeiten ließen die Staatsführung aufmerksam werden, und so erhielt Kapfenberg als vierter steirischer Markt 1924 von der jungen österreichischen Republik das Stadtrecht (59). Anläßlich der Stadterhebung wurde eine Reihe benachbarter Ortschaften der Stadt angegliedert. Diese Tendenz hatte es schon 70 Jahre früher gegeben, als aufgrund des Gemeindegesetzes von 1848 im Jahre 1850 (60) die Steuergemeinden Winkl, Einöd, Diemlach, St. Martin, Pötschen, Arndorf, Schörgendorf, Stegg und Berndorf mit der Marktgemeinde Kapfenberg in einen Verband treten sollten. 1922 wurde Berndorf als Katastralgemeinde neu kreiert und zur Stadtgemeinde Bruck an der Mur geschlagen (61). Kraft der Stadterhebungsurkunde vom 9. Mai 1924 wurden nun die Ortschaften Diemlach, St. Martin, Siebenbrünn und Winkl der Stadt einverleibt. Hafendorf, Krottendorf, Deuchendorf und Pötschach weigerten sich und bildeten eine eigene neue Ortsgemeinde Hafendorf. Erst 1939 trat diese in den Verband der Stadt Kapfenberg ein. 1924 waren also die Fesseln des mittelalterlichen Marktes, der um 1200 geplant und angelegt worden war und bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts den Ansprüchen im allgemeinen genügt hatte, gesprengt. Nun konnte ein modernes Raumordnungskonzept entworfen, konnte die junge Stadt neu und zeitgemäß geplant werden, da Raum dafür zur Verfügung stand (62). Dank der Begabung und Tatkraft des Architekten Dipl. Ing. Dr. Ferdinand Schuster, o. Professors an der Technischen Hochschule Graz, wurden auf diesem Gebiet vorbildhafte Lösungen verwirklicht.
(59) PUSCHNIG, a. a. O., S. 113 ff.
(60) PUSCHNIG, a. a. O., S. 93 ff. – Allgemeines Landes-Gesetz und Regierungsblatt für das Kronland Steiermark 1850, XXI. Stück, Nr. 378, Kreis Bruck, S. 4. – Ehrenbuch der Stadt K. I. 1849, III, 47, im Stadtamt K.
(61) PUSCHNIG, a. a. O., S. 112.
(62) PUSCHNIG, a. a. O., S. 145.
In der Zwischenkriegszeit stagnierte die Konjunktur zunächst, stieg aber durch die intensive Aufrüstung Deutschlands nach 1933 und dem Abessinienkrieg Italiens 1935 stark an: Die Stahlwerke waren voll ausgelastet (63). Der Zweite Weltkrieg brachte alle Eisenwerke Kapfenbergs auf Höchsttouren. Unermeßliches Kriegsmaterial mußte mit allen Kräften produziert werden. Die Halle des Siemens-Martin-Werkes wurde um 117m verlängert; da im „Stammwerk” Böhler der Platz nicht mehr vorhanden war, begann die Errichtung eines neuen Stahlwerkes, „Werk VI” genannt, in Krottendorf, das den Verarbeitungsbetrieben, vor allem den Geschützwerkstätten diente, wobei das Hüttenwerk in Kapfenberg verblieb. 1943 begann der Bau eines neuen 500.000 Quadratmeter großen Stahl- und Walzwerkes in St. Marein, das auf 17.000t Rohstahl ausgelegt war. Ein noch größeres Projekt, dem die Ortschaften Gassing und Lesing – die außerhalb Kapfenbergs liegen – zum Opfer hätten fallen müssen, wurde aufgegeben. Im Zusammenhang mit diesem Ausbau entstanden neue Siedlungen für die Belegschaft. Die Rohstahlerzeugung stieg von monatlich 6.000t im Jahr 1937 auf 12.000t. Die Belegschaft erreichte im Jänner 1945 den Höchststand mit 15.972. Unter den Arbeitern waren 55% Ausländer. Rentner wurden zur Arbeit gerufen, auch Frauen wurden seit 1944 verpflichtet. Knapp vor Ende des Krieges berief man alle männlichen Belegschaftsmitglieder zum Volkssturm ein; mit dem verbleibenden Rest konnte die Produktion nicht mehr aufrecht erhalten werden.
(63) Zum folgenden PUSCHNIG, a. a. O., S. 387 ff.
Kapfenberg erlitt unter anderem am 11. Dezember 1944 einen schweren Luftangriff (64): Das Verwaltungsgebäude der Böhlerwerke, die beiden Gesenkschmieden, der Lucknerhammer wurden völlig zerstört. Am 8. Mai 1945 verursachte ein Luftangriff Schäden von 4 Millionen Mark (65). Am 9. Mai 1945 marschierten die Truppen der Roten Armee in Kapfenberg ein. Alle Stahlwerke wurden sogleich beschlagnahmt und zum Abtransport bestimmt. Insgesamt verloren die Werke 1854 große Produktionsmaschinen und sonstige Einrichtungen im Wert von mehr als 110 Millionen Mark, doch konnte Kapfenberg immerhin eine monatliche Rohstahlkapazität von etwa 5.000t Elektrostahl und 4.000t Siemens-Martin-Stahl aufrechterhalten. Am 24. Juli 1945 übernahm die britische Besatzungsmacht die Steiermark.
(64) PUSCHNIG, a. a. O., S. 138 f.
(65) PUSCHNIG, a. a. O., S. 140. – Pfarrchronik St. Oswald in K. – F. SCHUSTER, Die Arbeiterstadt – Grundlagen für die Ortsplanung von K., Masch. phil. Diss., Graz 1952.
Im Mai 1945 betrug der Beschäftigtenstand in Kapfenberg 467, fast alle Maschinen waren verloren, es herrschte Mangel an Rohstoffen, Konsumgütern. Dennoch griffen alle Hände zu: ein Fünftel der Hüttenwerksmaschinen entwarf und baute man selbst in den eigenen Werkstätten, die übrigen wurden in zehn Jahren des Wiederaufbaues neu aufgestellt. Ein 6-t-Elektro-Lichtbogenofen begann zu arbeiten, im Juli nahm die Stahlgießerei die Erzeugung auf, Ende November begann die Produktion von Preßluftwerkzeugen. Kohlenmangel führte zur Wiedereröffnung des 1930 stillgelegten Bergbaues in Göriach mit 66 Bergleuten, die bis 1954, der endgültigen Schließung, 293.000t Braunkohle förderten. In Deuchendorf entstand mit Bewilligung der Besatzungsmacht eine Waggonausbesserungswerkstätte (66), die insgesamt 3.500 Wagen der Österreichischen Bundesbahn reparierte. 1956 und 1957 betrug die Rohstahlproduktion je 145.000t, 560 Arbeitskräfte wurden neu eingestellt, Investitionen von 1286 Millionen S getätigt. Nach einem Abflauen der Konjunktur infolge der Rezession der amerikanischen Wirtschaft, stieg seit 1959 die Produktion wieder an, um 1960 eine Rekorderzeugung von 168.000t zu erreichen, wobei sich der Beschäftigtenstand von 6.788 auf 7.295 erhöhte.
(66) PUSCHNIG, K, S. 392.
1973 wurde durch die Fusion der eisen- und stahlverarbeitenden Industrie ein Einschnitt in die Geschichte der Böhlerwerke gesetzt: Die Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke VÖEST Linz und die Österreichisch-Alpine-Montangesellschaft wurden zusammengelegt, die Edelstahlwerke Gebrüder Böhler & Co. AG sowie die Edelstahlwerke Judenburg, Schöller-Bleckmann, Ternitz, als „Vereinigte Edelstahlwerke” VEW, Tochtergesellschaft, angegliedert. – Das Stahlwerk der Firma Felten&Guilleaume in Diemlach erlitt ein ähnliches Schicksal (67). Das Ende der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1918 brachte den Verlust der Absatzgebiete auf dem Balkan. 1923 verlegte das Unternehmen die Bronzeschmelze von Bruck nach Diemlach, die bis 1928 arbeitete. Die Schwankungen der Weltkonjunktur wirkten sich hier besonders aus, doch setzte 1938 eine neue Hochkonjunktur ein, die 1939 einen Höchststand erreichte. Umso tiefer war der Absturz nach dem Kriegsende 1945, besonders wegen der totalen Demontagen. In den folgenden Jahrzehnten erholte sich das Werk wieder, Stabstahl, Draht, Stifte, Spezialstähle eroberten die Exportmärkte, im Jahr 1983 schloß das Werk jedoch wegen der allgemeinen Rezession seine Pforten. Ersatzproduktionen sollen anlaufen.
(67) PUSCHNIG, a. a. O., S. 394 f.
Die Stadt erlebte all diese Geschehnisse unmittelbar mit, hielt die Sozialpolitik aufrecht und arbeitete weiter am Aufbauwerk der gemeinnützigen Einrichtungen und dem Wohnungsbau. Des kulturellen Auftrags einer Stadt bewußt und im Zuge der Selbstbesinnung Österreichs, schuf sich Kapfenberg seit 1947 ein eigenes, selbständiges Kulturleben. Die Stadt errichtete aus dem Nichts eine bedeutende Musikschule mit erstklassigen Kräften, die bald über 500 Schüler hatte (68). Im selben Jahr begann die Stadt den Bau der großen Stadion- und Sportanlage samt Frei- und Hallenbad „Alpenstadion” (69) in der Au an der Mürz östlich des alten Marktes. Sie zählt zu den schönsten Österreichs. 1948 wurden zum ersten Mal die „Kapfenberger Kulturtage” (70) durchgeführt, die ihrer der Gegenwart aufgeschlossenen Programmierung wegen österreichweit Aufsehen erregten. Theateraufführungen, Konzerte mit neuer Musik, Kunstausstellungen – darunter Eisenplastiken, welche Bildhauer innerhalb des Stahlwerkes entwarfen und ausführten –, Vorträge, Forumgespräche, ausländische Experimentalfilme, alle Stile des Tanztheaters standen zur Diskussion. Aufträge an Künstler wurden vergeben, Preise gestiftet. – 1961 schloß Kapfenberg eine Städtefreundschaft (71) mit der Stadt Frechen bei Köln. – Durch die 1983 eröffnete Umfahrung der Stadt durch den Tanzenbergtunnel, der den Burgberg durchstößt, hat die Lebensqualität wesentlich zugenommen.
(68) PUSCHNIG, a. a. O., S. 154 und 172.
(69) PUSCHNIG, a. a. O., S. 146, 225 und 229.
(70) PUSCHNIG, a. a. O., S. 145, 150 f., 154, 163, 168 und 170.
(71) PUSCHNIG, a. a. O., S. 160, 173 und 180.
Die Gliederung des Territoriums von Kapfenberg
Die Stadt Kapfenberg ist nach der Landeshauptstadt Graz und der alten Berg- und Hochschulstadt Leoben die bevölkerungsreichste Stadt des Bundeslandes Steiermark. Von der Gesamtfläche (6123,66 ha) entfallen mehr als die Hälfte auf Wald, ein Viertel auf landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Mit der Stadterhebung 1924, den Eingemeindungen mehrerer Nachbarorte und -gemeinden, namentlich aber durch die dort angesiedelte Großindustrie stieg die Bevölkerung stark an (1880: 3.706, 1900: 6.071, 1910: 10.110, 1923: 13.542, 1946: 22.824, 1951: 23.789, 1971: 26.001, 1981: 25.716). Bei der Stadterhebung 1924 wurden vier Nachbarortschaften eingemeindet, nachdem schon 1850 andere benachbarte Gemeinden an den Markt angeschlossen worden waren. Erst knapp vor dem Zweiten Weltkrieg, der für die hiesige Eisenindustrie einen ungeheuren Aufschwung brachte, entstand ein echtes Raumordnungskonzept. Nach Vorarbeiten von Prof. Bangert aus Berlin (Pläne für eine „Neue Talstadt des Mürztales”, ausgelegt für 40.000 Einwohner) und der Erarbeitung von Bebauungsplänen im Jahre 1939 durch die Professoren der Technischen Hochschule Graz Dipl. Ing. Karl Hoffmann und Dipl. Ing. Dr. Friedrich Zotter wurde die Arbeit „Die Arbeiterstadt – Grundlagen für die Ortsplanung von Kapfenberg” (1952) des Architekten Dipl. Ing. Dr. Ferdinand Schuster (1920–1972), der in den Kapfenberger Gemeinderat berufen wurde, Ausgangspunkt für das endgültige Konzept. Sein Leitbild, die „Bandstadt”, war für 35.000 Bewohner ausgelegt und wurde aufgrund des Flächennutzungsplanes von 1956 die Basis für das Bauen in der Stadt. – Im Zuge dieser Entwicklung wird der alte Markt unterhalb der Burg immer mehr zum historischen Kern, dessen Funktionen allmählich zurücktreten, der aber kunstverständig erhalten wird. Ein neues Zentrum der Stadt entsteht seit 1970 in der Gegend des alten Wiener Vormarktes bis hin zum Bahnhof. Kapfenberg besteht seit 1939 aus 14 Katastralgemeinden, die 1850, 1924 und 1939 vereinigt wurden. Eine dieser Katastralgemeinden, Berndorf, wurde 1922 ausgegliedert und zur Stadt Bruck an der Mur geschlagen.
Die Katastralgemeinden der Stadt:
KAPFENBERG, der aus dem Mittelalter stammende Markt, ist in zwei Gründungsphasen entstanden, wie oben ausführlich dargelegt ist. – Südlich des Marktareals liegt die Schinitz, die das älteste Dörfchen (mit slawischem Namen) in diesem Raume war. Es ist längst völlig in der modernen Verbauung verschwunden. 1906 begann die Firma Gebrüder Böhler&Co. mit dem Wohnungsbau für Werksangehörige jenseits des Flusses im sogenannten Mürzbogen. In der Schinitz entstand 1922 der erste Sportplatz Kapfenbergs und ein Schwimmbad. 1919 war hier der Fuhrhof des Marktes eingerichtet worden. Beide Institutionen wurden 1953 wegverlegt, um Neubauten zu weichen. – An dem Burgweg liegen in 647m Höhe oberhalb des Marktes sieben Bauernhöfe in der Kehr, die ihr Aussehen seit Jahrhunderten kaum verändert haben.
ARNDORF liegt im Tal der Laming an der Straße nach Tragöß, die ein uralter Saumweg ist, auf 531 m Seehöhe. Es gehört seit 1850 zu Kapfenberg. Den größten Teil seines Areals (mehr als zwei Drittel) nimmt Wald ein. Arndorf wurde von den Entwicklungen Kapfenbergs kaum betroffen und behielt seit dem Mittelalter sein rein agrarisches, dörfliches Gepräge. Es gehört kirchlich zu Bruck an der Mur.
BERNDORF, das seit 1850 zu Kapfenberg gehörte, wurde 1922 zu einer eigenen Katastralgemeinde umgewandelt, zugleich aus parteipolitischen Gründen der Stadt Bruck an der Mur einverleibt.
DEUCHENDORF, das seit 1939 zu Kapfenberg gehört, ist für die Stadt ein sehr wichtiges Siedlungsgebiet. Auf dem südöstlich gelegenen Schirmitzbühel lag bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts das Hochgericht, die Hinrichtungsstätte mit Galgen des großen Stubenberg'schen Landgerichtes Oberkapfenberg mit Sitz auf Schloß Wieden. Heute erhebt sich auf diesem Hügelzug eine große, einheitlich gestaltete Siedlung dieses Namens mit einer künstlerisch bedeutenden Kirche und Schule (errichtet 1954–1960). Ab der Eingemeindung entstanden hier neue Wohngebiete (1939: Heimsiedlung; 1952: Schimpelhofsiedlung; seit 1959: Anton-Paar-Siedlung; seit 1964: Birkensiedlung, vorher wegen des nahegelegenen Dörfchens Gugga „Guggaleiten” genannt). Im Norden liegt das kleine Dorf Gugga, das eine wichtige Rolle spielte, als seit 1800 in der – nicht zu Kapfenberg gehörigen – Nachbargemeinde Parschlug ein Braunkohlenbergbau eröffnet wurde, der bis 1958 in Betrieb stand.
DIEMLACH hat im 19. Jahrhundert sein Antlitz völlig verändert. Hier standen jahrhundertelang fünf Bauernhöfe. Sie sind untergegangen, seit 1886 Friedrich Bruno Andrieu hier die alten Hammergerechtsame erwarb und eine Drahtfabrik erbaute, die nach 1888 zu einem Stahl- und Walzwerk erweitert wurde. Der Brucker Frachtenbahnhof breitete sich über Berndorf auch in diese Gemeinde aus, was der Industrie zugute kam. 1924 wurde Diemlach Teil von Kapfenberg.
EINÖD besteht fast nur aus Waldgebiet; hier liegt der Gipfel des Floning mit 1583m Höhe. Das enge Tal der Stübming gewährt nur wenige nutzbare Flächen. Die einst bäuerlichen Grundflächen werden seit Jahrzehnten von Industrieanlagen (Kettenwerk Pengg-Walenta KG) eingenommen. – In dieser Gemeinde befindet sich die schon zu Urzeiten bewohnte Rettenwandhöhle 100m über der Talsohle. Sie wurde 1922 erforscht und erschlossen, im Zweiten Weltkrieg diente sie als Schutzraum vor Luftangriffen.
HAFENDORF bedeutet „Hafnerdorf”, wie eine Nennung von 1318 bezeugt. Die Gemeinde, 1850 mit Kapfenberg vereinigt, löste sich bald aus diesem Verband und trat erst 1939 wieder gemeinsam mit den Gemeinden Krottendorf und Deuchendorf, die ebenfalls 1850 ausgeschieden waren, in Verbindung mit der Stadt. Ähnlich wie Deuchendorf hat auch diese Gemeinde seit damals einen großen Aufschwung genommen (seit 1948: Hochschwabsiedlung; seit 1955: Siedlung Frauenwiese; seit 1964: Großsiedlung Walfersam mit Hochhäusern sowie einer eigenen Kirche und Schulen; ab 1973: Siedlung Schloßäcker, benannt nach dem in der Nähe gelegenen Schloß Wieden). – Das Schloß Wieden, erbaut von Wolf von Stubenberg 1739 auf Gründen der Pfarre Kapfenberg, war Sitz einer der vielen Herrschaftsverwaltungen der Stubenberg, die hier auch die Herrschaft Oberkapfenberg administrierte. Im Schloß war der Sitz des großen Landgerichtes im Mürztal, zu dem das Hochgericht auf dem Schirmitzbühel (KG. Deuchendorf) gehörte.
KROTTENDORF ist nach dem hier gelegenen, gleichnamigen Schloß – einer schon 1210 urkundlich genannten Wasserburg – benannt. Der heutige Bau stammt aus dem 17. Jahrhundert und befindet sich seit 1939 (dem Jahr der Eingemeindung) im Besitz der Firma Böhler. – In der Gemeinde überwiegt, wie in fast allen Katastralgemeinden Kapfenbergs, der Wald. Das landwirtschaftliche Areal blieb weithin erhalten, doch erbaute die Firma Böhler während des Zweiten Weltkrieges hier ihr Werk VI, das in die Nachbargemeinde Pötschach hinüberreicht. 1945 demontiert, entstand hier ein großes Reparaturwerk für die Österreichischen Bundesbahnen. Angeschlossen an das Werk VI liegt seit 1955 die Produktionsstätte der Steirischen Chemie AG Kapfenberg.
PÖTSCHACH besitzt wie Krottendorf einen mittelalterlichen Burgstall. Wie Hafendorf und Krottendorf trat auch diese Gemeinde endgültig erst 1939 Kapfenberg bei. Den landwirtschaftlichen Charakter hat das Gebiet beibehalten. Ein Teil des Böhlerwerkes VI ragt von Westen in die Gemeinde herein. Hier liegt, 1961 bis 1965 ausgebaut, der Flugplatz Kapfenberg.
PÖTSCHEN hat sich in der Flächennutzung seit der vorindustriellen Zeit kaum verändert: Über drei Viertel sind Wald, der Rest überwiegend landwirtschaftlicher Boden.
SANKT MARTIN war vermutlich das älteste Siedlungszentrum des Raumes, noch bevor die Burg Kapfenberg stand: 1096 wird ein Gundakar von St. Martin urkundlich bezeugt, 1173 nahm Markgraf Otakar III. vor dieser Kirche Rechtshandlungen vor. Sie war die ursprüngliche Pfarrkirche von Kapfenberg, ehe die Filialkirche St. Oswald im Markte 1374 zur Pfarre erhoben wurde. Heute ist St. Martin Filiale von St. Oswald. Der gotische Bau dient jetzt als Friedhofskirche der Stadt. Um sie lag seit jeher ein Friedhof, der 1822 zum Friedhof für die gesamte Pfarre bestimmt wurde. Die 1924 eingemeindete Gemeinde erstreckt sich östlich des Stübmingbaches taleinwärts. An den sonnigen, nach Südwesten gerichteten Hängen konnte sich der Siedlungsbau günstig entfalten (ab den dreißiger Jahren: Redfeldsiedlung; seit 1939: Hochschwabsiedlung; nach 1964: Dr.-Sperl-Siedlung). In diesen neuen Verbauungen ist die frühere Siedlungsstruktur, die wegen des kirchlichen Schwerpunktes ziemlich dicht war, untergegangen. – Zwei private Heilanstalten befanden sich in der Gemeinde: der Steinerhof und der Fürstenhof. Beide wurden am 6. November 1944 durch Luftangriff fast völlig zerstört; der von der Gemeinde angekaufte Steinerhof wurde 1959–1960 saniert. – An Industrieanlagen gibt es hier das Kabelwerk der Firma Johann Pengg, die ihren Hauptsitz in Thörl hat. Es wurde 1960 auf dem Areal der früheren Pappenfabrik Haberler, nachmals „Isotex”, errichtet und erzeugt elektrische Leitungen und Erdkabel für Stark- und Schwachstrom.
SCHÖRGENDORF liegt im Westen Kapfenbergs entlang des Südhanges des Embergs (917m) und des Lamingbaches; die erste Nennung erfolgte 1160. Seit 1965 sind hier zwei Siedlungen errichtet worden: die Kronawetter- und die Untere Neusiedlung. – Das Hammerwerk am Lamingbach war zu Ende des 19. Jahrhunderts bekannt wegen der vorzüglichen Qualität seiner Hauen, Schaufeln, Hacken und Krampen.
STEGG liegt auf 550m Höhe, der höchste Punkt am Kleinen Floning (1553m). Über drei Viertel sind von Wald bedeckt.
WINKL, seit 1924 eingemeindet, ist mit 659,86ha die größte Katastralgemeinde des Kapfenberger Stadtgebietes, als Standort der Böhlerwerke zugleich der wirtschaftliche Schwerpunkt. Südlich an das alte Dorf Winkl anschließend steht die von den Böhlerwerken 1942–1944 erbaute Embergsiedlung und die Winklersiedlung. Die wirtschaftliche Entwicklung dieses Raumes ist geprägt vom Wachsen der Schwerindustrie. – Im Leingraben gibt es Kohlenvorkommen, die seit 1795 ausgebeutet wurden; nach 1885 mußte der Bergbau wegen Unergiebigkeit eingestellt werden. Der in der Gemeinde liegende Emberg ist als Schigebiet beliebt und durch Lifte erschlossen.
Reiner Puschnig
Anmerkungen
(1) K. METZ, Grundzüge d. geolog. Baues d. Steiermark, in: Steiermark. Land, Leute, Leistung 1971, S. 46 ff.
(2) Urkundenbuch des Herzogthums Steiermark (künftig: StUB), bearb. v. J. ZAHN. Bd. 1, 1875, S. 11 (Nr. 7).
(3) F. PICHLER, Die Pengg und die Eisenindustrie im Thörlgraben, in: ZHVSt Sdbd. 9, 1965, S. 52 ff.
(4) W. MODRIJAN, Die steirischen Höhlen als Wohnstätten des Menschen, in: Höhlenforschung in der Steiermark. ( = Schild von Steier. Kleine Schriften 12, 1972) S. 61 ff.
(5) MODRIJAN, a. a. O., S. 85.
(6) Abbildung bei R. PUSCHNIG, K. – alter Markt, junge Stadt, 1974, S. 14 f.
(7) S. PIRCHEGGER, Die slavischen Ortsnamen im Mürztal. (= Veröff. d. slavischen Inst. d. Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin, 1927) §§ 8 und 9.
(8) J. LOSERTH, Geschichte d. altsteir. Herren- und Grafenhauses Stubenberg, Graz 1911.
(9) PUSCHNIG, K., S. 345.
(10) PUSCHNIG, a. a. O., S. 202 ff.
(11) Dazu F. POSCH, Die mehrstufigen Stadt- und Marktanlagen der Steiermark im Mittelalter u. ihre Bedeutung für die Siedlungsgeschichte, in: MIÖG 78, 1970, S. 274 ff.
(12) H. APPELT, Die Anfänge des Spitals am Semmering, in: ZHVSt 43, 1952, S. 3 ff.
(13) StUB Erg. heft zu den Bdd. I-Ill, bearb. v. H. PIRCHEGGER u. O. DUNGERN. (= Veröff. d. Histor. Landeskomm. für Steiermark XXXIII, 1949) S. 26 Nr. 33.
(14) StUB Bd. III, 1903, S. 292 Nr. 206: „Acta … in foro Chapfinberch, …”
(15) PUSCHNIG, K., S. 329 ff.
(16) PUSCHNIG, a. a. O., S. 263 ff.
(17) PUSCHNIG, a. a. O., S. 382 ff.
(18) Steiermärkisches Landesarchiv (künftig: StLA) Urkunde Nr. 1976 a.
(19) StLA Urkunde Nr. 6138 c.
(20) StLA Urkunde von 1526 Februar 12; vgl. PUSCHNIG, K., S. 38 ff.
(21) PUSCHNIG, a. a. O., S. 183.
(22) PICHLER, Ein Wirtschaftskampf zwischen Bruck an der Mur und Wolfgang von Stubenberg 1528–33, in: ZHVSt Sdbd. 18, 1971, S. 71 ff., bes. S. 75 f.
(23) A. MELL – H. PIRCHEGGER, Steirische Gerichtsbeschreibungen. (= Quellen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte d. Steiermark, 1914) S. 48.
(24) PUSCHNIG, K., S. 43 ff.
(25) PUSCHNIG, a. a. O., S. 55 ff.
(26) StLA Meillerakten IX-a-19, fol. 514 ff.
(27) O. BÖHLER, Geschichte der Gebr. Böhler&Co. AG, 1870–1941, 1941.
(28) StLA Diplom Nr. 120m; Abbildung bei PUSCHNIG, K., S. 277.
(29) StLA Diplom Nr. 136m von 1647 Dezember 10, Prag.
(30) PUSCHNIG, K., S. 64 ff.
(31) PUSCHNIG, a. a. O., S. 69 ff.
(32) PUSCHNIG, a. a. O., S. 71 ff.
(33) PUSCHNIG, a. a. O., S. 74 ff.
(34) PUSCHNIG, a. a. O., S. 373 ff.
(35) PUSCHNIG, a. a. O., S. 374.
(36) PUSCHNIG, a. a. O., S. 375.
(37) PUSCHNIG, a. a. O., S. 85 ff.
(38) PUSCHNIG, a. a. O., S. 89.
(39) PUSCHNIG, Erzherzog Johann und der Bau der Südbahn, in: ZHVSt Sdbd. 4, 1959, S. 54 und DERS., Erzherzog Johann und die Entstehung der Südbahn, in: Erzherzog Johann von Österreich, sein Wirken in seiner Zeit. (= Forschungen zur geschichtl. Landeskunde d. Steiermark, hg. von der Histor. Landeskomm. für Steiermark XXXIII, 1982) S. 207 ff.
(40) PUSCHNIG, K., S. 376 ff.
(41) PUSCHNIG, a. a. O., S. 378 und 397.
(42) H. PIRCHEGGER, Das steirische Eisenwesen bis 1564, 1937, S. 74 und Anm. 39. – E. DIETINGER, K. und die Entwicklung seiner Eisenhämmer zur Großindustrie. Masch. phil. Diss., Graz 1944.
(43) A. Ritter v. PANTZ, Die Gewerken im Bannkreise des steirischen Erzberges, in: Jahrbuch d. herald.-genealog. Gesellschaft „Adler” N. F. XXVII/XXVIII, 1917/18, S. 244 ff.
(44) PANTZ, a. a. O., S. 279. – P. DEDIC, Die Reformation und Gegenreformation in Bruck an der Mur und im Mürztal. (= Jahrbuch d. Gesellschaft für die Gesch. d. Protestantismus im ehemal. Österreich 63/64, 1942/43). – PUSCHNIG, Gnaden und Rechte. (= Verö ff. d. StLA, hg. G. PFERSCHY, 14, 1984) S. 22.
(45) PANTZ, a. a. O., S. 211. – V. HATHEYER, Chronik des Marktes Tamsweg, Tamsweg 1955, S. 324 ff.
(46) PUSCHNIG, K., S. 376.
(47) StLA Urkunde Nr. 6601 von 1456 Oktober 6.
(48) PANTZ (wie Anm. 43) mit Stammtafel bei S. 304.
(49) PUSCHNIG, K., S. 378.
(50) C. v. WURZBACH, Biograph. Lexikon des Kaisertums Österreich. XVII. Teil, 1867, S. 107 ff. – Österreichisches biographisches Lexikon: bei Meier – Mayr – unter „von Melnhof”.
(51) PUSCHNIG, K., S. 381 ff. – BÖHLER (wie Anm. 27).
(52) Vgl. den topographischen Teil unseres Kommentars: „Die Gliederung des Territoriums von K.”
(53) PUSCHNIG, K, S. 394 f.
(54) PUSCHNIG, a. a. O., S. 99 und 135.
(55) Eröffnung der schmalspurigen steiermärkischen Landesbahn K.–Seebach–Au, Graz 1893. – E. A. ZIFFER, Die schmalspurige Landesbahn K.–Seebach–Au, in: Mitteilungen d. Vereins für die Förderung des Local- und Straßenbahnwesens III, Wien 1895, 1. Heft.
(56) PUSCHNIG, K, S. 387 f.
(57) PUSCHNIG, a. a. O., S. 109 und 113.
(58) PUSCHNIG, a. a. O., S. 11 und 227.
(59) PUSCHNIG, a. a. O., S. 113 ff.
(60) PUSCHNIG, a. a. O., S. 93 ff. – Allgemeines Landes-Gesetz und Regierungsblatt für das Kronland Steiermark 1850, XXI. Stück, Nr. 378, Kreis Bruck, S. 4. – Ehrenbuch der Stadt K. I. 1849, III, 47, im Stadtamt K.
(61) PUSCHNIG, a. a. O., S. 112.
(62) PUSCHNIG, a. a. O., S. 145.
(63) Zum folgenden PUSCHNIG, a. a. O., S. 387 ff.
(64) PUSCHNIG, a. a. O., S. 138 f.
(65) PUSCHNIG, a. a. O., S. 140. – Pfarrchronik St. Oswald in K. – F. SCHUSTER, Die Arbeiterstadt – Grundlagen für die Ortsplanung von K., Masch. phil. Diss., Graz 1952.
(66) PUSCHNIG, K, S. 392.
(67) PUSCHNIG, a. a. O., S. 394 f.
(68) PUSCHNIG, a. a. O., S. 154 und 172.
(69) PUSCHNIG, a. a. O., S. 146, 225 und 229.
(70) PUSCHNIG, a. a. O., S. 145, 150 f., 154, 163, 168 und 170.
(71) PUSCHNIG, a. a. O., S. 160, 173 und 180.

 

 

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