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Graz
Die Stadt Graz liegt auf 47° 04' 11” nördlicher Breite und 15° 26' 31” östlicher Länge auf 405 m Seehöhe. In einem weiten, von der Koralpe über die Stubalpe, Gleinalpe, das Rennfeld bis gegen die Raabalpen und den Wechsel hinziehenden Bogen umgürtet das kristalline Grundgebirge die Grazer Bucht. Die südlichsten Ausläufer des „Radegunder Kristallins” erreichen in einem schmalen Streifen nördlich von Mariatrost gerade noch das Stadtgebiet. Mit tektonischem Kontakt ruht das Grazer Paläozoikum dem kristallinen Untergrund auf, gegliedert in einen tieferen Schieferkomplex und in eine höhere Einheit karbonatischer Gesteine. Haben die Schiefer ihre größte Verbreitung im Nordosten der Stadt (Roßegg, Pfangberg, Platte), im Thalgraben sowie in einigen isolierten Aufbrüchen unter den Lockersedimenten (Reiner Kogel, Kalvarienberg, Stiftingtal), so bauen die Karbonatgesteine die Bergzüge im Westen und Norden der Stadt: den Buchkogel-Plabutsch-Zug, den Göstinger Burgberg, den Admonter Kogel, die Kanzel, den Hauenstein, die Hänge beidseits des Kroisbachdurchbruches bei Mariatrost sowie den Schloßberg im Zentrum der Stadt (1).
(1) F. EBNER und W. GRÄF, Die erdgeschichtliche Entwicklung des Grazer Raumes, in: 850 Jahre Graz 1128–1978. Festschrift hg. v. W. Steinbock, 1978, 19.
Für die Erhellung der frühen Geschichte von Graz, die schriftlichen Quellen schweigen bis ins 12. Jahrhundert beharrlich, muß der Betrachtung des Umfeldes besondere Bedeutung zugemessen werden, der räumlichen Lage ebenso wie dem Verlauf der bairischen Kolonisation. Es gilt festzustellen, welche politischen Kräfte in unserem Raum wirksam waren und in welche Zeitschichte sich die spärlichen Hinweise auf ältere Siedlungstätigkeit einordnen lassen.
Der Name der Stadt Graz hat immer wieder kontroversielle Deutungen erfahren, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Abseits aller nationalistischen Spekulation gibt der Ortsname die slawische Bezeichnung für Burg wieder. Somit kann festgehalten werden, daß die älteste Schicht der mittelalterlichen Grazer Geschichte im Ortsnamen eingebettet liegt. Wir können fraglos eine Burg, ein Befestigungswerk in slawisch besiedeltem Raum erkennen, eine Namengebung nach der Funktion, ohne Hinweis auf den Gründer, auf den oder die Erbauer. Es wäre Willkür, sie der bairischen Herzogszeit vor 788 oder der karolingischen Epoche zwingend zuzuordnen. Genausogut kann der Rest einer römischen Befestigung namengebend gewirkt haben. Jede dieser Varianten liegt im Bereich des möglichen. Archäologisch ist eine Verwendung des Burgberges wohl schon im ausgehenden 9., bestimmt aber im frühen 10. Jahrhundert faßbar, und ab dieser Zeit besteht die Sicherheit kontinuierlicher Benutzung des Schloßbergareals. Eine Befestigung aus der salzburgischen Missionszeit nach 772 (2), spätestens aber nach 828 (3) würde dem Namen am ehesten gerecht (4), würde auch einen logischen Punkt an einer Straße nach Pannonien in ein weiteres Aufgabenfeld salzburgischer Mission sinnfällig bezeichnen und letztlich mit der Schenkung Ludwigs des Deutschen von 860 an das Erzbistum Salzburg vorzüglich korrespondieren. Die urkundlich faßbaren Positionen des Erzbistums rund um Graz sind gegen 860 St. Ruprecht an der Raab, ad Rapam, Nestelbach bei Graz, Nezilinpah, und weiter östlich bei Hartberg die ecclesia ad Sabnizam (5) und Wisitindorf (6). Noch weiter im Osten lagen die pannonischen Besitzungen Salzburgs, die mit der Konsolidierung eines ungarischen Staatswesens verloren gingen. Nördlich von Graz ist salzburgisches Gut bei Straßengel, ad Strazzinolun duo loca (vermutlich Gratwein, Gratkorn) und im Süden an der Sulm genannt. Durch die Schenkung von 860 übertrug der Karolingerkönig Ludwig der Deutsche dem Erzbistum eine ganze Reihe von Höfen im missionierten Osten, die Salzburg davor wenigstens seit etlichen Jahrzehnten als Lehen innegehabt hatte. In dieser geographischen und historischen Situation macht Graz als Burg an der mittelsteirischen Mur Sinn, auch wenn eine direkte Nennung nicht vorliegt (7). Nach 828, nach der Niederwerfung des Liudewitaufstandes in Pannonien und Dalmatien, der die beteiligten Alpenslawen ihr gentiles Fürstentum kostete, beherrschten karolingische Grenzgrafen den Raum der Mark. Mit dem Grafen Witagowo ist ein Grenzgraf und Grundbesitzer in der Obersteiermark (Admont 859) (8) dokumentiert, der unter oder neben dem Ostlandpräfekten Graf Pabo wirkte. Witagowo und seine Familie waren in Kärnten, Salzburg, Niederösterreich und der Steiermark begütert (9). Die Liutpoldinger sind als Amtsnachfolger gleichfalls in der Obersteiermark (Haus im Ennstal) (10) mit Eigengut nachzuweisen. Die Güter beider Familien finden sich in salzburgischem Besitz wieder. Witagowo hat aber auch in Friaul zu tun gehabt, wie sein Vorkommen im Evangeliar von Cividale deutlich macht (11) und wie es für einen karolingischen Grafen auch nicht außergewöhnlich ist.
(2) Niederwerfung des Slavenaufstandes durch Herzog Tassilo.
(3) Ende des selbständigen karantanischen Fürstentums, Übernahme der Verwaltung durch karolingische Grenzgrafen.
(4) Abzulehnen ist die Interpretation Fritz Popelkas, der aus dem Stadtnamen Graz eine „kleine und unansehnliche (!) Fluchtburg der Slowenen” erschließt. F. POPELKA, Geschichte der Stadt G. Bd. I, 2. Aufl. 1959, S. 268. Abgesehen von der, dieser zitierten Aussage innewohnenden, detrektiven Beurteilung der namengebenden Population, die grundsätzlich abzulehnen ist, muß darauf hingewiesen werden, daß sich ein gentiler Verband namens Slowenen in der fraglichen historischen Zeit noch nicht aus den Alpenslawen herausgebildet hat, zumindest aber eine derartige historische Bezeichnung fehlt. Gegen slawische Fluchtburgen hat sich Fritz Posch gewandt, ohne jedoch zureichende Gründe anführen zu können. F. POSCH, Die Besiedlung des G.er Bodens und die Gründung und früheste Entwicklung von G., in: 850 Jahre G. (wie Anm. 1), S. 67 ff. Das in fast allen slawischen Sprachen ähnlich verstandene Wort grad für Burg schließt das Vorhandensein solcher Burgen jedenfalls nicht aus. Im gegebenen historischen Kontext bayerisch-fränkischer Oberhoheit über die seit 741 dreimal unterworfenen Slawen, die, wenn man so will, durch die Christianisierung ein viertes Mal unterworfen wurden, wird man wohl an eine karantanisch-bayerisch-salzburgische Wehranlage denken dürfen, die das zu bekehrende Volk „Graz” benannte, und zwar zu einem Zeitpunkt, als sich die Methoden und Moden der bairischen Namengebung in unserem Raum noch nicht durchgesetzt hatten.
(5) MGH DLD, n. 102, Mattighofen, 860 November 20.
(6) MGH DLD, n. 115, Mattighofen, 864 Oktober 2.
(7) Man wird sich Poschs Interpretation nicht anschließen können, daß Graz zum Schutz einer „Haupteinfallsstraße der Ungarn” errichtet worden sei (wie S. 74, Anm. 3), ebensowenig wie seiner Definition einer Grenze, deren Wart- und Spiegelberge westlich der Mur der Verteidigung der Wasserscheide zwischen Mur und Raab östlich des Flusses dienlich sein sollten. Dazu kommt, daß die mit Straß gebildeten Ortsnamen ohnehin allesamt älter sein dürften als das erste Anzeichen einer Ungarngefahr, wie das 860 genannte und weit ältere Straßengel beweist. Nicht beweisbar ist allerdings die sprachliche Gleichung Strascha – Straß. Straßgang bedeutet ebensowenig Warte wie Straßengel. (S. 72). Heinrich Purkarthofer hat schon 1968 am IfÖG eine Arbeit über die Grenze der Mark an der Wasserscheide zwischen Mur und Raab, am „Mons Predel” verfaßt, die Posch zwar kannte, aber nicht zitierte, und die leider erst 1979 im Druck erschien: H. PURKARTHOFER, Mons Predel. Zur Siedlungsgeschichte des Gebietes der Wasserscheide zwischen mittlerer Mur und Raab, in: Siedlung und Herrschaft. (Verö ff. d. StLA 9, 1979) S. 3–91. Purkarthofer weist zum Beispiel nach, daß Eggersdorf, an der Verbindung Graz-St. Ruprecht, einer älteren Siedlungsform angehört als die üblicherweise für die Oststeiermark konstatierten Siedlungstypen des 12. Jahrhunderts. Letztlich zeigt er, daß Ungarneinfälle, wenn überhaupt, nicht weiter als bis zur nassen Grenze der Raab wirksam waren, daß sich Siedlungskontinuität auch in Teilen der Oststeiermark bis ins 9. Jahrhundert erweisen läßt.
(8) MGH DLD, n. 99, Ranshofen, 859 Oktober 1.
(9) G. GÄNSER, Das Diplom Ludwigs des Deutschen von 851 für Erzbischof Liupramm von Salzburg, in: ZHVSt 80, 1989, S. 10.
(10) SUB I, Codex Odalberti, n. 57, Maria Saal, 927 Mai 9/10.
(11) C. L. BETHMANN, Die Evangelienhandschrift zu Cividale, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde II, 1877, S. 121, Uuitgauo comes (fol 5').
Diese geographische wie politische Grundsituation von Graz änderten auch die Ungarneinfälle zu Beginn des 10. Jahrhunderts nicht wirklich. Salzburg hielt seine Ansprüche auf seine Güter östlich der Mur im Zusammenwirken mit den Bayernherzogen durchaus auch militärisch aufrecht, indem es den bairischen Adel durch rege Gütertransaktionen an die Grenzregion band (12). Militärische Erfolge gegen die Ungarn sind auch vor der Lechfeldschlacht im Jahre 955 mehrfach belegt, unter anderem der Sieg der Bayern unter Herzog Berthold am 12. August 943, der großen publizistischen Widerhall fand (13). An einen völligen Untergang der karolingischen Mark ist auch aus anderen Gründen nicht zu denken. 970 tritt die Mark wiederum urkundlich in unser Blickfeld. Ohne hier für den Ort Graz selbst urkundliche Sicherheit gewinnen zu können, zeigt sich doch eine nicht unerhebliche Betriebsamkeit im Raum Mittelsteiermark, trotz lange fehlender Kaiserurkunden (14). Diese blieben kaum wegen der Ungarneinfälle aus, sondern weil Bayern und auch das Erzbistum Salzburg beinahe ein halbes Jahrhundert lang politisch mehr oder minder eigene Wege gingen. Der Aufstand der Liutpoldinger wirkte im Erzbistum bis 967 nach, dann erst wurde der Nachfolger des 955 geblendeten und verbannten Erzbischofs Herolt endgültig von Papst Johannes XIII. bestätigt (15).
(12) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 5 ff.
(13) Siehe Quellenzusammenstellung in MDC III, n. 101, Wels, 943 August 12.
(14) MGH DO I., n. 389 = SUB II, n. 53, Pavia, 970 März 7. GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 23f.
(15) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 18f.
982 und 984 ließ sich das Erzbistum seinen Gesamtbesitz bestätigen, auch die pannonischen Güter, die zu diesem Zeitpunkt unerreichbar waren (16). Erzbischof Friedrich zeigte hier besondere Eile, erwirkte er doch für Salzburg das erste Diplom in der selbständigen Amtszeit Kaiser Ottos III., was bedeuten mag, daß man sich in Salzburg Hoffnungen auf eine rasche Wiedererringung des verlorenen Terrains machte (17). Im Zusammenhang mit dem mehrfach überbauten und schließlich demolierten Schloßberg bedeutet auch archäologische „Funkstille” für das 8. und 9. Jahrhundert nicht viel, können wir doch trotz erhaltener Pläne des frühen 19. Jahrhunderts Baugeschichte und -datum der Thomaskapelle auf dem Schloßberg nicht eindeutig feststellen (18). Die großräumigen Umbauten bis zur Schleifung der Burg haben hervorragenden Anteil an unserer heutigen Unkenntnis. Wir müssen auch festhalten, daß es der Archäologie im innerstädtischen Bereich nicht gerade leicht gemacht wurde und wird. Zu sehr dominieren wirtschaftliche Interessen, noch immer gibt es kein kulturhistorisches Gewissen, geschweige denn ein Mäzenatentum, das eine Baugrube einige Wochen für die Wissenschaft offenhalten würde. Andererseits müssen wir uns von der gängigen „romantischen” Vorstellung einer Burg lösen. Auf dem Schloßbergplateau wird bis ins 11. Jahrhundert kaum ein Bauwerk gestanden haben, das auch nur annähernd die uns geläufige Bezeichnung Burg verdienen würde. Wir haben uns eine, auf eine vorgeschichtliche Höhensiedlung zurückgehende, die natürlichen Gegebenheiten des Geländes nutzende und dort wo nötig künstlich nachgebesserte Anlage vorzustellen, die nicht viel mehr war als ein schwer erreichbares und daher leicht zu verteidigendes Hochplateau, auf dem möglicherweise einige Gebäude standen, Magazine, Ställe und Unterkünfte. Derart waren die frühen Burgen beschaffen, außer sie dienten als Pfalzen und somit als zeitweilige „Residenzen”, die einen Repräsentativbau verlangten. Gerade im frühen Hochmittelalter zog man sich gerne auf einen Teil einer solchen Anlage zurück, schuf sich sozusagen eine Burg in der Burg, woraus sich auch der Name Gradec (= kleine Burg) zwanglos erklärt (19).
(16) MGH DO IL, n. 275, Tarent, 982 Mai 18; DO III., n. 1, Mainz, 984 Oktober 7.
(17) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 20 f.
(18) Die kunsthistorischen Zuweisungen reichen von Großmährisch bis Renaissance; vgl W. DEUER, Der romanische Kirchenbau in der Steiermark, Phil. Diss. Wien 1982, S. 205.
(19) D. KRAMER, Bermerkungen zur Mittelalterarchäologie in der Steiermark, 1. Teil: Burgenarchäologie und Hengistburgfrage, in: ZHVSt 83, 1992, S. 41–82. Graz = Gradec = kleine Burg klingt im Zusammenhang mit dem heute noch gewohnten Bild des Schloßberges unwahrscheinlich, doch trug der Dolomitfels im Hochmittelalter mit Sicherheit mindestens zwei Burgen und einen Teil der Stadtbefestigung. Der von Posch konstatierte Turm „in der Mitte der Schlösser” wird wohl nicht auf dem Schloßberg gestanden haben, da er als in der Mitte von Graz gelegen bezeichnet wird. Für den zur Stadtbefestigung gehörenden Uhrturm und seinen Vorläufer hat der Landesfürst gewiß keine Burghut ausgesetzt und bezahlt.
Graz vergleichbare Ortsnamen sind eher selten, in Deutschland kennen wir aus sächsischer Zeit eine Burg bei Magdeburg, und vor der Klostergründung von Seeon um 1000 durch den Pfalzgrafen Aribo wurde dieser Ort auch Burgile genannt. Burg bei Rechnitz im Burgenland sei hier ebenfalls erwähnt, eine archaische Anlage, die sich dem Uneingeweihten trotz enormer Flächenausdehnung nicht als Burg zu erkennen gibt. Der in der ehemaligen Untersteiermark mehrmals vorkommende Ortsname Gradisch, Gradische findet sich auch in quellenmäßig belegter, wechselseitiger Übersetzung als Burgstall, aber erst in spätmittelalterlicher Überlieferung (20). In der Obersteiermark wäre Pürgg mit der Grazer Namengebung vergleichbar, doch ebenfalls weit später genannt. In gleicher Form wie in Graz selbst begegnet uns der Name im untersteirischen Windischgraz, das jedoch schon sehr früh (1164) mit dem Zusatz Windisch- erscheint, wenn auch parallel dazu Graz ohne ethnisches Bestimmungswort gebraucht wird. Bairischgraz für die Landeshauptstadt erscheint als Analogiebildung erst im 13. Jahrhundert (1233 Pairische Gretz). Daran läßt sich die vage Vermutung knüpfen, daß der Name des heutigen Graz bereits länger in Gebrauch stand und eine Verwechslung mit Windischgraz ausgeschlossen war. Wenn man so will, hat erst ein ortsfremder Babenberger des Zusatzes „bairisch” bedurft.
(20) Vgl. ZAHN, Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter, 1893.
Die stärksten Indizien für karolingerzeitliche Anfänge der bairischen Besiedlung des Grazer Raumes bieten die Kirchen St. Rupert in Straßgang und St. Martin. Das Rupertpatrozinium ist salzburgisch, und der Einfluß des Erzbistums in diesem Gebiet ist spätestens seit 860 gegeben (21). Die Kirche selbst ist romanisch, das aufgehende Mauerwerk stammt aus dem 12. Jahrhundert. Eine vorsichtige Einschätzung der Proportionen des Bauwerks läßt einen karolingischen Vorgängerbau möglich erscheinen (22). Bei St. Martin ist ein Gräberfeld des 9. bis 10. Jahrhunderts zerstört worden, sodaß sich keine archäologische Gewißheit gewinnen läßt. Besitzgeschichtlich kann der Grazer Raum zweifelsfrei in das 10. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Die urkundlichen Nennungen liegen jedenfalls früh. Straßgang wird 1025 im Rahmen einer Zehentablösung des Pfalzgrafen Hartwig genannt (23), der dem Erzbischof für die Zehente zu Straßgang Güter im Sausal überläßt. Hartwig gehört zur Familie der Aribonen, den Gründern von Stift Göß, von Mutterseite her stammt er vom bairischen Pfalzgrafen Hartwig I. ab, dessen Namen er auch trägt (24) und dessen Besitzungen im Grazer Feld er teilweise geerbt hat. Besitzkonnex mit Salzburg im Sausal läßt uns bis an den Beginn des 10. Jahrhunderts vorstoßen. Hartwig, ein Vorfahr des Pfalzgrafen Hartwig I. und Verwandter des Erzbischofs Odalbert (923–935) begegnet uns als Grundbesitzer in der Obersteiermark (25). Ebenfalls in der Obersteiermark (Göß) sind seit 904 die Aribonen begütert (26). Eine weitere hochadelige Familie, die in unserem Raum eine bedeutsame Rolle spielte, sind die Sighardinger und ihre Nachkommen. Schließlich müssen auch die Eppensteiner als Markgrafen und Herzoge von Kärnten sowie als „Großgrundbesitzer” genannt werden, die gleichfalls seit der ausgehenden Karolingerzeit in der Steiermark beheimatet sind (27). St. Martin – Kirche und Gut gingen 1055 zur Hälfte an Salzburg –, dazu das Gut zwischen Straßgang und Mur, das dem Aribonen Boto gerichtlich aberkannt worden war (28), waren teilweise heunburgisch, teilweise aribonisch und teilweise Königsgut.
(21) MGH DLD, n. 102.
(22) DEUER, Kirchenbau (wie Anm. 18) S. 205.
(23) SUB I, Codex Thietmari, n. 3 (StUB I, n. 47, irrig zu 1030).
(24) H. DOPSCH, Der bayerische Adel und die Besetzung des Erzbistums Salzburg im 10. und 11. Jahrhundert, in: Mitt. Ges. f. Salzbg. LK 110/111, 1970/71, S. 139 ff.
(25) SUB I, Codex Odalberti, n. 17 (924) und n. 83 (930).
(26) MGH DLdK, n. 31, Ingolstadt, 904 März 10.
(27) GÄNSER, Die Mark als Weg zur Macht am Beispiel der „Eppensteiner”, 1. und 2. Teil, in: ZHVSt 83, 1992, S. 83 ff. und 85, 1994, S. 73 ff.
(28) MGH DH III., n. 332.
Zur Grazer Geschichte wird allgemein die Lechfeldschlacht 955 als terminus post quem angeführt, mit der Nennung eines Markgrafen Markwart und seines comitatus in plaga orientali im Jahre 970 wird der Faden mittelsteirischer Geschichte zaghaft wieder aufgenommen, obwohl alle Familien von Bedeutung weiterhin in Amt und Würden sind, ja diese noch weiter ausbauen, und sich auch Besitzkontinuität nachweisen läßt. Im nächsthöheren Bereich, dem des Herzogtums Bayern, lassen sich die Interessen an der heutigen Steiermark ungebrochen bis König Konrad III. verfolgen, dann steuert auch die Mark gänzlich auf ein verselbständigtes Landesfürstentum zu (29). Die Urkunden des Königs betreffen Stift Rein, doch davon weiter unten.
(29) MGH DK III., n. 99 und 153.
Die personelle Organisationsform der „ottonischen Mark” beruht auf einem mit konsolidierten alten Grafschaften ausgestatteten marchio, der auf dieser Grundlage ein östliches Vorfeld, die Mark, ausbaut, verwaltet und gegebenenfalls verteidigt. Der eppensteinische Markgraf und spätere Herzog Adalbero hatte die Grafschaften Judenburg, Ennstal und Hengist (Weststeiermark) inne, Grafschaften, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch bereits sein Vater Markwart verwaltet hatte. Die Grafschaft im Mürztal fiel höchstwahrscheinlich 1027, nach der Synode von Frankfurt, die den Stiefbruder des Kaisers und Grafen im Mürztal, Gebhard, in klösterlichen Gewahrsam verbannte, an Adalbero, nachdem seine Gemahlin Beatrix bereits 1025 von Konrad II. 100 Huben um Aflenz zur Abgeltung ihrer schwäbischen Erbansprüche erhalten hatte. Nur die Grafschaft Leoben blieb den Eppensteinern vorenthalten. Die Präsenz der Eppensteiner in der Grafschaft Judenburg geht auf die ausgehende Karolingerzeit zurück, Besitz im Aichfeld ist seit 930 nachweisbar (30). Es ist hier nicht der Ort, über die Bezeichnung Mark zu referieren oder festzustellen, was zu welchem Zeitpunkt unter Mark verstanden wurde. Möglicherweise hat man das in der frühen Steiermark selbst nicht ganz so genau gewußt. Ab 1011, Adalbero war von Heinrich II. zum Herzog von Kärnten erhoben worden, verwaltete der „Eppensteiner” auch die Marken Verona, Friaul und Istrien, die Mark Krain stand unter einem eigenen Markgrafen in Lehensabhängigkeit vom Herzogtum Kärnten. Bis zu seinem Sturz im Jahre 1035 war Adalbero der mächtigste Reichsfürst im Südosten. Mit der Amtsgewalt im Süden ging auch die Erwerbung von Allodialgut in Friaul, Istrien und Unterkrain einher. An diesen Eppensteiner ist höchstwahrscheinlich auch ein Stück Frühgeschichte von Graz geknüpft. Die Errichtung der bereits erwähnten Thomaskapelle auf dem Grazer Schloßberg ist aus mehreren Gründen in die Amtszeit dieses Markgrafen und Herzogs zu datieren.
(30) SUB II, Codex Odalberti, n. 83. – GÄNSER, Die Mark 1 (wie Anm. 267) S. 90.
Widmen wir uns zuerst dem Patrozinium selbst: Die Verehrung des Apostels Thomas ist in der Steiermark äußerst selten, wir treffen diesen Heiligen als Patron in Scheifling, Vorau und am Schloßberg in Graz. Reliquien des hl. Thomas waren von Kaiser Lothar I. um 852 dem Kloster Prüm geschenkt worden, wodurch die Verehrung dieses Apostels nördlich der Alpen eingeleitet wurde (31). Wenn auch für karolingische Markgrafen unseres Raumes Beziehungen nach Oberitalien nachweisbar sind, so dürfte der Anstoß zum Thomaspatrozinium auf dem Schloßberg doch erst in ottonischer Zeit zu suchen und der Apostel auf dem Umweg über Bayern in die Steiermark gelangt sein. Auch Adalbero war sicher schon als Jugendlicher, spätestens aber als Markgraf mit Oberitalien in Berührung gekommen (32). Dieses Ausgreifen in den Süden brachte zwangsläufig die Kenntnis der oberitalischen Heiligenverehrung und im speziellen Fall die des Apostels Thomas. Dennoch ist gerade beim Eppensteiner mit der Aufnahme des Thomaspatroziniums im heimatlich-bayerischen Raum zu rechnen. Nach 994 erfahren wir nämlich anläßlich eines Büchertausches zwischen Bischof Gottschalk und seinem Erzkaplan Zacharias im Freisinger Dom, daß der langjährige Freisinger Oberhirte Abraham (957–994) beim Thomasaltar in der Freisinger Bischofskirche (hll. Maria und Corbinian) seine letzte Ruhe gefunden hatte (33). Bei den Begräbnissitten dieser Zeit kann ein Abweichen des Bischofsgrabes vom Hauptaltar nur bedeuten, daß der betreffende Bischof den bewußten Altar selbst geweiht und zumindest selbst als seine Grablege bestimmt hatte. Für Abrahams Beziehung zu Oberitalien bürgen zwei Ottonenurkunden. Otto I. hatte dem Bischof 972 lebenslange Einkünfte in den Grafschaften Verona und Treviso verschafft, darunter den Hof Godego, mit der Auflage des Heimfalles an Innichen nach Abrahams Tod. Otto III. bestätigte 992 die Schenkung an Innichen vollinhaltlich (34). Adalbero hat den Bischof, der auch ein engagierter Politiker war und sich am Aufstand Heinrichs des Zänkers beteiligte (35), von Jugend auf gekannt. Daß Adalbero besondere Beziehungen zu Freising hatte, beweist auch der Eintrag seines Todestages im Domnekrolog (36). Wenn nicht schon Adalberos Vater, Markgraf Markwart, dem hl. Thomas auf dem Grazer Schloßberg eine Kapelle erbauen ließ, dann kommt zeitlich nur noch sein Sohn Adalbero dafür in Frage. Mit der Absetzung Adalberos im Jahre 1035 ist der terminus ante quem gegeben, danach waren die Eppensteiner im steirischen Raum nur noch Privatleute, die ihr Interesse auch einem anderen Hausheiligen, dem hl. Lambert, zugewandt hatten. Kaiser Heinrichs II. Schenkungen des Jahres 1007 an Freising, nämlich die Güter Wölz und Lind sowie das Gut Katsch (37), sehen als zuständigen Grafen und Besitznachbarn den Markgrafen Adalbero, der im Jahre 1000 auch zum reichsten Grundbesitzer der Weststeiermark aufgestiegen war (38). Die Südostgrenze seines dortigen Allodialgutes lag nur 13 bis 15 km vom Grazer Schloßberg entfernt, was bedeutet, daß weder der Markgraf noch das Erzbistum Salzburg noch der bayerische Pfalzgraf Hartwig II. die Grenzlage besonders bedrohlich empfunden haben. Es wird für die Besitzgeschichte des westlichen Grazer Feldes auch nicht ohne Bedeutung sein, daß Erzbischof Friedrich (958-991), der ganz vehement die Gesamtbestätigungen des Salzburger Besitzes durch Fälschungen ausweitete (39), aus dem Geschlecht der Sighardinger stammte, da wir in der Folge sighardingische Abkömmlinge daselbst begütert finden (40). Friedrich mag für seine Verwandtschaft gesorgt haben, zumindest kann ihm Unterstützung der eigenen Familie in der Mark nicht unrecht gewesen sein. Es ist aus verschiedenen Gründen nicht anzunehmen, daß alle Güter im Umkreis von Graz nur auf eine Erbin nach dem Pfalzgrafen Hartwig I. zurückgehen, schon deshalb, weil die sighardingischen Grafen von Peilstein und Schala nicht zu den Nachkommen der Adala gehören (41). Auf Hartwigs I. zweite Tochter Wichburg geht mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest ein Teil des heunburgischen Besitzes im Grazer Raum zurück (St. Martin, Wetzeisdorf, Hart, Webling) (42), den Markgraf Günther von „Cilli” für seinen Frevel an Abt Wolfold von Admont diesem Kloster letztwillig (vor 1137) vermacht hatte (43). Zumindest ein Teil dieses Gutes muß entweder sighardingischen oder spanheimischen Ursprungs gewesen sein, da sonst das Auftreten des Grafen Sigfried III. von Lebenau als Spitzenzeuge nach dem Markgrafen nicht zu erklären wäre (44). Es ist hier nicht der Ort, hochkomplizierte genealogische Zusammenhänge vorzuführen, doch soll zumindest auf die Verwandtschaft der Grafen Weriant und Starchand mit der angeheirateten Spanheimerin Hadwig hingewiesen werden, die beide als Gurker Vögte, wenn auch in Fälschungen, überliefert werden (45). Freilich kann der Passus über die Vogtei respective die Unfähigkeit des Vogtes und Grafen Weriand und die Zurücklegung seines Amtes nicht als eine Erfindung des Fälschers gelten, da wir über diese Vorgänge auch von anderer Seite informiert sind. Mit der Aufgabe der Vogtei lassen sich die Nekrologeintragungen von Rosazzo und Admont in Einklang bringen, die einen Grafen Weriand verzeichnen, der sein Leben als Mönch beschloß (46). Salzburgischer Besitz sollte auch vom Bruder der beiden Schwestern Adala und Wichburg, den Töchter des Pfalzgrafen Hartwig I., Erzbischof Hartwig herrühren, Besitz, der sich unter anderem in Gütern salzburgischer Ministerialen bei Webling und in Hart dokumentiert (47), und den Erzbischof Konrad 1139 ablöste und an Admont übertrug.
(31) MGH DLo I., n. 122.
(32) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 108.
(33) Th. BITTERAUF, Die Traditionen des Hochstiftes Freising II (926–1238), 1909, Nr. 1322.
(34) MGH DO I., n. 452 sp; DO III., n. 109; Wenngleich DO I. für unecht gehalten wird, tut dies unserer Argumentation keinen Abbruch, da sich das echte DO III. als wörtliche Bestätigung eines Diploms Ottos I. in gleicher Sache ausgibt.
(35) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 80.
(36) MGH Necr. III, n. 84, 28. XL Adalpero dux.
(37) MGH DH II, n. 136 und 137.
(38) MGH DO III., n. 355, Quedlinburg, 1000 April 13. – GÄNSER, Zur Geschichte des Bezirkes Voitsberg im Hochmittelalter, in: ZHVSt 78, 1987, S. 121 f.
(39) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9).
(40) DOPSCH, Adel (wie Anm. 24).
(41) F. TYROLLER, Genealogie des altbayrischen Adels im Hochmittelalter, in: W. WEGENER, Genealogische Tafeln zur mitteleuropöäischen Geschichte, 1962, Tafel 5/2. Dopsch hat diese Ansicht erst in seiner Stammtafel der Spanheimer im Katalog der Kärntner Landesausstellung in St. Paul zum Ausdruck gebracht, während er noch in der Traungauerfestschrift Adala als Stammutter der Grafen von Tengling, Peilstein etc. figurieren ließ.
(42) StUB I, n. 220.
(43) StUB I. n. 220. – GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 115f.
(44) Graf Sigfried war mit der Sighardingerin Hildburg von Tengling verheiratet, sein Interesse am Geschäft konnte durchaus auch durch seine Frau bestimmt sein.
(45) MDC I, n. 31 und 58. Die Urkunde MDC III, n. 58, ein Diplom Lothars III., haben Ottenthal und Hirsch als Fälschung nach 1170 identifiziert (MGH DLo III., n. 29, Würzburg, 1130 Oktober 18), eine Ansicht, der sich auch der Herausgeber der MDC, August Jaksch, anschloß (MDC Erg. Heft 1, n. 627), doch der Passus über den Vogt Graf Weriand läßt sich auf ein echtes Lothardiplom zurückführen (vgl. F. HAUSMANN, Vorbemerkung zu DK III., n. 45 und OTTENTHAL-HIRSCH, Vorbemerkung zu DL III., n. 29), das 1158 noch vorgelegen haben muß, als der Gurker Bischof Roman I. Herzog Heinrich V von Kärnten mit der Gurker Vogtei belehnte (MDC III, n. 974.)
(46) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 107.
(47) StUB I, n. 178, Friesach, 1139 Oktober 10.
Auf die Sighardinger und ihre Descendenten treffen wir auch in Kaisdorf südlich von Graz. Die Grafen Heinrich und Sigard von Schala überließen das Dorf 1179 dem Stift Rein (48). Ein Jahrhundert später sehen wir hier Grazer Bürger, die mit Salzburger Zehenten belehnt sind (49). Dieser Besitz geht allerdings auf ihre Mutter, die ehemalige Herzogin von Kärnten und dritte Gemahlin Herzog Heinrichs III. von Kärnten, zurück, den sie als Witwe zugesprochen erhalten haben dürfte, wie dies für andere Besitzungen der Grafen von Schala auch urkundlich erwiesen ist (50). Eppensteinischer Besitz in der näheren Umgebung von Graz ist allerdings ohnehin vorauszusetzen.
(48) StUB I, n. 601.
(49) A. LANG, Die Salzburger Lehen I, 1937, S. 191d.
(50) SUB II, n. 283.
Im Besitz des Grafen Konrad von Peilstein, eines Sighardingers, sind noch 1147 ein Hof zu Webling und acht Huben sowie eine Hube mit Weingarten zu Baierdorf nachzuweisen, die er an Admont verkauft, um Bargeld für seine Jerusalemfahrt zu bekommen.
In Straßgang und St. Martin ist seit der Mitte des 11. Jahrhunderts Salzburg begütert, und zwar aus dem konfiszierten Gut, das dem Aribonen Boto wegen Hochverrates gerichtlich abgesprochen worden war. Es sind dies unter anderem die Güter, die wir schon im Besitz Pfalzgraf Hartwig II. gesehen hatten. Daß es sich beim konfiszierten Land teilweise um „aribonisches” Eigengut und teilweise um Reichslehen gehandelt hat, wird in der Diskussion um aribonischen Besitz meist übersehen. Boto und sein Bruder Pfalzgraf Aribo II. hatten sich dem Aufstand des abgesetzten Bayernherzogs Konrad angeschlossen, der auch auf die Steiermark Auswirkungen gehabt hatte. Konrad, der zu den Ungarn geflüchtet war und König Andreas auf seine Pläne hatte einschwören können, drang mit ungarischer Unterstützung in die Mark ein, eroberte und besetzte die Hengistburg. Die ungarische Besatzung vermochte sich aber gegen die einheimischen Belagerer nicht zu behaupten und zog bei Nacht und Nebel ab. Die Hengistburg auf dem Wildoner Schloßberg war eppensteinischer Besitz und mit einer Michaelskapelle ausgestattet, die ins 9. Jahrhundert zurückweist. Wir finden allerdings aribonisches Eigen im Raum Straßgang-St. Martin im Besitz der Witwe des Grafen Kadalhoch, der Gräfin Irmgard, die ihren Anteil an Erzbischof Gebhard und Admont übertrug (51), und zwar die Zehente von St. Georg in Straßgang und der dos von fünf Huben sowie der Hälfte der Kirche St. Martin, also mehr oder minder all das, was Kaiser Heinrich III. Boto gerichtlich entzogen hatte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich das Erzbistum 1055 nicht so ohne weiteres in den Besitz dieser Güter setzen konnte, obwohl sich Boto aus der Steiermark zurückzog. Dafür spricht, daß das Admonter Besitzverzeichnis von einem Vertrag Erzbischof Gebhards mit Irmgard berichtet. Die offensichtlich kinderlose Gräfin hatte sich zumindest, wie sonst bei einer Conplacitatio üblich, den Fruchtgenuß der Güter bis zu ihrem Ableben sichern können. Auch der Besitz des Stiftes Göß in Seiersberg südlich von Straßgang und außerhalb der heutigen Stadtgrenze von Graz ist hier zu erwähnen. Aber auch östlich der Mur liegt Gösser Besitz bei Raaba südlich von Graz (52). Siedlungen östlich von Graz, die mindestens dem 11. Jahrhundert angehören, sind Kumberg, Rabnitz, Stiefting, Premstätten, Hausmannstätten, die slawisch benannten Orte Fernitz, Mellach und Grambach sowie das schon 860 genannte Nestelbach. Etliche mit Personennamen gebildete Ortsnamen werden entgegen den heute gängigen Ansichten zumindest in das 11. Jahrhundert datiert werden müssen (53). Was mit dieser Aufzählung von Örtlichkeiten und Familien, die keinen Anspruch auf nur annähernde Vollzähligkeit erhebt, gezeigt werden soll, ist die Einbettung des Grazer Raumes in ein von Kirchen- wie Adelsinteressen stark dominiertes Gebiet.
(51) SUB II, n. 140 = StUB I, n. 77. In der sogenannten Admonter Gründungsurkunde wird einer Abmachung der Gräfin Irmgard mit Erzbischof Gebhard gedacht, die zwischen 1060 und 1074 erfolgt sein muß und neben Salzpfannen in Reichenhall auch die mittelsteirischen Güter betraf.
(52) SUB II, n. 98, 1060–1074.
(53) Die ausstehende prosopographische Erschließung der Steiermark im Mittelalter, die Auswertung der Zeugenreihen und Nekrologeinträge mit modernen Mitteln und Methoden, wird einiges zu Tage fördern, was die bisherigen Anschauungen relativieren wird. Freilich ist heute eines der größten Hemmnisse für die Forschung das unzulängliche Urkundenbuch von Zahn, das teilweise unausrottbare Irrtümer immer wieder von Neuem verschuldet. Immer deutlicher erweist sich auch Poschs „Siedlungsgeschichte der Oststeiermark” (MIÖG Erg. Bd. 13, 1941) und sein jahrzehntelanges Beharren auf letztlich unhaltbaren Positionen als schwerwiegendes Forschungshindernis. Daher weist auch Purkarthofers beachtliche Arbeit „Mons Predel” immer dort Schwächen auf, wo sie sich auf Posch bezieht, respective aus verschiedenen Gründen beziehen mußte. Hier und jetzt kann die Besiedlung bis zur Raab nicht aufgearbeitet werden, doch zeigt es sich, daß die bisherigen Ansätze bei mit Personennamen gebildeten Ortsnamen fast immer um ein halbes bis ein Jahrhundert zu spät angenommen wurden.
Kehren wir zur Thomaskapelle auf dem Schloßberg zurück. Gegen die Errichtung dieser Kapelle nach 972 – dem vermutlichen Zeitpunkt der Übertragung von Thomasreliquien nach Freising – und vor 1036 der Absetzung Herzog Adalberos und der „Reduzierung” des eppensteinischen Einflusses auf die „private Sphäre” – sprechen weder die politische Lage, noch die Besitzverteilung im Grazer Feld. Gegen den Zentralbau, wie ihn noch die Pläne des frühen 19. Jahrhunderts überliefern, bestehen keine prinzipiellen kunsthistorischen Bedenken, doch sollte man sich mangels baulicher Reste hüten, die möglichen Vorbilder zu spezifizieren. Gesichert hingegen ist die Lage des Baues in der späteren „oberen Festung”. Wenn im Bereich des Uhrturms oder knapp darunter von der älteren Forschung eine Burg des 10. Jahrhunderts, die sogenannte Paulsburg, für möglich gehalten wurde, dann gab es im 10. respective 11. Jahrhundert mit der „Thomasburg” bereits zwei Burganlagen auf dem Berg, was jedenfalls dafür spricht, daß der Name Graz doch auf eine wesentlich ältere Anlage zurückgeht. Im 12. Jahrhundert, gleich wie man zur Behandlung der Urkundenlage durch die Forschung stehen mag, haben zwei Familien, die sich nach Graz benannten, parallel Burggrafen gestellt. Eine Familie gehörte der Ministerialität an, die andere bewahrte sich zumindest in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch die Freiheit. St. Thomas stand, wie bereits festgestellt, in der oberen Burg und war von Beginn an markgräflich. Somit hatten auch die Nachfolger der Eppensteiner mitten in der Mark eine Zentralposition mit einer Burg, während die ältere Zentrale der Mark, die Hengistburg, spätestens 1055 in private Hand überging.
Als etwa Anfang oder Mitte Juni 1164 der steirische Markgraf Otakar III. seine Schenkung dreier Hofstätten in Graz an das Stift Rein bestätigte, stellte er ein Zeugnis aus für eine Handlung, die er wahrscheinlich aus Achtung der Prinzipien des Ordens schon einige Jahre zuvor vollzogen hatte. Seit 1157 war den Mönchen durch Beschluß des Generalkapitels der Handel mit den Waren seiner Grangien (eigenbewirtschafteten Gutshöfe) auf öffentlichen Marktplätzen nicht mehr gestattet, und es fällt schwer anzunehmen, daß gerade in einem Kloster der ersten Stunde – Rein zählt auf jeden Fall zu den frühesten Zisterzienserklöstern – ein solcher Beschluß über ein halbes Jahrzehnt lang mißachtet worden wäre. Außerdem konnte sich Otakar mit Recht als Stifter des Klosters betrachten, war doch seinem Vater die Vollendung der Stiftung nicht mehr gegönnt gewesen. Wie der Reinerhof ist auch das Stift selbst eng mit der Geschichte von Graz verwoben. Die sogenannte Erstnennung und weitere Nennungen der Stadt, ihrer Burggrafen und früh faßbarer Bewohner gehen auf Urkunden zurück, die im Stift verwahrt werden und zumeist Fälschungen sind. Dies erschwert einigermaßen klare Aussagen zur Grazer Geschichte in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Fast hat es den Anschein, daß wir über die Außenbezirke besser informiert sind als über die mittelalterliche Stadt selbst. Der Reinerhof entstand zu einer Zeit, in der für Graz selbst alle Anzeichen eines florierenden landesfürstlichen Zentralortes festzustellen sind. Bedeutsam für unseren Zusammenhang erweist sich, daß wenigstens die Urkunde, die uns die Schenkung der Hofstätten für den späteren Reinerhof überliefert, echt ist. Die Datierung richtet sich nach dem Tod des Erzbischofs Eberhard, der am 22. Juni 1164 in Rein verstarb (54).
(54) O. WONISCH, Das Urkundenwesen der Traungauer. Eine diplomatische Untersuchung, in: ZHVSt 12, 1926, S. 52 ff.
Echt sind auch die beiden Urkunden König Konrads III. für das Stift. Die beiden Urkunden Konrads betreffen Stift Rein und zeigen, wie in der Steiermark 1144/1146 mit Reichsgut umgegangen werden mußte, das man an ein Kloster verstiften wollte. Eine Schenkung durch den König bedurfte der mehrfachen Auflösung des Lehensbandes. Der Bayernherzog trug die Güter Werndorf und Söding vom Reich zu Lehen und hatte sie an den steirischen Landesfürsten weiterverlehnt. Werndorf war als Afterlehen an Engelschalk von St. Dionysen weitergegeben worden und ging den Weg von Engelschalk über Markgraf Otakar an Herzog Heinrich und das Reich, ehe es der König an Rein schenken konnte. Hinter dieser langatmigen Geschichte steht aber der Wunsch des adeligen Lehensträgers Engelschalk, für sein eigenes Seelenheil zu sorgen, wenn auch auf Kosten des Reiches und nicht des Eigengutes der Dionysener. Engelschalk oder einer aus seiner Familie muß sich bei Otakar verdient gemacht haben, da dieser das Geschäft zu befürworten hatte. Außerdem zeigt sich ein anderer Aspekt mittelalterlichen geistig-materiellen Lebens. Das Kloster ist kaum gegründet, und schon findet sich der heimische Adel bereit, die Neugründung materiell zu unterstützen. Einen Dionysener sehen wir ebenfalls in einer Reiner Urkunde als Zeugen eines Tauschgeschäftes der Markgräfin Sophie. Die ertauschten Besitzungen bei Rein hat die Markgräfin ganz offensichtlich dem Stift zugewendet, das auch die zugehörige Urkunde heute noch aufbewahrt (55). Der an dritter Stelle dieser Tauschurkunde als Zeuge genannte Liutold dürfte ein Bruder des Engelschalk gewesen sein (56). Der Hochadel wird im allgemeinen während der vormundschaftlichen Regierung der Welfin Sophie für den minderjährigen Markgrafen Otakar III. loyal gewesen sein, wenigstens von den Dionysenern Liutold und Engelschalk wird man das mit einiger Sicherheit annehmen dürfen. Auch die anderen Zeugen verdienen unsere Aufmerksamkeit. Vom kärntnerisch-steirischen Hochadel tritt der Zeltschacher Rudolf von Peggau-Glödnitz als Spitzenzeuge auf; Wilhelm von Ramingstein scheint nur während der vormundschaftlichen Regierung Sophies auf, ohne daß wir mehr über ihn sagen können, als daß er von Adel war. Engelschalk von Dionysen wurde bereits genannt, auf ihn folgt Adalbero von Feistritz, ein Cousin des Gründers von Seckau, Adalram von Feistritz. Dem Seckauer Verbrüderungsbuch entnehmen wir, daß Adalbero von Adalram getötet worden sei (57). Mit Walther von der Traisen folgt ein Bruder des Adalram von Feistritz in der Zeugenreihe und offensichtlich als letzter unter den „nobiles” Ulrich von Graz, vor dem landesfürstlichen Ministerialen Lantfried von Eppenstein. Ulrich von Graz wird in ähnlicher Stellung in der Zeugenreihe einer Urkunde für St. Lambrecht 1148 genannt, dort mit einem Bruder namens Reginhard. Als Adeliger oder Hochfreier erscheint Ulrich 1152 in einer Urkunde der Dionysener Judith und Liutold II. als Zeuge, nach Heinrich Pris, dem Freisinger Vogt von Katsch, der mit seinen Brüdern Meginhalm und Dietrich 1136 das Zisterzienserkloster Sittich in Krain gegründet hatte. Heinrichs Neffe Ulrich, der Sohn seines Schwagers, des Grafen Wolfrat von Treffen, wird 1161 Patriarch von Aquileja. Heinrichs Onkel war Starchant, der 1103 als Markgraf an der Sann bezeugt ist, der Vorgänger des Heunburgers Günther, dem wir weiter oben begegnet sind. Ulrich von Graz befindet sich auch in dieser Zeugenreihe in bester Gesellschaft. Mönche des Stiftes Rein haben, dies sei nebenbei erwähnt, das neugegründete Kloster Sittich besiedelt (58). In der nächsten echten Reiner Urkunde, die vor dem 22. Februar 1138 ausgestellt wurde, erwirkt die Markgräfin Sophie die Zehentregulierung im Tal um das Kloster. Spitzenzeuge ist Meginhalm von Krain, den wir eben als Stifter von Sittich kennengelernt haben (59). Aus den Handlungen der Markgräfin können wir ersehen, daß sie mit Sicherheit ein Vermächtnis ihres verstorbenen Gatten Markgraf Leopold zu erfüllen hatte, wie dies auch die Fälschung vom 22. Februar 1138 weitschweifig erzählt (60). Sophie kam ihrer Pflicht nach, obwohl sie an Rein kein gesteigertes Interesse hatte. Wenn Markgraf Otakar III. 1164 den Reinerhof, oder zumindest die nötigen Hofstätten für die Errichtung des klösterlichen Stadthauses verschenkt, dann tut er dies auch im Hinblick auf die im Kloster Rein befindliche Grablege seines Vaters Leopold und im Hinblick darauf, daß er selbst im Kloster seine letzte Ruhestätte finden will. Seine Mutter Sophie hingegen will in der Steiermark nicht begraben sein, auch nicht neben ihrem Gemahl, sondern kehrt heim in die Grablege ihrer welfischen Vorfahren, ins Benediktinerkloster Weingarten, dem sie ein purpurnes Pallium, eine Dalmatica und einen Kelch gestiftet hatte (61).
(55) StUB I, n. 151, ca. 1135.
(56) H. PIRCHEGGER, Landesfürst und Adel, Teil 1. (Forsch. z. Verf.-u. Verw. gesch. d. Stmk. 12, 1951) S. 115 ff.
(57) MGH Necr. II, S. 387/106.
(58) F. SCHUMI, Urkunden- und Regestenbuch des Herzogtumes Krain I, 1882, n. 79, Aquileja, 1136.
(59) SUB II, n. 182.
(60) SUB II, n. 183.
(61) MGH Necr. I, S. 227, zum 11. Juli: Suophia cometissa de Stira, hie sepulta, dedit.
Die Reiner Urkunde von 1164 gibt uns im Hinblick auf Graz jedoch weitere Aufschlüsse als nur die Bekanntgabe des frommen Beweggrundes einer Stiftung. Wir sehen Ulrich von Graz als Burggrafen, prefectus de Grece, mit seinem Sohn als Zeugen der Schenkung. Die geschenkten Hofstätten werden als unter der Burg im suburbanum nahe bei der Stadt gelegen bezeichnet und „durch festgesetzte unzweifelhafte Grenzen von den übrigen Behausungen geschieden”. Diese Beschreibung steht für etwas außerhalb und doch nicht zu entfernt vom Markt, als daß sich dadurch ein Wirtschaftshemmnis ergeben würde, ganz im Sinne des Ordens also. Die Entfernung vom Marktgetriebe läßt sich auch noch in der heutigen Situation nachempfinden, wenn wir das Gewirr am Hauptplatz und im ersten Teil des Sackes langsam gegen den Reinerhof zu abnehmen sehen. Die Beschreibung der ruhigen Umgebung für das Cellarium läßt eine geringfügige Verbauung des ersten Sackes, zumindest in seinem hinteren Teil und für die fragliche Zeit erschließen. Die unbebauten Gründe unter dem Schloßberg haben sich noch im angrenzenden Schloßbergplatz erhalten. Der Reinerhof lag also entlegen, nicht umsonst kam er bei der ersten Ummauerung der Stadt an der Stadtmauer zu liegen. Der laute städtische Betrieb, die forensibus turbis, lief an der klösterlichen Beschaulichkeit vorbei, die hinten im Sack nach dem Willen des Generalkapitels von 1157 wieder eine Heimstatt gefunden hatte (62). Der Hauptverkehrsweg führte von der Mur – ob nun in der Frühzeit durch eine Furt oder später über die Murbrücke – die Sporgasse entlang Richtung Nordosten und Osten.
(62) Vgl. L GRILL, Wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung durch die Grangienstruktur der Zisterzienser von Rein, in: Stift Rein 1129–1979, 1979, der etwas reißerisch vom „ältesten Grazer Kaufhaus” berichtet.
Wir kommen somit zum leidigen Problem der Grazer Erstnennung, das – wie manch anderes Detail der Geschichte der Landeshauptstadt – recht kontrovers behandelt wurde. Alle bisherigen Darstellungen der Grazer Geschichte im 12. Jahrhundert kranken an der Fehleinschätzung des Urkundenmaterials an sich. Bei den reichlich vorhandenen Fälschungen wurde nie ernsthaft versucht, den Wust beiseite zu lassen und anhand des sicheren Materials eine knappe aber korrekte Darstellung zu liefern. Darauf aufbauend läßt sich immer noch die Frage erörtern, welche Teile der gefälschten Urkunden sich auf einen echten Kern zurückführen lassen und welche ganz oder in Teilen zu verwerfen sind. Es wurde auch nie die entscheidende Frage gestellt, die der Historiker angesichts von Fälschungen einfach zu stellen hat: cui bono, wem nützt das Ganze? Weil es sich hier aber um die „entscheidende” Frage drehte, ob die Landeshauptstadt ihre Jubiläen zum rechten Zeitpunkt feierte oder nicht, traten die wissenschaftlichen Aspekte in den Hintergrund. Keiner der mittelalterlichen Fälscher hatte nämlich Graz im Auge, als er Traungauerurkunden umschrieb, radierte oder gänzlich vernichtete, um bloß ein echtes Siegel zu gewinnen, das er seinem Machwerk zum Beweis der Rechtsgültigkeit anfügen konnte. Es ging um Rechte oder vermeintliche Rechte der Klöster Rein, Seckau, St. Lambrecht oder Admont, wobei die beiden letzteren weniger Fälschungen als die erstgenannten aufzuweisen haben. Wenn wir uns aber, wie oben ansatzweise gezeigt, den Zeugenreihen der echten Urkunden widmen, die genannten Leute in ihren korrekten Nachweisen untersuchen, dann erklärt sich die Geschichte nahezu von selbst. Wenn wir wissen, daß das Kloster Sittich ein Ableger von Rein ist, dann werden auch die Gründer dieses Tochterklosters in Reiner Urkunden als Zeugen einleuchtend. Wenn die genealogische Untersuchung auch weit vom Thema wegführen wird, muß sie dennoch vorrangig behandelt werden. Erst wenn wir eine Familie in ihren Zusammenhängen über die Zeiten untersuchen, dann können wir ihre Stellung wirklich beurteilen. Bei den Gründern von Sittich sehen wir uns mit einer Familie konfrontiert, die wir bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen können, die mit den Eppensteinern, Ebersbergern und den Spanheimern verwandt ist und die daher auch wie diese und andere fürstliche Familien als Klostergründer auftreten kann. Als Grafen von Weichselburg ragt diese Familie noch weit ins 13. Jahrhundert hinein. Manches weist darauf hin, daß Ulrich von Graz mit diesen Leuten verwandt ist; hier bedarf es aber noch einiger Forschungstätigkeit. Der Name Ulrich kommt auch bei den Weichselburgern vor, ebenso bei den Heunburgern wie auch bei den Treffenern und den Attems. Alle eben aufgezählten Familien sind gesichert miteinander verwandt (63).
(63) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 98f. und 106f.
Sicher ist, daß wir in Graz im 12. Jahrhundert zwei burggräfliche Familien kennen, die auch gleichzeitig auftreten (64). Vor 1130 begegnet uns Ulrich von Graz als Zeuge einer privatrechtlichen Abmachung der Hochfreien von Perg und Feistritz (65) (davon weiter unten), 1140 bezeugt er die Stiftung des Chorherrnstiftes St. Marein in der Feistritz (66), 1152 tritt Ulrich von Graz in einem salzburgisch-steirischen Erbübereinkommen als explizit zu den „nobiles” gerechneter Zeuge auf (67). Etwa in die selbe Zeit fällt die Admonter Tradition, in der Ulrich de Grece liber homo als Spitzenzeuge vor Gotto von Leoben die Schenkung eines gewissen Gundakar bezeugt (68). 1164 ist der Burggraf Ulrich mit seinem Sohn Ulrich zuletzt erwähnt (69). Spätestens gegen Ende des Jahrhunderts sind die Nachkommen des Hochfreien Ulrich in die Ministerialität abgesunken. Für die Feststellung zweier Burgen auf dem Schloßberg bleibt diese Standesminderung jedoch ohne Belang. Angesichts der Tatsache, daß der Ortsname Graz wie das Thomaspatrozinium am Schloßberg wesentlich älteren Zeitschichten als die dubiose Erstnennung angehören, hat die Behandlung der Fälschung für die Grazer Geschichte um 1130 nur marginalen Wert.
(64) PIRCHEGGER, Landesfürst 1 (wie Anm. 56) S. 150f. und DERS., Landesfürst und Adel, Teil 3, (Forsch. z. Verf.- u. Verw. gesch. d. Stmk 16, 1958) S. 207f.
(65) StUBI. n. 130.
(66) SUB II, n. 199; gerade in dieser Urkunde sind Zweifel an der sozialen Stellung Ulrichs möglich. Ulrich von Graz steht zwar an der fünften Stelle der Zeugenreihe, aber nicht an „hervorragender Stelle” wie Posch meint, sondern nach dem Ministerialen Gottfried von Wolfgeresdorf und dessen Bruder Rudolf.
(67) SUB II, n. 294.
(68) StUB I, n. 422. Die zu ca. 1160 gereihte Tradition kollidiert in der Chronologie mit jener von ca. 1155, StUB I, n. 377, weil der Zeuge Gotto von Leoben (von ca. 1160) nach letzterer auf dem Sterbebett lag und ein gleichnamiger Sohn nicht eruierbar ist.
(69) StUB I, n. 484.
Die zweite Familie, die sich nach Graz benannte, von Fritz Popelka als „Dietmare” bezeichnet, gehört vom ersten Auftreten an zur Ministerialität des steirischen Landesfürsten. Ungeklärt ist allerdings der exakte Zeitpunkt dieses ersten Auftretens. Die Urkunde von ca. 1128 ist, wie allgemein anerkannt wird, eine Fälschung (70). Die Zeugenreihe hat seit je Anlaß zu Bedenken gegeben und natürlich auch Verteidiger auf den Plan gerufen. Angesichts der „Erstnennung” von Graz konnte man sich nicht entschließen, die sonst übliche wissenschaftlich-historische Einstufung einer solchen Urkunde vorzunehmen, nämlich sie als Machwerk zu verwerfen oder nur auf die sicher rekonstruierbaren Teile einer älteren Tradition, die als Vorlage der Fälschung gedient haben muß, einzuengen. Ginge es nur um das Stift Rein, dann würde die übrige urkundliche Überlieferung ohnehin für eine Gründung in den letzten Lebenstagen Markgraf Leopolds sprechen. Spätestens 1130, also schon ein Jahr nach dem Tod Markgraf Leopolds, ist das Kloster offiziell dokumentiert (71). Graz hingegen wird, wenn die Nennung von 1128 fallen muß (72), bisher frühestens 1130 in einer echten Urkunde genannt, doch auch die ist nur durch eine circa-Datierung im steirischen Urkundenbuch zu diesem Jahr eingereiht (73). 1130 war Rudolf von Perg, der in dieser Güterübertragung an seine Tochter Richiza als Schenker auftritt, schon tot, höchstwahrscheinlich schon seit ein bis drei Jahren (74). Dies gilt jedoch nur, wenn wir nicht auf eine Graz-Nennung aus dem Jahre 1091 zurückgreifen.
(70) StUBI, n, 120.
(71) K. AMON, Aus der Geschichte von Rein, in: Stift Rein (wie Anm. 62) S. 29.
(72) Die von Posch, wie in Anm. 3, vorgebrachten Argumente zur Stützung der Zeugenreihe überzeugen nicht und halten teilweise auch einer genaueren Überprüfung nicht stand. Außer Posch hat niemand die Dunkelsteiner mit den Grazern gleichzusetzen versucht, desgleichen haben die auf die Traisen-Feistritzer zugeschnittenen Spekulationen zurecht schon Pircheggers (wie Anm. 60) Ablehnung hervorgerufen. Bernhard von Stübing respective Hadamar vom Ennstal zu „Gründern von Graz” zu machen, kommt einer glatten Verdrehung der urkundlichen Überlieferung gleich. Als R. HÄRTEL 1976 in seinem Aufsatz „Die älteste Urkunde über G.”, in: ZHVSt 67, 1976, S. 57–88, die Zeugenreihe, gar nicht unbegründet, der Kritik unterzog, wagte er sich in seinen Begründungen allerdings zu weit in oststeirische Belange vor, was ihm einen harschen Verweis von Seiten Poschs eintrug (POSCH, Ist die 850-Jahr-Feier der Landeshauptstadt G. im Jahre 1978 berechtigt?, in: BII. Hk. 50/4, 1976, S. 160ff). Daß Härtel bei der Einordnung der Zeugen gewisse Schwächen zeigt, ist gar nicht zu leugnen (so ist z. B. nicht darüber hinwegzusehen, daß Gottschalk von Dürnsteins Erwähnung im Jahre 1184 – StUB I, n. 631 – auf einen Vorgang vor 1164 gemünzt ist, als Markgraf Otakar III. noch lebte, oder Adalram von Perg bereits vor 1122 als Zeuge für seinen Vater Rudolf auftritt FRA II/69, Trad. Göttweig, n. 72).
(73) StUBI. n. 130.
(74) Die Bestimmung des Todesjahres Rudolfs von Perg hängt mit der Einordnung der Göttweiger Traditionen (FRA II/69) um Graf Heinrich von Burghausen zusammen, dessen Todesjahr ca. 1127/1130 angesetzt wird. Auskunft darüber gibt uns eine Salzburger Urkunde (SUB II, n. 148), eingereiht zu vor 1131 Oktober 8, die den Grafen als verstorben erwähnt. Die Begründung der Datierung von SUB II ist jedoch wenig überzeugend. Heinrich von Burghausen wird außer 1108 ohnehin nur in circa-datierten Urkunden bis etwa 1125 genannt, siehe TYROLLER (wie Anm. 41) Tafel 5., 34.; O. REDLICH (Hg.), Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen vom zehnten bis in das vierzehnte Jahrhundert, 1886 (Acta Tirolensia. Urkundliche Quellen zur Geschichte Tirols I) n. 431, ca. 1110–1122.
Der Gurker Vogt Graf Weriant, dessen Unzulänglichkeit bereits 1129 konstatiert wurde (75), ist mit jenem Weriant identisch, der ca. 1101 eine Stiftung an St. Paul vollzieht und der 1091 als Weriant de Grez in Erscheinung tritt. Letztere Nennung wurde seit je auf Windischgraz bezogen, wiewohl der im 12. Jahrhundert sehr gut dokumentierten Familie gerade in dieser Region Besitz überhaupt nicht nachzuweisen ist. Ausschlaggebend für diese Vermutung war wohl der Besitz Weriants am Radel, den wir schon um die Mitte des 11. Jahrhunderts bei seiner Familie sehen (76). Ein Weriant läßt sich im Zusammenhang mit Windischgraz überhaupt nur in einer sogenannten „Innovation” des 13. Jahrhunderts als Spitzenzeuge ohne Zunamen feststellen (77).
(75) Vgl. Anm. 46.
(76) SUB I, GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9). Bereits Pirchegger ist die mangelnde Präsenz der Grafen von Weichselburg im Raum Windischgraz aufgefallen, doch hinderte ihn eine um ein Jahrhundert fehldatierte Urkunde (MDC III, n. 501, gehört nach 1172!) an daraus sich ergebenden Folgerungen. Zusätzlich fällt damit im Stammbaum der Grafen von Treffen Wolfrat I. aus, für den sich auch in den süddeutschen Nekrologen aus verständlichen Gründen kein Anhaltspunkt finden ließ. Graf Wolfrat von Treffen ist der Schwiegersohn Graf Weriants, Sohn und Enkel der genannten ist Patriarch Ulrich II.
(77) MDC III, n. 535. Nach den strengen Regeln der Diplomatik ist das Stück nicht zu retten, auch wenn Jaksch den Inhalt für unbedenklich hielt. Der Grund für die Fälschung aus dem 13. Jahrhundert mag der Wunsch des Klosters Eberndorf gewesen sein, sich gegen die Ansprüche des Patriarchen Berthold von Andechs-Meranien zu wappnen, der Windischgraz entweder ererbt oder nach 1218 erworben hatte, oder aber gegen jene seiner Nachfolger. 1251 hatte Berthold seinen Besitz in und um Windischgraz dem Patriarchat übertragen (StUB III, n. 83), 1274 verteidigte Patriarch Raimund seine Rechte gegenüber König Ottokar (MDC V, n. 151 = StUB IV, n. 520). Auch das Kloster Seitz sah sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gezwungen, seine Rechte auf Windischgraz mit einer Fälschung zu untermauern (StUBI, n. 718).
Liegt die Erstnennung von Graz also ca. 40 Jahre vor der bisherigen Annahme? Zuvor müssen wir uns einer Graz-Nennung in einer St. Pauler Traditionsnotiz zuwenden, die August Jaksch um 1106 ansetzt. Wie sehr diese circa-Datierungen anzuzweifeln sind, läßt sich an den parallel dazu eingeordneten Urkunden ablesen (78). Es ist hier nicht der Ort, auf die komplexen Fragen der Datierung der Traditionen von St. Paul einzugehen, sicher ist nur, daß das bewußte Stück vor Dezember 1122 anzusiedeln ist, da die Spanheimer Bernhard und Heinrich als Zeugen erstens in dieser Reihenfolge angeführt werden und zweitens Heinrich ohne Herzogstitel figuriert. Uns beschäftigt der Zeuge Otto von Graz, der seines Namens wegen für einen Ahnherrn der sogenannten „Dietmare” gehalten werden mag. Seine Stellung in der Zeugenreihe weist ihn recht eindeutig als Ministerialen aus, was immer schon von dieser Burggrafensippe behauptet wurde (79). Wahrscheinlich gehört er zur Klientel Bernhards, dem älteren der beiden testierenden Brüder, jedenfalls folgt er nach einem Ceizolf, der gewiß zur Spanheimer Verwandtschaft gehört (80). Von Ceizolf wissen wir, daß er einer Spanheimer Nebenlinie angehört, was seine Stellung in der vierten Position der Zeugenreihe, nach dem Hochfreien Benno von Friesach, einleuchtend erscheinen läßt. Benno von Friesach, Ceizolf, Timo von Salzburg und Friedrich von Krain stehen vor Otto von Graz, dem Richer von Aheim, Markwart von St. Johann und Markwart von Jaun folgen. Benno von Friesach ist sicher mit dem Verwandten Adalberos von Feistritz gleichzusetzten, dessen Töchter Hildegard von Deinsberg und Fromut von Cividale 1156 gegen Seckau um das Gut zu St. Stephan bei Friesach prozessierten (81). Timo von Salzburg und Friedrich von Krain lassen sich vorläufig nicht eindeutig zuweisen, Timo würde zeitlich in die Verwandtschaft des 1101 verstorbenen Salzburger Erzbischofs Thiemo (1090–1098 res.) passen, für den eine Schwester und ein Neffe Cholo verbürgt sind (82), und somit in cognatischer Linie zu den Formbachern gehören. Vielleicht läßt er sich mit dem Edlen Tiemo gleichsetzen, der 1135 für das Seelenheil seiner Eltern Rudolf und Hiltiburg das Gut Kirchdorf bei Pernegg stiftete (83), vielleicht ist dieser Tiemo aber bereits ein Nachfahre Timos von Salzburg. Friedrich von Krain entzieht sich vorläufig der Zuordnung. Den Jauntalern wurde manches nachgesagt, verifiziert ist wenig. Der Name Markwart beider Zeugen nach dem Grazer und dem Aheimer läßt ein Naheverhältnis zu den Eppensteinern vermuten, aber weniger verwandtschaftlich als in der Übernahme des eppensteinischen Leitnamens durch Ministeriale. Hier fehlt noch der gründlichere Einblick. Der Bayer Richer von Aheim, der als Zeuge auf Otto von Graz folgt, ist mit großer Sicherheit der salzburgischen Ministerialität zuzurechnen, doch auch hier kann jetzt keine endgültige Aussage getroffen werden (84).
(78) MDC III, n. 521–535, alle von Jaksch um ca. 1106 positioniert. Kaum eine dieser Notizen kann tatsächlich zu diesem Jahr eingeordnet werden. Noch fehlt zur genaueren Einordnung eine prosopographische Datei des Mittelalters, anhand derer wir die Zeugenreihen besser zu lesen verstehen werden. Manches geht aus dem „curriculum vitae” der genannten Zeugen und handelnden Personen ohnehin hervor. Es geht mir nicht darum „gescheiter” als meine Vorgänger zu sein, sondern nur um erhöhte Präzision, die durch moderne Hilfsmittel wie EDV durchaus erreichbar scheint. Die Knochenarbeit der Erstellung der Grunddateien an andere abzuwälzen, wird derzeit nicht gelingen und in Zukunft noch schwieriger werden. Monumenta-Gelder werden für die Landesgeschichte so bald nicht fließen und somit bleibt nur der Erkenntnisdrang einzelner, die Zeit und Lust zu solchen Unternehmungen haben.
(79) PIRCHEGGER, Landesfürst 3 (wie Anm. 64) S. 207 ff.
(80) HAUSMANN, Die Grafen zu Ortenburg und ihre Vorfahren im Mannesstamm, die Spanheimer in Kärnten, Sachsen und Bayern, sowie deren Nebenlinien. Ein genealogischer Überblick, in: Ostbayrische Grenzmarken 36, 1994, S. 15, weist Zeizolf als Sohn Siegfrieds II. von Spanheim und nicht ebenbürtig aus. Daher folgt er nach Benno von Friesach.
(81) SUB II, n. 325.
(82) MDC III, n. 498, zur Datierung GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 84, Anm. 68.
(83) StUB Erg. Bd., n. 14. Spitzenzeuge dieser Urkunde ist Graf Bernhard von Spanheim.
(84) Vgl. SUB I, Register unter Eichham.
Für Otto von Graz als „Grazer” der modernen steirischen Landeshauptstadt Graz spricht außer dem Ortsnamen vor allem der Vorname, wenn Windischgraz schon aus strategischen, wirtschaftlichen und besitzgeschichtlichen Gründen auszufallen hat. Otto heißen noch die späten Nachfahren des Grazers Dietmar, der uns in der Reiner Fälschung um 1129 erstmals begegnet, im 13. Jahrhundert. Wesentlich ist, daß kein ernsthaftes Anzeichen dafür existiert, daß Otto ein Windischgrazer war. In spanheimischer Umgebung sind steirische Ministeriale ohnehin nichts befremdliches, da Graf Bernhard mit Kunigunde, der Tochter Markgraf Otakars II. und Schwester Markgraf Leopolds, verheiratet war, und die Spanheimer in ihrer päpstlichen Gesinnung mit den Traungauern vorzüglich harmonierten. Man könnte allerdings dagegenhalten, daß Trixner Besitz in Schestniza bei Windischgraz verbürgt ist (85), der teilweise aus Spanheimer Lehen herzurühren scheint (86).
(85) MDC III, n. 1073, (1164–1189).
(86) MDC III, n. 839, Völkermarkt 1147 (ca. April 20).
Auch der dritte „Windischgrazer”, Heinrich de Graz, der eine Schenkung von Kärntner Gütern an das Kloster Viktring mit Einwilligung seines Herrn, des steirischen Markgrafen Otakar III., tätigt, muß mit größter Wahrscheinlichkeit nach Graz verlegt werden (87). Spitzenzeuge ist Wernherus de Velnbach, was in Kenntnis der mittelalterlichen Schreibung des einschlägigen Ortsnamens eindeutig mit Feldbach identifiziert werden muß (88). Freilich liegt damit auch die Erstnennung Feldbachs etwas früher als bisher angenommen. Wäre also eine enge Beziehung der Spanheimer zu Windischgraz zu postulieren, dann hätte Graf Bernhard seine Zustimmung gegeben und nicht der Markgraf – freilich nur dann, wenn die Urkunde vor 1147 zu datieren wäre. Die Viktringer Traditionen leiden großteils an einer Datierungsbandbreite (1143–1164), die ohne rigorose kodikologische und genealogische Untersuchungen nicht zu eliminieren ist. Es hat allerdings einiges für sich anzunehmen, daß die erste Schenkungswelle 1147 abriß, als der Stifter Graf Bernard ins Heilige Land zog (wo er verstarb) und nicht mehr als Motor seiner Gründung in Erscheinung treten konnte. Einige Zeugen, wie der Andechser Graf Berthold von Stein (gestorben 1151) oder der Beschenker des Klosters, Walther von Malta (89), legen diese Annahme nahe. Aber auch dies ist vorerst nicht eindeutig zu lösen. Wohl aber ist festzuhalten, daß ein Heinrich von Graz mit seinem Bruder Markwart anläßlich einer Tradition Ottos von Leoben an Admont vor 1158 genannt wird (90). Die beiden Brüder sind in dieser Admonter Notiz doch eindeutig als Ministerialen des Markgrafen zu bestimmen. Daß Heinrich von Graz auch Güter in Kärnten besaß, wird angesichts der Flexibilität der mittelalterlichen Menschen kaum noch verwundern.
(87) MDC III, n. 762, (1143–1164).
(88) ZAHN, Ortsnamenbuch (wie Anm. 20) Stichwort Feldbach; auch das Typar des 14. Jahrhunderts trägt die Umschrift S. FORI IN VELNPACH, vgl. GÄNSER, Inventar der Typarsammlung des Steiermärkischen Landesarchivs, in: Mitt. StLA 42/43, 1993, S. 145, n. 142.
(89) MDC III, n. 770. Walther von Malta, der mit Graf Bernhard am Kreuzzug von 1147 teilnahm, verstiftete auch Güter in Südtirol an Brixen und Neustift, um zu den für die Jerusalemfahrt benötigten Geld zu kommen (MDC III, n. 828 und 829). Eine ganze Reihe von Kreuzfahrern machte damals solche Todfallsstiftungen gegen die entsprechenden Bankkredite. Walther von Malta überlebte den Kreuzzug und ließ sich wahrscheinlich in Krain, jedenfalls im Patriarchat, nieder (MDC III, n. 973 und 1039), wo er um 1062 wegen eines jungen Kebsweibes in Schwierigkeiten geriet.
(90) StUB Erg. Bd., S. 56, n. 366 zu ca. 1170/79 = StUB I, n. 366, zu ca. 1155. Der von Pirchegger übernommene Datierungsansatz von Jaksch ist abzulehnen, da in der Tradition Ottos von Leoben auch Ministeriale des Grafen Ekbert IM. von Formbach angeführt sind, der am 5. August 1158 starb. Jaksch nahm die Belehnung des Hermann von Weißenstein mit dem Schloß Weißenstein durch Bischof Heinrich II von Brixen 1179 zum Anlaß für seine Einordnung.
Zurück zu Weriant von Graz, der 1091 bei der Bestiftung des Klosters St. Paul unter den Spitzenzeugen vertreten ist. Wir wissen von ihm, daß er mindestens zwei Brüder hatte, den Markgrafen an der Sann Starchant und einen weiteren namens Ulrich. Ludmil Hauptmann und nach ihm Hans Pirchegger haben sich mit den Angehörigen dieser Familie befaßt, die uns weiter oben in anderem Zusammenhang bereits als Gründer des Zisterzienserklosters Sittich begegnet sind. Weriants Tochter Hemma heiratet den Grafen Wolfrat von Treffen, beider Sohn Ulrich wird 1161 Patriarch von Aquileja. Für Weriants Bruder Ulrich ist ein Sohn gleichen Namens verbürgt. Was also liegt näher, als Ulrich von Graz für ein Mitglied dieser Familie zu halten, deren eines, Weriant, bereits diesen Beinamen führt (91). Zeitlich stimmt Ulrich von Graz ohne alle Schwierigkeit mit den übrigen Nachkommen Weriants zusammen. Freilich ist zur Genealogie der Grazer das letzte Wort nicht gesprochen, meine eigenen, auf einen größeren Raum abzielenden Forschungen auf diesem Gebiet zeigen die Schwierigkeiten, die sich allein beim Hochadel ergeben.
(91) PIRCHEGGER, Landesfürst 1 (wie Anm. 56) S. 105; Pirchegger zweifelte an der Gleichsetzung des „Weichselburgers” Weriant, weil ihm eine zu 1096 gereihte Urkunde – MDC III, n. 501 – nicht ins Konzept paßte. Die Urkunde gehört jedoch nach 1172, womit einerseits Pircheggers Bedenken fallengelassen werden können, anderseits die Stammtafel der Grafen von Treffen von Jaksch einer Korrektur bedarf, weil der postulierte Wolfrat I. von Treffen ausfällt (vgl. Anm. 76). Der von Pirchegger angeführte politische Gegensatz zu den Spanheimern war 1091 noch nicht evident, da der Überfall Starchands und Weriants auf Erzbischof Thiemo erst 1097 erfolgte, die Sühne Weriants für diesen Frevel wahrscheinlich erst 1110 oder 1121 als Erzbischof Konrad in Salzburg Fuß fassen und seine Politik durchsetzen konnte. Der Untergang des Hauses, wie ihn der Biograph Thiemos behauptete, war 1103 jedenfalls nicht besiegelt, da wir Markgraf Starchant und seinen Bruder Ulrich im Gefolge Herzog Heinrichs III. bei der Gründung St. Lambrechts finden. Der Verlust der Mark an der Sann kann vielleicht auf spanheimischen Einfluß zurückgeführt werden, dann aber erst nach 1122, als mit Heinrich IV. der erste Spanheimer die Kärntner Herzogswürde errang. Die Heunburger als Nachfolger in der Mark an der Sann waren, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, mit den Amtsvorgängern jedenfalls verwandt und hatten ebenfalls Besitz bei und in Graz.
Trotz einer Reihe noch offener Forschungsprobleme läßt sich das Leben um den Grazer Burgberg vor dem Datum der fatalen Reiner Fälschung doch einigermaßen fassen, und zwar schon mehr als ein Jahrhundert vor 1128. Die „hochfreien” Grazer gehören wohl einer Familie an, die sich ab ca. 1000 in Verbindung mit Salzburg, mit dem Kärntner Herzog Adalbero und den Markgrafen Istriens und Krains nachweisen lassen. Über Ministeriale, die sich nach Graz nennen, verfügt der Landesfürst ebenfalls schon vor der dubiosen Reiner Nennung. Freilich besteht noch nicht restlose Klarheit über das Verwandtschaftsverhältnis von Ulrich und Dietmar von Graz, und die schönen alten Stammtafeln sind aus dem vollen der Fälschungen geschöpft. Zu einer Vorstellung von den frühen Burgen und der Siedlung mag der angerissene genealogische Fragenkomplex vorerst genügen.
Mit mindestens drei Familien, die sich nach Graz nennen, sind auch die vorhandenen Ressourcen an Burgen und Türmen des frühen 12. Jahrhunderts abgedeckt. Freilich erkannten die Markgrafen nicht erst „spätestens zu Beginn des 12. Jahrhunderts” den Wert des Burgberges, wie Popelka meinte (92), da die Errichtung der Thomaskapelle vor 1035 anzusetzen ist. Die Beurteilung der Anlagen bleibt schwierig, die Chance, durch den Spaten bessere Kenntnisse zu gewinnen, ist wegen der Baugeschichte und der Zerstörungen von 1809 nicht überzubewerten. Die urkundlichen Nennungen sind dürftig, Graz als Ausstellungsort wird, abgesehen von der Reiner Fälschung auf 1128, explizit 1147 erstmals genannt (93). Die scheinbare Erstnennung vom Februar dieses Jahres ist wenigstens uneinheitlich datiert und gehört vielleicht nach 1149 (94). Die Echtheit der Urkunde ist jedoch zweifelhaft (95) und bietet ohnehin keine nähere Angabe zur Qualität des Ortes, genausowenig wie die auf 22. August 1147 datierte, die wahrscheinlich erst 1151 ausgestellt wurde (96). Wäre die Zeugenreihe nicht gar so kraus, dann ließe sich mit einiger Nachsicht der letzte Zeuge, Witelo mercator, im Hinblick auf den Ausstellungsort als Grazer Kaufmann ansprechen (97). Um 1150 ist mit Pertholdus mercator de Graze ein Kaufmann bezeugt, der auch außerhalb von Graz Besitz hatte (98), und für den Swiker von Gösting als Delegator fungierte. Graz als Ort begegnet uns wieder in einer echten Urkunde des Markgrafen im Jahre 1160 (99), gleichfalls ohne Hinweis auf marktähnliches oder „städtisches” Leben. Erst 1164 ist vom „Markt-Trubel” die Rede, dem der Reinerhof durch seine Lage entzogen sein sollte (100). Der spätere Erste Sack lag nach der Urkunde für Rein jedenfalls abseits von der Aufregung der Hauptdurchzugsstraße oder eines Marktplatzes. Im Weichbild der Burg (101) gab es Ruhe, Ruhe und noch einmal Ruhe. Das Kloster erhielt drei Hofstellen aus dem Besitz des Landesfürsten. Der von älteren Autoren postulierte Gassenmarkt schlösse geradezu die Anlage des Reinerhofes in seiner Abgeschiedenheit – a ceterorum habitaculis distincta – aus. Die Vergabe dreier Hofstellen geschah durchaus im Hinblick darauf, daß auf den Parzellen ein repräsentatives Gebäude der Zisterzienser, das Cellarium, Platz finden sollte, und nicht ein kleines Gewölbe marktähnlicher Prägung. Graz selbst wird 1164 als urbs bezeichnet, und somit tritt uns in der ersten Beschreibung eine fertige Siedlung entgegen, nicht aber ein Gassenmarkt im Sack. Wir wollen uns aus dieser Nennung keineswegs eine fertige Stadt errichten, doch damit muß der ältere Teil der Siedlung in den Bereich der Achse Murgasse-Sporgasse verlegt werden. Dafür spricht auch das Bild, das noch der franziszeische Kataster vermittelt, ja selbst moderne Luftaufnahmen der Stadt geben den mittelalterlichen Kern eindrucksvoll wieder. Es wäre Markgraf Otakar III. von seiner persönlichen politischen Bedeutung her zuzutrauen, daß er die Errichtung einer ummauerten Stadt im Auge hatte. Beim überaus geschwollenen Stil der Reiner Urkunde wird die sehr bewußte Verwendung von urbs im Gegensatz zum castrum wohl doch für eine leichte Übertreibung zu halten sein, da in der Folge bis 1189 nur von einem forum die Rede ist.
(92) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 268.
(93) StUB I, n. 263.
(94) StUB I, n. 257.
(95) WONISCH, Urkundenwesen (wie Anm. 54) S. 89f.
(96) Wir können hier die Ungereimtheiten der Reiner Urkunden nicht näher beleuchten, eine neuerliche Untersuchung der Traungauer Urkunden könnte erst einige Klarheit schaffen. Es ist jedenfalls verwunderlich, daß sich St. Lambrecht das Tauschgeschäft vom 22. August 1147 nicht verbriefen, das abgetauschte Gut Söding aber am 21. Mai 1149 in Salzburg durch Konrad III. bestätigen ließ (MGH DK III., n. 201), wiewohl gerade diese Urkunde längst über eine reine Besitzbestätigung hinausging. Freilich wird die Vorlage mit Söding wie üblich noch in die Bestätigung Barbarossas von 1170 mitgeschleppt. Andererseits wollte St. Lambrecht auf Söding gar nicht verzichten und haderte mit Rein noch bis 1222. Die markgräflichen Siegel an den Reiner Urkunden von 1147 sind beide falsch, echt hingegen jene des bestätigenden Erzbischofs. Wie dem auch sei, ohne neuerliche Diktatuntersuchung wird man hier nicht weiterkommen, es sei denn, daß die Reiner den Salzburger Notar Rupert zu täuschen in der Lage waren, der diese Urkunden verfaßt haben soll. Jede Datierung auf den Sommer 1147 eignete sich ohnehin vorzüglich, konnte man doch damit rechnen, daß eine Reihe von Zeugen den Kreuzzug nicht überstanden haben mochte.
(97) POPELKA, Geschichte I (wie Anm 4) S. 183, meint diesem Witelo auch 1159 zu begegnen, übersieht dabei aber, daß es sich um ein bloßes Insert der Nennung von 1147 handelt. Die Zeugenreihe von 1159 weist hingegen einen Helmbrecht von Graz aus, der für einen Geistlichen gehalten werden könnte.
(98) StUB I, n. 293. Ponigl, nahe Weitendorf bei Wildon. Der Göstinger wird zur Jahrhundertmitte als nobilis vir bezeichnet, was ihn von den späteren Nennungen abhebt, wo offenbar ein gleichnamiger Ministeriale auftritt.
(99) StUB I, n. 404.
(100) StUB I, n. 484, Graz, 1164 (vor Juni 22).
(101) Für Popelkas Übersetzung „Burgflecken” fehlt das lateinische Wort suburbium; die erste Gassenmarktanlage – so Posch – läßt sich aus der Lagebezeichnung der Bauplätze für ein Cellarium in der Nähe der Burg schon gar nicht ablesen. Suburbanum ist eine Lagebezeichnung und kein Terminus für irgendeine Siedlungsform. In der Nähe der Burg (am Schloßberg) liegt der Reinerhof auch heute noch.
1172 wird Graz als Ausstellungsort forum genannt, was die Überlegungen zur Marktstruktur vor 1164 erhärtet (102), desgleichen 1182, in welchem Jahr der Platz vor der Kirche St. Ägydi, der heutigen Domkirche, im Markt Graz als Ort der Handlung spezifiziert wird (103). Ein Gerichtstag in Graz ist aus der Zeit Otakars IV. als Herzog (1180–1192) überliefert, was die Bedeutung des Ortes unterstreichen mag. Das Jahr 1189 bringt die erste civitas-Nennung und unter den Zeugen nach dem Archipresbyter und herzoglichen Kapellan Ortlieb von Fischau den Pfarrer Heinrich von Graz (104). Herzog Otakar hat sehr wahrscheinlich daran gedacht, Graz zu einer Art Residenz auszubauen; wie weit diese Absicht gedieh, läßt sich nicht eindeutig klarstellen. 1189/90 übergibt der Burggraf von Graz, Otaker, mit Erlaubnis der Herzoge Otakar und Leopold seinen Sohn Ulrich als Hochstiftsministerialen an Salzburg. Die Delegation erfolgte in Graz, im Hause des Heinrich Mancus (105), womit ein Grazer „Bürgerhaus” genannt, jedoch nicht lokalisiert wird. Ein „städtischer” Herzogshof war also offenbar noch nicht vorhanden. 1192 (nach dem 8. Mai) ist ein Hoftag Herzog Leopolds V. in Graz verbürgt. Der schließlich tödliche Reitunfall Leopolds in der Steiermark dürfte bei Graz geschehen sein (106), da der Salzburger Erzbischof Adalbert III. sehr rasch am Unglücksort erschien, um dem sterbenden Herzog die Reste des Lösegeldes für Richard von England abzupressen, was für einen Aufenthalt des Salzburgers in Rein oder Leibnitz sprechen würde (107). Leopold stürzte jedenfalls auf einem Feld, das für ein Turnier brauchbar schien. Die Admonter Fortsetzung berichtet, daß er in Graz verstarb (108). Die „Continuatio Claustroneoburgensis secunda” zeigt sich dahingehend informiert, daß der Unfall in der Umgebung der Burg Graz stattgefunden hat (109).
(102) StUB I, n. 546, Graz, 1172 Mai 16.
(103) StUB I, n. 619, Graz, 1182 November 19; der fast gleichlautend formulierte Ausstellungsort in der Fälschung StUB I, n. 555, Graz, 1174 Februar 17, wird wohl der Urkunde von 1182 entnommen sein, sind doch beides Seckauer Stücke.
(104) StUB I, n. 698, Graz, 1189 August 10.
(105) SUB II. n. 475.
(106) Die Mär vom Tummelplatz läßt sich quellenmäßig nicht belegen und kann daher nicht aufrecht erhalten werden; Graz als Ort des Turniers und der Feier des Weihnachtsfestes hat jedoch viel Wahrscheinlichkeit für sich; vgl. BUB 3, zu 1194 Dezember 26 bis 31.
(107) StLA, Hs. 894, Chronik des Magnus von Reichersberg.
(108) MGH SS IX, n. 587 zu 1194, gleichlautend auch die Melker Annalen oder die Garstner Continuatio.
(109) MGH SS IX, n. 619 zu 1194, circa castrum Graez.
Die ältesten Teile der Stadt schmiegen sich gleichsam an den südlichen Burgfelsen, und im gekrümmten Verlauf der Sporgasse blieb diese Struktur bis heute bewahrt. Der vom vordersten Teil des Ersten Sackes und der Sporgasse umfaßte Sporn des Schloßberges gehört jedenfalls sehr früh oder seit je zur Siedlung. Der Uhrturm (und sein Vorläufer, der noch etwas weiter nördlich stand) bildete einen Teil der Stadtbefestigung, die zu erhalten den Bürgern oblag. Die wehrtechnische Verschmelzung von Burg und Stadt gemahnt an Voitsberg, wo wahrscheinlich Graz als Vorbild gedient hat. Die südöstliche und südliche bebaute Außengrenze des traungauischen Marktes bildete wahrscheinlich die Blutgasse, die Reiche zwischen Hof- und Färbergasse, die ihre Fortsetzung in der Reiche von der Prokopigasse zum Hauptplatz, der Pomeranzengasse, hat, und lief durch die Franziskanergasse zur Mur. Mit der Vergabe der Hofstellen für den Reinerhof scheint eindeutig der Wunsch verbunden, die Ansiedlung flußaufwärts zu erweitern und eine befestigte Nordwestecke zu erhalten. Der näher zum Hauptplatz gelegene, vordere Teil des Ersten Sackes war im Mittelalter weiter und bildete mit dem um zwei Drittel kleineren Hauptplatz ein annäherndes Rechteck, quer zur Verkehrsachse und im nördlichen Drittel von ihr durchzogen. Über die Art der Befestigungen wie Mauer, Wall und Graben kann trotz der civitas-Nennungen von 1189 und 1233 keine klare Aussage getroffen werden, will man nicht die Bezeichnung burgum von 1222 für „Stadt” und ummauerte Befestigung gelten lassen (110). Freilich gibt es einige Indizien für eine Stadtbefestigung vor der Erweiterung der Anlage im 13. und 14. Jahrhundert. Die traungauische Befestigung läßt sich einigermaßen getreu rekonstruieren, da einerseits noch im heutigen Stadtbild erkennbare bauliche Eigentümlichkeiten alte Mauertürme verraten, andererseits immer schon einige Ungereimtheiten in der hypothetischen Mauerführung aufgefallen waren. Schon der Mauerverlauf vom Reinerhof zur Mur ist nicht restlos geklärt, und wurde bislang auch von den Ausgrabungen nicht angeschnitten. Verlief sie aber von einem Mauerturm beim Reinerhof, einem Vorläufer des späteren Sacktores, zum Turm Vreytling hinter dem Admonter Hof, dann hat der Bau des Palais Attems alle Spuren verwischt. Der nächste Turm ist das innere Murtor. Sodann drängt die eigentümliche Südostung der Franziskanerkirche den Gedanken auf, daß eine bestehende Stadtmauer die Anlage aus der gewöhnlichen Ostung gezwungen haben mochte. Tatsächlich bieten die Stiche von Wenzel Hollar und Matthäus Merian in der Neuen Weltgasse einen mittelalterlichen Zinnenturm, von dem sich eine gerade Linie parallel zur Kirche zum Murtor ziehen läßt. Dem Turm gegenüber, jenseits des Hauptplatzes, zeigt das Haus Herrengasse Nr. 16 einen außergewöhnlichen Bruch in der Fassade, an der Nordseite des Hauses verläuft die Pomeranzengasse, in deren Verlängerung die Blutgasse den Mauerzug andeuten wird. Rechts vom Eingang in diese Reiche von der Färbergasse gesehen, zeigt die Fassade des Ferdinandeums wieder eine unmotivierte Bruchlinie; es werden wohl in beiden genannten Häusern alte Mauertürme stecken. Der nächste Turm dürfte an Stelle des Jesuitengymnasiums in der Hofgasse gestanden haben, von wo die Mauer entweder zu einem bereits bestehenden Paulstor oder aber zur Stiegenkirche zurücklief. Vom Turm, der sich an der Stelle der Stiegenkirche befunden haben soll, lief jedenfalls keine Befestigung den Schloßberg hinan.
(110) In der Stadt, im Bereich des Priesterhauses, des ehemaligen Jesuitenkonvikts, sind ebenfalls Mauern erhalten, die Posch als alte Stadtmauer gedeutet wissen will. Er läßt die Mauer von der Bürgergasse kommend unter der Stiegenkirche den Schloßberg erreichen, was wohl unmöglich ist, weil eine derartige Mauerführung gegen den wehrtechnischen Ansatz eines Turmes bei St. Paul spricht und ein gewachsenes mittelalterliches Viertel südlich davon die Sporgasse durchschnitten hätte, dessen unüberschaubare Dachlandschaft wie Parzellierung jeden Durchstich einer Stadtmauer verraten würde. Mauern aber sind im Bereich des Priesterhauses und der Kirche allemal möglich, ja sogar im Bild überliefert. Der Stich von Merian zeigt ein Torgebäude in der Bürgergasse, das Dom und Konvikt verbindet. Die Fortsetzung dieser Mauer wird wohl auch den Priesterhausgarten umschlossen haben, was die unwahrscheinliche Stadtmauer jedenfalls nicht getan hat. Es ist durchaus möglich, daß die Stadtmauer den Tabor der Ägydikirche mitbildete, ehe die Stadterweiterung von 1336 bis 1339 überhaupt die neue Bürgergasse schuf, weswegen ein Tor in die alte Tabormauer gebrochen werden mußte. Auch als bequemer Gang vom Konvikt zur Hofkirche ließ sich das Gemäuer nutzen. Es ist freilich richtig, daß die östliche Häuserreihe der neuen und heutigen Bürgergasse auf der alten Stadtmauer sitzt, wovon sich Posch durch Augenschein überzeugt hat.
In der Stiegenkirche St. Paul, die auf einem Felsvorsprung des Schloßberges gegenüber der Einmündung der Hofgasse in die Sporgasse errichtet wurde, hat die Forschung die älteste Burganlage von Graz zu sehen vermeint, wiewohl die Kirche erst 1343 erstmals genannt wird. Die Benennung des inneren Paulustores im Spätmittelalter als St. Pauls Burgtor hat die Annahme einer „Paulsburg” aus dem 10. Jahrhundert gefördert, ohne freilich zu berücksichtigen, daß diese Burg auf Stadtgrund steht. Das innere Paulustor bildete einen Teil der Stadtbefestigung und der Name „Paulsburgtor” mag eine Reminiszenz an den 1265 genannten Turm inmitten der Stadt gewesen sein, für den der Landesfürst Burghut bezahlte. Wenn die Sporgasse den ältesten Teil der Siedlung Graz darstellt, dann läßt sich auch der Turm anstelle der Stiegenkirche plausibel erklären und bildete wahrscheinlich den wehrhaften Nordostteil der ältesten Stadtbefestigung an einer Straßengabelung. Eine Reminiszenz an die Paulsburg mag vielleicht der Pulverturm oberhalb der Kirche sein, den Wenzel Hollar in seiner Stadtansicht von 1657 an der Stelle abbildet, wo heute noch das saurauische Gartenhaus steht. Das innere Paulustor nördlich davon, in der Sporgasse, löst im Rahmen der großen Stadtbefestigung des 13. Jahrhunderts, deren Verlauf heute einigermaßen klar ist, den Turm bei St. Paul in seiner Funktion ab. Damit liegt dann der Turm inmitten der Stadt und kann schließlich aus landesfürstlicher Gnade in einer frommen Stiftung aufgehen. Mit einer gemauerten, umfangreicheren Stadtbefestigung ist nach der Quellenlage jedenfalls seit Herzog Friedrich II. zu rechnen. Eine auf 1214 datierte Fälschung spricht noch vom forum Graz (111), 1233 ist jedoch wieder wie 1189 von der civitas Bayrisch Graz die Rede (112), doch besteht die begründete Annahme, daß die Stadt schon unter Herzog Leopold VI. einen Mauerring erhielt. Eine Bautätigkeit des Babenbergers bei Graz ist am Leechhügel gesichert, wo er vor 1224 eine romanische Rotunde über einem älteren Vorgängerbau errichten ließ. Der Grazer Münze geschieht 1222 Erwähnung; Graz wird in der päpstlichen Littera Honorius III. als burgum des Herzogs von Österreich bezeichnet (113). Allerdings wollte Leopold VI. die Grazer Münze gegen Einnahmenteilung mit dem Erzbischof von Salzburg nach Pettau verlegen. Das Geschäft zerschlug sich, und die Münze verblieb in Graz, wie einer Urkunde Herzog Friedrichs II. von 1232 zu entnehmen ist, die die Grazer Währung erwähnt (114). 1245 tritt der Grazer Münzmeister Ottakar als Zeuge in einer Urkunde des Landschreibers Witigo auf (115).
(111) BUB I, n. 192 = StUB II, n. 130, Graz , 1214 Juli 16.
(112) StUB II, n. 303, Erdberg, 1233 October 28.
(113) SUB III, n. 773, Lateran, 1222 Jänner 15.
(114) BUB I = StUB II, n. 294.
(115) StUB II, n. 444, Voitsberg, 1245 Jänner 12.
Für Weihnachten 1236 wird ein Aufenthalt Kaiser Friedrichs II. in Graz überliefert, was für eine ansehnliche Siedlung der steirischen Herzöge spricht (116). König Rudolf I. bestätigte den Bürgern nämlich 1281 Freiheiten der Herzöge Leopold und Friedrich (117), die die Bürger zusambt klaubundt und vorgelegt hatten. Dies verbürgt städtische Privilegien für Graz schon unter Leopold VI. Der 1214 genannte Stadtrichter Albert von Graz kommt allerdings nur in einer Fälschung vor; der 1210 genannte landesfürstliche Amtmann Albert von Graz kann uns städtische Gerichtsrechte hingegen nicht verbürgen (118). Ca. 1240 wird der erste sichere Grazer Richter genannt (119).
(116) MGH SS IX, n. 786, zu 1137.
(117) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte. – J. F. BÖHMER – REDLICH, Regesta Imperii VI, Bd. I: Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII., 1273–1313, 1898, n. 1264.
(118) BUBI, n. 192; StUB II, n. 108.
(119) StUB II, n. 388.
Einrichtungen, die auf ein städtisches Gepräge von Graz schließen lassen, sind die landesfürstliche Münze, die Maut und die Stadtmauern selbst, die beiden letzteren erstmals 1265/67 im ottokarischen Urbar erstmals ausdrücklich erwähnt.
Für die Topographie der Siedlung Graz läßt sich aus all diesen Angaben des 12. und frühen 13. Jahrhunderts nicht sehr viel gewinnen; außer dem Standort der Pfarrkirche St. Ägydi am Platz des heutigen Domes und dem des Reinerhofes fehlen eindeutige Angaben. Gerade die Lage der Domkirche gibt Rätsel auf, sie ist einerseits Stadtpfarre, andererseits außerhalb des vermuteten Mauerringes gelegen, der von der Hofgasse die Bürgergasse abwärts gelaufen sein soll. Wahrscheinlich hat die rechtliche Qualität der Ägydikirche mit eine Rolle für ihre topographische Sonderstellung gespielt. 1211 muß Erzbischof Eberhard II. Herzog Leopold VI. das Patronatsrecht über die Grazer Stadtpfarre zugestehen (120), zumindest bis zu diesem Zeitpunkt mag die Kirche auch als außerhalb der Siedlung gelegen betrachtet werden. Dies ist nichts außergewöhnliches, auch in Voitsberg lag die Pfarrkirche außerhalb der Stadt, auch dort lag das Patronatsrecht nicht beim Landesfürsten, sondern beim Stift St. Lambrecht, das die weltlichen Ansprüche jedoch abzuwehren verstand. Wenn Leopold die Absicht hatte, in der Steiermark landesfürstliche Städte zu etablieren, dann war ihm naturgemäß daran gelegen, auch in geistlichen Dingen die Oberhand zu gewinnen. Gleichzeitig mit Graz sicherte sich der Herzog auch das Präsentationsrecht in den Pfarren Hartberg, Riegersburg und Straden. Dennoch stand die Kirche auch damals wahrscheinlich nicht wirklich weit vor der Stadt. Eine bereits von Fritz Popelka vermutete mittelalterliche Besiedlung der Murterrasse wurde jüngst über die quellenmäßig faßbaren Häuser im Bereich der Burg Friedrichs III. hinaus durch Bauarbeiten im Hof zwischen der Alten Universität und dem Priesterseminar erhärtet. Die kurzfristig sichtbaren mittelalterlichen Hausfundamente fielen leider einem gnadenlosen Baufortschritt ohne eingehendere Untersuchung zum Opfer. Von der Kirche St. Ägydi wissen wir aber, daß sie und eine Katharinenkapelle (gen. 1325) von einer eigenen Mauer umgeben war, also eine Art Tabor bildete, in dem 1275 ein Gerichtstag abgehalten wurde (121). Bereits 1255 hatten der Pfarrhof (122), im ausgehenden 12. Jahrhundert der Vorplatz der Kirche als Tagungsorte gedient. In der Urkunde Herzog Otakars von 1182 für Seckau heißt es: ante ecclesiam sancti Egidii…., foro Graece. Daraus mag hervorgehen, daß die Kirche schon damals als zu Graz gehörig begriffen wurde.
(120) BUBI. n. 180.
(121) StUB IV, n. 569.
(122) StUB II, n. 178.
Die Ägydikirche wird wohl im frühen 12. Jahrhundert einem der Grazer Burgen zuzuordnenden Meierhof angehört haben und war gewiß schon vor Leopold VI. landesfürstlich, was ja auch die Durchsetzung des Präsentationsrechtes 1211 gegen den Erzbischof deutlich macht. Sie wurde wahrscheinlich schon unter Otakar III. erste Pfarrkirche von Graz mit den Tochterkirchen St. Veit (in Andritz), St. Peter, St. Leonhard und Hausmannstätten, die alle vor 1230 anzusetzen sind (123). Der namengebende Heilige wollte in der älteren Literatur als Kaufmannsheiliger gesehen werden, was schon im Hinblick auf die 931 genannte (Ägydius-)Kirche in Obdach wenig zutreffend erscheinen mag (124). Ihr ein höheres Alter zuzuschreiben wäre möglich, bliebe aber reine Hypothese.
(123) GÄNSER und W. SABUTSCH, Die Pfarrkirche zur heiligen Dreifaltigkeit in Hausmannstätten, 1986, S. 5f.
(124) GÄNSER, Die Kirchen im Raum Obdach, in: G. FOURNIER, R. PUSCHNIG, Obdach, 1990, S. 159f.
Der Erzbischof von Salzburg bekundete, trotz der Teilniederlage gegen den Herzog im Streit um steirische Pfarren, weiterhin sein Interesse an Graz, hatte er doch unter den Bürgern Lehensleute, wie den mit dem Zehenthof bei Graz belehnten Walker oder den Ministerialen Otakar von Graz.
Der derzeitige Forschungsstand läßt folgende Schlüsse zu: Der Schloßberg trug seit dem 9. Jahrhundert von bairischen Gewaltträgern genutzte Befestigungen, im 10. und 11. Jahrhundert bürgen die Eppensteiner und weiterhin die Traungauer für die militärische Nutzung. In diesem Zusammenhang nannten sich im ausgehenden 11. und während des 12. Jahrhunderts Adelige wie Ministerialen nach Graz. Traungauisch scheint der Ausbau einer Siedlung zu Handelsplatz und vielleicht Stadt; die Vollendung der mittelalterlichen städtischen Anlage ist mit großer Sicherheit den Babenbergern zuzuschreiben. Von irgendwelchen mehrstufigen Stadtgründungen kann keine Rede sein, vor allem nicht bei einer Ansiedlung, die spätestens im ausgehenden 11. Jahrhundert zu einer gewissen Größe gediehen sein mußte. Dennoch läßt sich mit Gewißheit sagen, daß Markgraf Otakar III. die Ansiedlung bei den Grazer Burgen zu erweitern trachtete. Ein eindeutiges Indiz ist die etwas abseitige Lage des Reinerhofes. Der politisch von Kaiser Friedrich I. geschätzte Markgraf starb wahrscheinlich zu früh, als daß sich dies für Graz hätte auswirken können. Die Markgräfinwitwe Kunigunde war wegen der Minderjährigkeit ihres Sohnes ihrer Ministerialität zu sehr ausgeliefert, als daß sie etwaige Pläne ihres Gatten hätte vorerst großzügig weiterverfolgen können. Als Otakars gleichnamiger Sohn 1180 mit 17 Jahren Herzog wurde, trug er sich wahrscheinlich doch mit dem Gedanken, Graz zu einer Art Hauptstadt auszubauen. Eine Befestigung der Siedlung wird auf seine Regierungszeit zurückzuführen sein, wofür die civitas-Nennung von 1189 spricht, wenn auch förmliche Stadtrechte nicht überliefert und daher wohl auch nicht anzunehmen sind (125).
(125) StUB I, n. 698.
Dem ersten erhaltenen Stadtprivileg König Rudolfs von 1281 zufolge bedachten die Babenberger Leopold VI. und Friedrich II. Graz mit Stadtrechten. Den Gepflogenheiten einer Bestätigung entsprechend hielt sich der König an die Vorlagen. Daher besaß Graz aus babenbergischer Zeit das Niederlagsrecht, das Mautrecht und die Mautfreiheit in jenen Orten, von deren Bürgern sie selbst keine Maut einhoben, und eine Stadtgerichtsbarkeit mit Stadtrichter. Von der Münze war bereits die Rede. Auf Münze (1222), Maut und Gericht (1240) innerhalb der Stadtmauern nimmt das Einnahmenverzeichnis des Landesfürsten 1267 Bezug, womit die Annahme, Rudolf hätte babenbergische Stadtprivilegien erneuert, gestützt wird, da eine ottokarische Privilegierung wohl Erwähnung gefunden hätte.
Die babenbergische Stadterweiterung führte zu einer Vergrößerung des Areals um beinahe zwei Drittel. Ein markanter Punkt der Stadtbefestigung wird durch die Niederlassung der Minoriten in Graz bestimmt. Die Lage des Klosters am Murtor und an einem Murarm, der bei der Murbrücke einmündete und ein Zurückweichen der Befestigung von der Mur erzwang, legt den westlichen Verlauf der Stadtmauer schon bald nach 1230 eindeutig fest (126). Im Süden wandte sich dieser Murarm ostwärts bis zum später errichteten Eisernen Tor und bildete einen Teil des Stadtgrabens. Vom Minoritenkloster verlief die Stadtmauer bis zum Reckturm, der gegenüber der heutigen Landesbibliothek (Ecke Kalchberggasse-Schmiedgasse) stand, und bog dann hinter dem Wurmbrandischen Haus im stumpfen Winkel nach Osten um. Auch die spätere Kurtine zum Eisernen Tor setzte beim Reckturm an. Der Verlauf der Südmauer deckt sich nach jüngsten Grabungen nicht mit dem in der Literatur angeführten Zug, sondern hielt sich weiter südlich, lief in der Mitte der Stubenberggasse (Postamtsgasse) über die Herrengasse. Die südliche Häuserzeile der heutigen Hans-Sachs-Gasse steht mittig auf der ehemaligen Stadtmauer. Der von Popelka angeführte Mauerzug muß zum Judenviertel gehört haben. Am Tummelplatz, mit großer Wahrscheinlichkeit nahe beim Haus Hans-Sachs-Gasse Nr. 1, da dieses 1689 als nahe beim Pulverturm beschrieben wird (127), bog die Mauer wahrscheinlich abermals im stumpfen Winkel in die Bürgergasse ein, zog, an der befestigten Ägydikirche vorbei, hoch bis zum heutigen Freiheitsplatz, über diesen zu einem Wehrturm, einem wahrscheinlichen Vorläufer des späteren Vicedomamtsgebäudes, von dort in Richtung inneres Paulustor und ging hier in die Schloßbergbefestigung über bis auf die Höhe des Uhrturms. Von diesem Stadtturm fiel die Mauer steil gegen Westen ab, wurde vom Reinerhof mit seinem am Fuße des Schloßberges aufragenden turmartigen Bau aufgenommen, überquerte den Sack und lief gegen die Mur. Daß die Befestigung das Areal des Admonterhofes ausgelassen haben soll, wie Popelka behauptet, ist eher unwahrscheinlich, fügt sich das Gebäude doch ganz organisch in den Mauerring, der sonst einen nicht zu motivierenden eckigen Ausbiß zeigen würde. Mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme für sich, daß beim Bau des Admonterhofes um 1280 die Mauerführung gegenüber der älteren Befestigung grundsätzlich geändert wurde, weshalb sich der Wehrturm, die Vreytling, der im Besitz der Windischgrazer stand, von der Mur aus gesehen hinter dem admontischen Stiftshof befindet. Der archäologische Befund neuesten Datums sagt etwa dasselbe (128). Vom Admonterhof zum Murtor bildete die Stadtmauer später eine gerade Verbindungslinie. Damit wäre die Stadt im Umfang von ca. 1250 umschrieben. Es mag im Zusammenhang mit der Stadterweiterung nicht ohne Belang sein, daß sich um die ältere Befestigung ein regelrechter Kranz von adeligen Freihäusern legt (129). Dasselbe Bild wiederholt sich bei der Stadterweiterung von 1336 und nochmals beim Bau der Stadtbefestigung des 17. Jahrhunderts in der südlichen Neugasse (Hans-Sachs-Gasse).
(126) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 367; PURKARTHOFER, Religiöses Leben in den mittelalterlichen Städten und Märkten, in: Die Steiermark. Brücke und Bollwerk, 1986, S. 118 ff.
(127) E. SCHMÖLZER, Archivalische Vorarbeiten zur Österreichischen Kunsttopographie. G. I. Adels- und Freihäuser, 1993.
(128) Besonders gedankt sei Dr. Diether Kramer von Landesmuseum Joanneum, der mich über die aktuellen Aus- und Notgrabungsbefunde auf dem Laufenden hält.
(129) SCHMÖLZER, Vorarbeiten (wie Anm. 127).
Über den Mauerbau anläßlich der Stadterweiterung nach Osten sind wir durch ein Steuerprivileg Herzog Ottos aus dem Jahre 1336 unterrichtet (130), das von umfangreichen, kostspieligen und langfristigen Bauarbeiten an der Stadtbefestigung berichtet, zu denen auch die Grazer Juden finanziell beitragen mußten. Nun wurde die Pfarrkirche in den Mauerring der Stadt einbezogen, daher weist der Ostteil der Stadt auch ein kantigeres Gepräge auf. Die Stadtmauer wurde im Süden nach Osten verlängert, bog hinter den Häusern der Kirchstraße (Burggasse) in der Normalschulgasse (Einspinnergasse) rechtwinkelig ab und lief bis zur Höhe der Pfarrkirche St. Ägydi, wo sie beim heutigen Burgtor einen Knick nach außen machte und sich dann hinter dem heutigen Burggebäude wiederum rechtwinkelig gegen Westen wandte und beim Vicedomamtsgebäude in die ältere Befestigung eingebunden wurde.
(130) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte.
Stadtgräben, zum Teil mit Wasser gefüllt, lagen vor der Ringmauer, teils natürliche Gerinne wie die Kotmur beim Ersten Sack und der Murarm nach der Murbrücke, teils Altarme der Mur im Süden, wie der 1304 erstmals genannte Werpach. West- und Südseite waren also von Wasser umgeben. Daß den abschüssigen Ostgraben Grundwasser gefüllt hätte, wie Popelka meinte (131), müssen wir nicht nur angesichts moderner Probebohrungen verneinen; es mag aber da und dort größere künstliche Tümpel gegeben haben. Wehrfunktion erfüllen solche Gewässer allerdings nicht, diese ist Aufgabe des Grabens an sich. Teilweise lagen vor den eigentlichen Stadtmauern Zwingermauern, wie sich eine an der Nordostseite zwischen (innerem) Paulustor und Schreibhof bis ins 19. Jahrhundert erhalten hat (Südseite des Karmeliterplatzes) oder wie der Erste und Zweite Sack.
(131) POPELKA, Geschichte der Stadt G., Bd. II, 1935, S. 20.
Die mittelalterliche Befestigung blieb im großen und ganzen bis in die frühe Neuzeit in dieser geschilderten Form bestehen, ehe die Schußwaffen im 15. Jahrhundert Rondelle erforderten und die Festungsbauten des 16. und 17. Jahrhunderts das Äußere der Stadt grundlegend veränderten. Wehr- und Tortürme bestimmten das Bild der Stadt von außen. Die meisten Nennungen sind spätmittelalterlich, wiewohl der Baubestand auf die Bauzeit des Festungswerkes zurückgehen muß. Die Hauptverkehrsachse von Westen nach Osten ging vom Murtor zum Paulustor. Ersteres, ein Doppeltor, wird 1462 im Zusammenhang mit der Errichtung von Fleischbänken erwähnt (132), die dem Stadtviertel südlich des Tores und außerhalb der Mauern seinen Namen geben sollten: Kälbernes Viertel. Nicht viel früher, 1447, wird das (innere) Paulustor genannt, 1346 das Tor gegen den Grazbach (133) sowie das heute noch bestehende Burgtor, 1401 auch Eisernthor benannt. Ca. 1380 hören wir erstmals vom Sacktor, und 1507 vom Eisernen Tor. Neben den Haupttoren gab es noch verschiedene Ausfallspforten, die aber normalerweise verschlossen blieben, so das Judentürl, der Zugang zum jüdischen Friedhof jenseits des Stadtgrabens am Werpach (134), vielleicht an der Stelle oder in der Nähe des späteren Eisernen Tores, und das Frauenklostertor bei den Dominikanerinnen sowie eine Pforte bei den Franziskanern. 1486 erfolgte die letzte mittelalterliche Stadterweiterung im Nordwesten, der Zweite Sack. Das Zweite Sacktor wurde 1835 abgebrochen, das Erste Sacktor war schon 1702 dem Bau des Palais Attems zum Opfer gefallen.
(132) Die folgenden Jahreszahlen nach ZAHN, Ortsnamenbuch (wie Anm. 20) und POPELKA, Geschichte I u. II (wie Anm. 4 und 131).
(133) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 187.
(134) 1419 Werpach gegen den Judenfreythof über.
Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts sind wir auch über Grazer Bürger in größerem Umfang informiert. Stadtrichter und Geschworene, Kaufleute und Handwerker werden seit der Zeit König Ottokars zahlreich genannt. Ein aufschlußreiches Bild städtischen Lebens um 1290 bietet das habsburgische Urbar (135). Das Revindikationsurbar Herzog Albrechts I. verzeichnet etwa 70 Bürger und Handwerker in Graz und den Vororten Geidorf und Guntarn. Rund 30 der genannten Personen kommen auch in Urkunden ab der Mitte des 13. Jahrhunderts vor. Bei den meisten Bürgern fehlt die Berufsangabe, doch lassen sich eine Reihe von Handwerkern, aber auch andere Berufe feststellen. Folgende Professionen werden genannt: Schneider, Fleischhacker, Bäcker, Gerber, Schmied, Fischer, Walker und Kaufmann. Einige Berufe lassen sich aus den eben aufkommenden Familiennamen erschließen, wie Melpri und Protchorb für Bäcker, Piergeb für Wirt, Watmanger für Tuchhändler oder der als Name gebrauchte lateinische Begriff Fusor für Gießer. Schreiber, Münzmeister und Nachtwächter sowie ein Marschall runden vorerst das Bild ab. Freilich sind im habsburgischen Urbar nur jene Bürger verzeichnet, die landesfürstliche Güter besaßen. Die Nachtwache ist seit 1252 belegt (136), von der das Reiner Cellarium befreit war, wie es auch von Maut, Steuer und Gericht eximiert war. Als Teil der Stadtbefestigung leistete der Reinerhof ohnehin seinen Anteil zum Wohl der Stadt. Der Bürger Volkmar aus der Familie der Walker leistet Abgaben für eine Mühle, als Stadtrichter erneuerte er zusammen mit den 12 Ratsgeschworenen 1293 die Handwerksordnung der Sattler. Drei Meister dieses Gewerbes werden namentlich genannt (137). Unter den dem Landesfürsten Zinspflichtigen befinden sich auch der Deutsche Orden, der Stiftshof des Klosters Admont und die Niederlassung der Dominikaner. Noch genoß der Adel Abgabenfreiheit, erst 1364 verordnete Rudolf IV. das „Mitleiden” der adeligen Häuser in der Stadt, ausgenommen der landesfürstlichen Räte. Für die Zukunft der Freihäuser war dieser Passus von besonderem Belang, da es in der Neuzeit kaum einen in Graz ansässigen Adeligen gab, der nicht mindestens erzherzoglicher oder kaiserlicher Rat war.
(135) StLA, Hs. 1160. – A. DOPSCH, Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark aus dem Mittelalter, 1910, S. 171–287.
(136) StUB III, n. 118.
(137) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte.
Auch die urkundliche Überlieferung fließt, wie bereits erwähnt, ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts reichlicher. Etliche Bürgerhäuser werden genannt, drei sind beim oder im heutigen bischöflichen Palais zu lokalisieren (138). Weiters werden die Häuser des Stadtrichters und des Stadtschreibers genannt (139).
(138) StUB IV, n. 538.
(139) StUB IV, n. 92 und 352 (vide n. 309 und 423), ab 1163.
Unter die Stadtsteuer fielen auch der Meier von Guntarn, ein Schneider am Leech, sowie Güter in Geidorf. Die genannten Vororte können zum Teil schon im 12. Jahrhundert belegt werden. Der Herrenhof Guntarn, benannt nach dem Heunburger Markgrafen an der Sann, Günther, der vor 1137 starb und seine letzte Ruhestätte in Admont fand, kam 1144 an den Markgrafen Otakar. Günthers Vater, Pilgrim von Pozzuolo, hatte Admont tradierte Güter seines Sohnes in Straßgang-St. Martin widerrechtlich an den Landesfürsten verliehen. Die etwas peinliche Rücklösung kostete Pilgrim das Schenkenamt in Aquileja und den Grazer Gutshof als politischen Preis für die Befriedung des Benediktinerstiftes (140) und des Markgrafen. Der heunburgische Besitz bei Graz geht auf das beginnende 11. Jahrhundert zurück, der Ausbau des Gutshofes durch Günther hängt auch eng mit der Präsenz der ihm verwandten Grazer am Schloßberg und dem zugehörigen Meierhof beim Dom zusammen; die Familie suchte an einem Hauptort Zusammenhalt, konnte sich aber gegen den Traungauer letztlich nicht durchsetzen, weil sie, seit dem Investiturstreit in Auseinandersetzungen mit der Kirche verstrickt, mit dem Tod Herzog Heinrichs III. von Kärnten ihren politischen Rückhalt verlor. Die Lage des Gutshofes Guntarn ist am Ostglacis, zwischen der Stadt, der Leechkirche und dem heutigen Militärkommando festzulegen (141), bei dem Deutschen Hause, wie es in einer Urkunde von 1306 heißt. Nach 1144 erscheint der Hof an einen landesfürstlichen Ministerialen verlehnt; des herzoglichen Verwalters Ruzo wird 1185 als Lehensträger gedacht. In diesem Jahr schenkt ein namentlich nicht bekannter herzoglicher Ministeriale seinen beim Markte Graz gelegenen Ort Guntarn mit Einwilligung Otakars IV an Vorau. 1306 vertauschte das Kloster diesen Hof an den Deutschen Orden, an dessen Güter um die Leechkirche und das Ordenshaus Guntarn grenzte.
(140) GÄNSER, Die Mark 1 (wie Anm. 27).
(141) Dagegen POSCH, Guntarn-St. Leonhard, in: Siedlung, Macht und Wirtschaft (Veröff. d. StLA 12, 1981), der wie der Titel seiner Arbeit sagt, den Gutshof bei der Leonhardkirche ansiedeln möchte. Posch ist aber jene Urkunde entgangen, die, vom Grazer Stadtschreiber und weiteren Grazer Bürgern testiert, den Hof Guntarn als bei dem Deutschen Hause gelegen bezeichnet (StLA, U 1684e, Vorau, 1306 Jänner 2). Man wird es bei der evidenten Ortskenntnis der Zeugen also bei der älteren Meinung von Pirchegger und Popelka bewenden lassen, daß der Hof im Zuge der seit Mitte des 15. Jahrhunderts verbesserten Vorfeldverteidigung der Stadt unterging.
Innerhalb der vorgeschobenen neuen Ostummauerung von 1336/39 siedelten sich ab 1349 (142) und besonders nach der habsburgischen Länderteilung von 1379 Adelige und landesfürstliche „Dienststellen” an. Die Gegend um die heutige Burg wurde auch Bürgeröd genannt, wurde im 14. Jahrhundert jedoch teilweise verbaut, wie die Fundamente im Hof der Alten Universität gezeigt haben. 1399/1400 begann Herzog Wilhelm mit Grundkäufen, die sein Neffe Herzog Friedrich V, der spätere Kaiser Friedrich III., ab 1433 in größerem Stile fortsetzte. Der Burgbau begann 1438 auf dem Areal der Häuser Ottos von Stubenberg und Georg Gradners (der Ritter Georg Gradner hatte auch in Voitsberg Besitz und St. Lambrechter Lehen) und wurde nach der Wahl Friedrichs zum deutschen König 1440 zielstrebig weitergeführt. Ebenfalls seit 1438 wurde die Ägidiuskirche zum Dom ausgebaut und 1449 mit dem Hauptgebäude der Burg durch einen Verbindungstrakt zusammengeschlossen. 1449 war das Hoforatorium fertiggestellt, 1450 die Chorwölbung, 1456 das Westportal. Bis 1573 blieb die Kirche auch Stadtpfarre. 1564 wurde sie Hofkirche; 1573 wurde sie den Jesuiten übergeben, und die Stadtpfarre übersiedelte in die 1492 von den Dominikanern errichtete Kirche zum Hl. Blut in der Herrengasse. Diese Kirche ist aus der Corporis-Christi-Kapelle entstanden, die Friedrich III. im ehemaligen Judenviertel erbauen hatte lassen und die 1660 den Dominikanern gewidmet worden war. Neben dem Dom entstand an Stelle einer romanischen Katharinenkapelle (Erstnennung 1325) ab 1615 das Mausoleum Kaiser Ferdinands II. nach Plänen von Giovanni Pietro da Pomis. Von da Pomis stammen auch die Pläne für die Kirche Mariahilf in der Murvorstadt. Nach dessen Tod übernahm Pietro Valnegro die Bauleitung am Mausoleum, doch erst unter Kaiser Leopold I. wurde der Bau 1687 bis 1690 vollendet (Stukkatur und Hochaltar von Johann Bernhard Fischer von Erlach).
(142) StLA, U 2379. Der Grazer Bürger Chuenzel Neumeister verkauft Friedrich von Stubenberg sein Haus zu Graz. Das stubenbergische Haus lag in der Nähe des landesfürstlichen Schreibhofes und fiel 1438 dem Burgbau zum Opfer.
In der Burg scheint der alte Schreibhof aufgegangen zu sein. Friedrich III. residierte bis 1484 in Graz; eine Zeitlang wurden die Reichsgeschäfte von Graz aus getätigt (143). Die Burg bedeutete eine beträchtliche Verstärkung der gefährdeten Nordostecke der Stadt, die durch den Ausbau von 1336 entstanden war. Die Burg Kaiser Friedrichs bestand aus zwei Gebäuden, dem Palas gegenüber dem Dom (abgebrochen 1854) und der Friedrichsburg in der Nordostecke der Stadtmauer. Wegen der zahlreichen Fehden und Überfälle (Baumkircherfehde um 1470, Ungarn und Türkeneinfall von 1480) wurde 1470 das Burgtor vermauert und der Stadtgraben davor vertieft. Maximilian I. errichtete einen Verbindungstrakt zwischen den beiden Burggebäuden seines Vaters; die architektonisch bedeutende, doppelläufige spätgotische Wendeltreppe (erb. 1499/1500) bildet heute noch eine besondere Attraktion der Grazer Burg. Maximilianisch sind Burgkapelle, ein Stockwerk des Palas und eine vom Rosenberg zur Burg geführte Wasserleitung. Die Lärchenholzrohrleitung verlief entlang der Heinrichstraße durch das Burgtor in den ersten Burghof. Wiewohl selten in Graz, hat Kaiser Ferdinand I. 1554 ebenfalls an der Grazer Burg bauen lassen: die Prunkstiege von Domenico dell'Allio am Palas, deren Abbruch 1854 einen argen Verlust an edelster Renaissancearchitektur für Burg wie Landeshauptstadt brachte. Karl II. von Innerösterreich kam 1564 nach Graz. Seine Hofhaltung erforderte einen weiteren Ausbau der Burg. Die Karlsburg wurde 1571 fertiggestellt. An die Friedrichsburg wurde der Registraturtrakt angebaut und zwischen Palas und Karlsburg der Trompetergang errichtet. Karl erneuerte auch die Wasserleitung in die Burg; Kaiser Ferdinand II. ließ sie nach der Errichtung des äußeren Paulustores (1606–1614) dorthin verlegen. Karmeliterkloster und Jesuitenkolleg sowie die Hofstallungen beim Tummelplatz wurden bis zur Erbauung der städtischen Wasserleitung 1871 durch Stichleitungen der Burgwasserleitung versorgt. Kaiser Ferdinand II. fügte der Burg ein weiteres Gebäude mit neuer Hofkapelle hinzu. Auch dieser Trakt wurde 1854 zusammen mit dem Palas, der Prunkstiege und dem Trompetergang demoliert. 1600 wurde beim alten Paulustor ein Ballhaus errichtet: Im Winter 1607/08 fand dort das Gastspiel der englischen Theatertruppe John Greens mit der Aufführung des Stückes von William Shakespeare „Der Kaufmann von Venedig” noch zu Lebzeiten des Dichters statt. Neben der Hofkirche entstand ab 1615 anstelle einer älteren Katharinenkapelle das Mausoleum Ferdinands II., das 1636 vollendet wurde. Maria Theresia liquidierte die Hofhaltung in der Grazer Burg. Ihr Sohn Joseph II. logierte 1784 nicht mehr in der Burg, sondern im Gasthof „Zum Weißen Lamm” in der Schmiedgasse. Schwere Bauschäden führten 1854 zum Abbruch der wichtigsten mittelalterlichen Bauteile. Der Demolierung fielen der Palas, die Prunkstiege, der Trompetergang und der Ferdinandsbau längs der Hofgasse zum Opfer. 1922 wurde die Karlsburg Amtssitz des Landeshauptmannes von Steiermark. Am 1. November 1944 erhielt die Friedrichsburg schwere Bombentreffer (restauriert 1948), die Karlsburg blieb jedoch verschont. 1950/51 wurde auf dem Areal der abgebrochenen Burgteile der Neubau eines Kanzleigebäudes errichtet und der erste Burghof wieder zu einem geschlossenen Ensemble, dem nur die Südseite fehlt, wo der ehemalige Trompetergang verlief.
(143) Sämtliche folgende Daten zur Burg nach PUSCHNIG, Geschichte und Bauentwicklung der G.er Burg, in: Die G.er Burg, o. J., S. 23 ff.
Der Deutsche Orden kam 1233 nach Graz und erhielt von Herzog Friedrich II. die Kunigundenkirche am Leechhügel mit Gütern, die vom heutigen Karmeliterplatz bis zum Hilmteich reichten. Dazu kamen noch Besitzungen im weiteren Umkreis der Stadt (144). Die Grazer Besitzungen, die sich im Urbar der Kommende am Leech von 1510 widerspiegeln, enthalten ganz offensichtlich auch Teile des ehemaligen Herrenhofes Guntarn; bislang wurden diese Besitzteile noch nicht von der Forschung erfaßt. Friedrich II. bekundet, daß die Kunigundenkirche von seinen Vorgängern errichtet worden sei. Bei Grabungen in den letzten Jahren stieß man auf zwei Vorgängerbauten, beides Rundkirchen, wovon die ältere zumindest in die Zeit der Traungauer zurückgeht. 1224 urkundet Herzog Leopold VI. bei Graz nahe der Kunigundenkapelle, 1227 in dieser Kirche (145). Der romanische Rundbau, dessen Durchmesser weit über die gotische Kirchenbreite hinausragt, mag auf Veranlassung Leopolds VI. nach 1202, der Heiligsprechung der Kaiserin Kunigunde (Gemahlin Kaiser Heinrichs II.), entstanden sein, der kleinere Vorgängerbau ist jedoch fraglos älter und wird auch ein anderes Patrozinium gehabt haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist eine Motte, eine kleine ritterliche Burganlage des 12. Jahrhunderts, aufgrund des kreisförmigen Grundrisses und der zumindest zweifachen sakralen Überbauung, auszuschließen. Der frühe Bau könnte eine Apsis gehabt haben, doch ist dieser zu vermutende Baukörper durch den Einbau einer barocken Gruft zerstört worden. Der runde Vorgängerbau der Kunigundenkapelle stützt zugleich die Annahme, daß auch die Thomaskapelle auf dem Schloßberg, außer aus den oben angeführten Gründen, aus einer weit älteren Zeitschichte stammen muß, als ihr teilweise vom kunsthistorischen Standpunkt zugebilligt wurde (146). Die Kirche wurde wahrscheinlich während eines ungarischen Angriffs 1250 zerstört, beim Wiederaufbau in gotischem Stil kam es zu einem Wechsel des Patroziniums.
(144) StUB II, n. 303.
(145) StUB II, n. 214 und 239.
(146) Übrigens war auch die Kirche des Vorauer Klosters dem Apostel Thomas geweiht. Die Kirche muß schon bestanden haben, als Markgraf Otakar 1163 Augustiner-Chorherren nach Vorau berief (StUB I, n. 479).
Der dritte Vorort schließt nördlich an die Besitzungen des Deutschen Ordens an. Es ist das 1254 erstmals genannte Geidorf, das Ottokar von Graz dem Bischof von Seckau nebst einem Haus bei Graz schenkte. Der Geidorfer Besitz wie das Haus müssen abgetauscht worden sein, es handelt sich auf keinen Fall um den Bischofshof, da dessen Erwerbung laut Bischofschronik eindeutig erst 1309 erfolgte (147). Andererseits erwarb schon Bischof Wernhard von Seckau 1274 vom Bürger und Kaufmann Berthold und seiner Frau Adelheid ein Haus in Graz um 65 Mark Silber. Es ist jedoch kein Widerspruch in beiden Angaben zu sehen, entstanden doch die meisten repräsentativen Gebäude in Graz durch Verschmelzung der Gründe oft mehrerer älterer Häuser (148).
(147) Regesten des Herzogtums Steiermark, 1976 (Quellen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 6) n. 146. – LANG, Die Lehen des Bistums Seckau, 1931, n. 259. Posch versuchte ein älteres Geidorf in der Umgebung des Bischofshofes zu konstruieren und damit eine weitere Stadtentwickungsphase zu konstatieren. Da die Auswertung der Quellen manchmal zwiespältig sein kann, könnte man vielleicht über die Interpretation von in oder bei Graz geteilter Meinung sein. Die Stadtentwicklung nach Posch bringt aber eine dermaßen vertrackte Linienführung der Stadtbefestigung im Osten, daß man sie beim besten Willen nicht akzeptieren kann. Wir müssen ganz einfach auch den mittelalterlichen Menschen eine gesunde Portion Hausverstand zubilligen, was sich auch im Befestigungsbau widerspiegeln dürfte.
(148) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 213.
Ab 1361 gehörten die genannten Vororte zum Burgfried Graz, der Stadtgerichtsbezirk reichte weit nach Osten und Westen und die Grazer kontrollierten den Verkehr in weitem Umkreis der Stadt (149). Der Burgfried war mit den Ortsangaben Nieder Tobt (Puntigam), Leuzendorf, Graben, St. Leonhard und Hartmannsdorf umschrieben. Im 18./19. Jahrhundert finden sich an diesen Burgfriedsgrenzen die Verzehrsteuer- und Linienämter. Eximiert vom städtischen Burgfriedhof waren der Deutsche Orden mit seinem ursprünglichen Besitz von 1233, der Burgfried Weißenegg in der Murvorstadt, der Burgfried Grabenhofen und der Burgfried Münzgraben. Das Grazer Hochgericht stand an der Burgfriedsgrenze an der alten Poststraße beim modernen Zentralfriedhof.
(149) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte.
Der Hauptplatz weist als ehemaliger und heute noch genutzter Marktplatz eine Reihe von Bürgerhäusern und das neue Rathaus auf, ermangelt aber im übrigen der öffentlichen Gebäude. Beinahe hat sich die mittelalterliche Besitzstruktur bis in die Moderne unverändert erhalten, Kaufleute und Handwerker wie Goldschmiede besaßen die Häuser am Platz. Rechter Hand am Eingang zur Herrengasse lag die Schranne, linker Hand der Salzburgerhof (Herrengasse 1). Erst um 1550 wurde das neue Rathaus erbaut, die Schranne wich und ging im Neubau des Landhauses in der Herrengasse auf. Die Verkleinerung des Hauptplatzes von Süden her erfolgte jedoch schon im ausgehenden 15. Jahrhundert, als dies der Raummangel im innerstädtischen Bereich erforderlich machte. Südlich vom Murtor, außerhalb der mittelalterlichen Mauern, im sogenannten „Kälbernen Viertel” siedelten sich des Wassers wegen schon im 15. Jahrhundert vorzüglich die Fleischer an, wogegen im Bereich des Sackes Lederer und Gerber ihre Domizile hatten und Mur sowie Kotmur nutzten.
In der Herrengasse stand neben dem Salzburgerhof das Gebäude des herzoglichen Lehenshofes (Herrengasse 3), der seit 1360 als verlehnt und steuerbefreit nachweisbar ist (150).
(150) POPELKA, Geschichte I. (wie Anm. 4) S. 212.
Zu den bedeutendsten Monumentalbauten der Renaissance nördlich der Alpen zählt das Landhaus in Graz. Ab 1494 erwarben die Landstände zwischen Herrengasse und Schmiedgasse mehrere Häuser, die den groß angelegten, das Selbstverständnis der steirischen Stände spiegelnden Neubauten des 16. Jahrhunderts weichen mußten. 1527 bis 1531 errichteten die Brüder Hans, Balthasar und Sebastian Walch den gegen die Schmiedgasse gelegenen Rittersaaltrakt, 1557 bis 1565 baute man nach Plänen des italienischen Festungsbaumeisters Domenico dell'Allio den Trakt an der Herrengasse, der 1581 bis 1584 von Francesco und Antonio Marmoro im Stile dell'Allios nach Süden verlängert, 1586 mit dem Uhrdachreiter versehen und schließlich 1645, vermutlich von Antonio Solar, durch einen Verbindungsflügel an das ständische Zeughaus angeschlossen wurde. 1630/31 erbaute Bartolomeo di Bosio die Landhauskapelle und die neue Stiege an der Stelle eines Treppenturmes von dell'Allio. 1740/41 wurde der Trakt mit der Landstube von Georg Kraxner umgebaut, 1744/45 der Rittersaal von Joseph Hueber. Der freistehende Arkadengang, der als Verbindung Herrengassentrakt und Landstube dient, wurde erst 1989/90 nach einem Entwurf Hermann Scanzonis anstelle des Archivtraktes im Stile Domenico dell'Allios errichtet. Der Brunnen in der Nordwestecke des Landhaushofes stammt aus dem Jahre 1590 und ist ein bedeutendes Beispiel des spätmanieristischen Bronzegusses im Alpenraum.
An das Landhaus schließt das 1643 bis 1645 von Antonio Solar erbaute Landeszeughaus an, das größte ständische Waffendepot des 16 und 17. Jahrhunderts, das in der Aufstellung des 17. Jahrhunderts heute noch zu besichtigen ist. Seine Bestände präsentieren die beinahe vollständige Palette aller während der Türkenkriege gebräuchlichen kavalleristischen und infanteristischen Schutz- und Angriffswaffen. Das europaweit größte erhaltene landständische Zeughaus ist heute eine Abteilung des Landesmuseums Joanneum.
1572 berief Erzherzog Karl II. den jungen Jesuitenorden als Träger der geistigen Gegenreformation nach Graz. Bereits 1573 eröffneten die Jesuiten ein Gymnasium und begannen mit dem Aufbau der höheren Studien. Die Gründung der Universität erfolgte 1585, die päpstlichen und kaiserlichen Bestätigungen wurden im darauffolgenden Jahr erteilt. 1607 bis 1609 wurde neben dem Jesuitenkolleg (heute Priesterhaus) ein großzügiger Neubau errichtet (heute Landesarchiv). Dennoch konnten nur die theologische und die philosophische Fakultät installiert werden, der Ausbau zur Volluniversität blieb Karl II. von Innerösterreich versagt. Die Universität hatte dessen ungeachtet für den christlichen Südosten als lange Zeit einzige Hochschule eminente Bedeutung. Die Studenten kamen außer aus Innerösterreich vor allem aus Kroatien, Ungarn, Siebenbürgen und Polen, aber auch aus Italien und dem Reich. 1782 wurde die Grazer Universität zum Lyzeum herabgedrückt, erst 1827 erhob Franz I. die Schule wieder zur Universität, die mit der Errichtung der medizinischen Fakultät 1863 Volluniversität wurde. 1895 übersiedelte der Universitätsbetrieb an den heutigen Standort.
Für den steirischen Wissenschaftsbetrieb von eminenter Bedeutung war die Gründung des Joanneums (1811). Die technische Universität, 1874 aus der technischen Lehranstalt des Joanneums entstanden, bezog 1888 ihre neuen Gebäude (heute Alte Technik) in der Rechbauerstraße. Das Landesmuseum mit seinen Abteilungen, das Landesarchiv und die Landesbibliothek gingen gleichfalls aus der Gründung Erzherzog Johanns hervor.
Zwischen 1544 und 1620 wurde das mittelalterliche Bild der Stadt durch Befestigungsarbeiten grundlegend verändert. Gerüchte drohender Türkengefahr hatten 1543 den Anstoß gegeben, die Festungswerke auf dem Schloßberg umzubauen. Moderne Waffentechnik hatte die mittelalterliche Stadtmauer obsolet werden lassen, gleichzeitig galt Graz als einer der Hauptstützpunkte der Türkenabwehr. Domenico dell'Allio wurde mit den Arbeiten beauftragt. Auch die Grazer Bürger bauten ab 1543 Basteien in italienischer Manier am Grillbühel (Dietrichsteinbastei an der Südostecke der Stadt), der zum Teil eingeebnet, zum Teil von der neuen Bastei beherrscht wurde, und beim Admonterhof, dort jedoch in wesentlich kleinerem Format und nach älterem Typ. Die Admonterbastei ging im 17. Jahrhundert in der wesentlich geräumigeren Ursulinenbastei auf. Die Stände beschlossen, die Grazer beim Ausbau zu unterstützen, doch begannen die Arbeiten an der Landschaftsbastei erst 1568. Nach der Grillbühelbastei erfolgte der Ausbau der Bürger- oder Adlerbastei 1552 bis 1554, benannt nach der Adlermühle, die der Bastei gegenüberlag und 1574 abgebrochen wurde. Daher wurde auch der Mühlgang überflüssig und zugeschüttet, als man unter der Stiftsschule eine neue Bastei gegen die Mur errichtete. Die größte Bastei war die Burgbastei, von dell'Allio 1556 bis 1562 erbaut, die im heutigen Burggarten größtenteils erhalten ist. Ab 1566 wurden die Basteien durch Kurtinen verbunden und die neuen Stadtgräben ausgetieft. Die Abwässer der Stadt wurden über Kanäle durch die Kurtinen in den Stadtgraben geleitet. Die bereits erwähnte Landschaftsbastei war 1571 vollendet, 1574 auch das westlich anschließende Eiserne Tor.
Der Ausbau des Paulustores brachte eine Stadterweiterung im Nordosten entlang des Schloßberges. 1581 bis 1588 wurden die Karmeliterbastei und die Kurtine zum Burgtor gebaut. Die Bauarbeiten gingen nur sehr langsam vonstatten, da die Stände aus religionspolitischen Überlegungen die Zahlungen verweigerten, die Hofkammer aber nicht über genügend Mittel verfügte, galt es doch, außer Graz noch die oststeirischen Städte Fürstenfeld und Radkersburg sowie die Festungen der Windischen Grenze wie Kopreinitz, Warasdin, Kreuz und Ibaniz zu finanzieren und auszubauen, was besonders der Fall von Sissek 1600 dringend nahelegte. An der östlichen Schloßbergseite wurde das äußere Paulustor von der Kriegsstellebastei flankiert, an der 1597 bis 1600 gebaut wurde; weitere Arbeiten vor dem Tor und am Tor selbst zogen sich bis 1616. Die Murbefestigung gelangte gleichfalls um diese Zeit zum Abschluß. 1625 schloß das äußere Sacktor den Dritten Sack; das Neutor an der Bastei im Kälbernen Viertel war ebenfalls um diese Zeit fertig. Noch während die Stadt zur modernen Festung ausgebaut wurde, kam es auf den älteren Basteien zur Anlage von Lusthäusern und Gärten. Die Pläne zur Befestigung der Murvorstadt waren im 16. Jahrhundert bald wieder aufgegeben worden, kamen aber im 17. Jahrhundert durch die kaiserlichen Festungsingenieure wieder ins Gespräch, doch aus Geldmangel nicht zur Ausführung. 1657 wurde zum Schutz der hochwassergefährdeten Murbasteien ein Damm gebaut. 1663/64 wurden nur an der Südseite der Stadt zwei Ravelins errichtet, obgleich der Festungsbaumeister Martin Stier auch drei weitere an der Ostseite vorgeschlagen hatte.
Die innere Stadt behielt ihren um 1630 erreichten Umfang im wesentlichen bis in die Gegenwart. Durch den Ankauf der Glacisgründe der Stadtbefestigung durch die Stadt im Jahr 1869 (Umbau zum Park bis 1871) blieb im Stadtparkareal die Struktur der Befestigungsanlagen des 17. Jahrhunderts erhalten.
Die ehemalige Residenz verlor mit dem Erstarken der Wiener Zentralmacht im 17. Jahrhundert langsam an Bedeutung. Mit den erfolgreichen Türkenkriegen gegen Ende des 17. Jahrhunderts büßte auch die Festung Graz ihren Rang ein. Der 1578 errichtete Grazer Hofkriegsrat wurde 1709 dem Wiener Hofkriegsrat unterstellt und 1744 durch ein Militärdirektorium ersetzt. Ebenfalls ab 1709 wurden der innerösterreichischen Hofkammer wichtige Agenden von der Wiener Hofkammer entzogen, wie das Kassenwesen für die Staatseinnahmen. 1748 wurde die Grazer Behörde aufgehoben. Auch die innerösterreichische Regierung wurde im 18. Jahrhundert grundlegend verändert: Die politische Verwaltung wurde auf die Geheime Stelle übertragen, die Regierung blieb als Justizstelle bestehen. 1763 wurde in Graz das innerösterreichische Gubernium errichtet und 1782 reformiert. 1850 nahm als Nachfolgebehörde die Statthalterei ihre Tätigkeit in Graz auf.
1784 wurden unter Joseph II. die Festungswerke aufgehoben, die Wälle in der Folge (ab 1787) mit Bäumen bepflanzt und das Glacis zur Promenade umgestaltet (151). Zugleich wurde damit auch die Entwicklung der Vorstädte eingeleitet wurde (siehe z. B. Bezirk Jakomini). Nach dem Frieden von Schönbrunn wurden 1809 die Festungswerke auf dem Schloßberg, die schon 1805 gesprengt werden sollten, größtenteils geschleift. Der Glocken- und Uhrturm wurde den Franzosen von den Grazer Bürgern um 2978 fl. abgekauft. Ab 1839 wurden die noch vorhandenen Trümmer der Festung zur Parkanlage umgestaltet. Der Schloßberg ist seit 1885/92 Eigentum der Stadtgemeinde Graz. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts förderten die Initiativen Erzherzog Johanns die Ausbildung einer modernen Stadt (Landesmuseum mit Bibliothek und späterer Technischer Hochschule, erneuerte Universität, Wechselseitige Brandschadenversicherungsgesellschaft u. a.). Die Eröffnung der Eisenbahn (1844) wie die zunehmende Industrialisierung brachten der Stadt einen neuen Entwicklungsschub, starkes Bevölkerungswachstum war die Folge. Die bisher von Bürgern, Handwerkern und Studenten geprägte Stadt erhielt neue Funktionen. Gleichzeitig verlagerte sich der Bevölkerungsschwerpunkt auf die vorstädtischen Bezirke. Hatte Graz am Ende des 15. Jahrhunderts etwa 5000 Einwohner, so zählte es um 1850 etwa 40.000 Einwohner. Durch die Verbauung und Eingemeindung der stadtnahen Gebiete vergrößerte sich das Areal von Graz auf das Sechsfache.
(151) H. EBNER, Burgen und Schlösser. Graz, Leibnitz, Weststeiermark (Steiermark III), 2., erw. Aufl., 1981, S. 42 ff.
Von der Bastionenbefestigung blieb verhätnismäßig viel bewahrt, so zum Beispiel die noch gut erhaltene Paulustorbastei-Kriegsstellebastei. Während von der Karmeliterbastei wenig erhalten blieb (Teil der Escarpemauer zwischen Paulustor und Parkring 10), ist die Burgbastei (Burg- oder Kaisergarten) fast unversehrt. Die Stelle des einstigen Wassergrabens wurde gärtnerisch gestaltet. An der Stelle der Glacis entstanden wie schon erwähnt Alleen (1787) und der Stadtpark (1869). Auf der eingeebneten Dietrichsteinbastein (Grillbühelbastei) und auf der Landschaftsbastei wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Häuser entlang des Opernringes gebaut. Da zur Zeit ihrer Errichtung noch der Wassergraben bestand, haben diese Häuser keine Ausgänge nach Süden. Gerade diese Ansätze zu einer Grazer Ringstraße und die Verbauung des Botanischen Gartens (ehemalige Glacisgründe im Südwesten der Altstadt) zeigen mit ihren historischen Prachtbauten den Repräsentationswillen des späten 19. Jahrhunderts. Die südlichen und westlichen Basteien (Bürger- oder Adlerbastei, Kälberneviertelbastei, Neutorbastei) sind bis auf wenige Reste am heutigen Schloßbergkai beim äußeren oder dritten Sacktor verschwunden. Die Wälle (Schanzen) vor den Stadtgräben lassen sich noch heute am Verlauf der Dammallee im Stadtpark deutlich erkennen. Im Gegensatz zu den Basteien blieb von den zahlreichen mittelalterlichen Türmen und Toren nur das Äußere Paulustor erhalten, wo der Festungsgraben 30 m tief gewesen sein soll. Das Murtor bestand bis 1837, das Innere Paulustor wurde 1840 abgetragen, das erste Sacktor bereits 1702, das zweite Sacktor 1835 und das Eiserne Tor 1860. Als letztes Tor wurde 1886 das Neutor abgebrochen.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde die historische Dreiheit der Machtzentren (Burg als Statthalterei, Landhaus und Rathaus) auf zwei Ebenen reduziert: Land (Burg und Landhaus) und Gemeinde (Rathaus, Amtshaus). Neben den Bomben des 2. Weltkriegs haben auch die „mutigen” Fehlentscheidungen der 60er Jahre das Bild des 1. Bezirks nachhaltig verändert. Die räumliche Überschneidung von Altstadt und City brachte viele Interessenkollisionen für den gesamtstädtischen Identifikationsraum. Insgesamt hat der 1. Bezirk jedoch sein Aussehen bewahrt.
Entwicklung der Vorstädte seit Joseph II.
II. Bezirk St. Leonhard (152)
(152) Die Beschreibung der Bezirke fußt auf K. A. KUBINZKY, Beiträge zur G.er Bezirksgeschichte, in: G. Geschichtsbilder einer Stadt, 1987. Den besten Überblick über die Grazer Kirchen bietet neben dem DEHIO, G., R. LIST, Steirischer Kirchenführer, Bd. 1: G., G.-Umgebung, 1976, weiters sei verwiesen auf KUBINZKY, Mit dem Ballon über G., 1991, sowie auf den kurzen, aber kenntnisreichen Grazführer von W. SEMETKOWSKI, G. Ein Führer durch die Stadt und ihre Umgebung, 3. Aufl., 1949.
Der Bezirk wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom Bezirk Jakomini abgetrennt. Die Deutschordenskommende am Leech hatte in St. Leonhard umfangreiche Besitzungen, ebenso die Jesuiten und die Dominikanerinnen. 1548 und 1662 wurden etliche Häuser im Vorfeld der Stadt zerstört, um mögliche Angriffe der Türken besser abwehren zu können. Das Glacis reichte bis zum Mandellgarten (Alte Technik). Ab 1795 begann die Verbauung des Glacis: Erzherzog Johann ließ 1841/42 an der Leonhardstraße das Palais Meran als Stadtwohnsitz errichten (seit 1963 Musikhochschule), 1843/45 wurde vom selben Architekten – Georg Hauberrisser d. Ä. – das Palais Kees erbaut (heute Militärkommando Steiermark). 1841 wurde die später nach der Kaiserin benannte Elisabethstraße angelegt, an der Adelige ihre Stadtpalais errichten ließen. 1881 wurde der Grundstein zur neogotischen Herz-Jesu-Kirche gelegt (vollendet 1891). 1846 kam der Orden der Frauen vom Heiligsten Herzen Jesu aus Paris nach Graz, die Kloster, Frauenoberschule und Internat begründeten (heute Gymnasium, Volksschule und Kindergarten). Ihre Hauskirche Sacre Coeur wurde 1851 erbaut. 1900 überließen die Ursulinen ihre Kirche im Zweiten Sack den Schulschwestern und zogen in die Leonhardstraße, wo Kloster, Hauskirche, Schulen und Internat untergebracht wurden. Das Patrozinium wurde von der alten Ursulinenkirche (Hl. Dreifaltigkeit) übernommen.
Im Bezirk befinden sich drei Grazer Friedhöfe, der 1787 als Ersatz für die innerstädtischen Friedhöfe errichtete Stadtfriedhof St. Peter, der benachbarte, 1856 errichtete evangelische Friedhof und der Friedhof St. Leonhard.
1840/41 entstanden in der Leonhardstraße zwei Reiterkasernen; noch in der ersten Republik war hier die Dragonerschwadron Nr. 5 untergebracht. 1963 mußte die Halle der k. k. Reitschule einem Wohnhaus (Leonhardstraße 80) weichen.
III. Bezirk Geidorf
Der seit 1899 nach dem mittelalterlichen Geidorf in der Nähe der Leechkirche benannte Bezirk umschließt die innere Stadt im Norden und Nordosten. Mit Graben-, Geidorf- und Leechviertel ist der Umfang umschrieben. Unmittelbar an den Schloßberg grenzte im Norden der von Friedrich III. angelegte Tierpark, der im 17. Jahrhundert aufgelassen, aber erst im 19. Jahrhundert verbaut wurde. Geidorf ist mit seinen Villen am Rosenberg das Nobelviertel der Stadt, in dem auch berühmte Exilanten lebten wie der spanische Burbonenprinz Don Alfonso oder Graf Hartenau (Prinz Alexander von Battenberg, Fürst von Bulgarien). Bis ins 19. Jahrhundert wurde am Reinerkogel und am Rosenberg Weinbau betrieben. In der Nähe der Kirche St. Leonhard wurde 1902 bis 1912 das lange Zeit größte Krankenhaus Europas mit 43 Bauten – darunter die Erlöserkirche im Stile Otto Wagners – errichtet. Ebenfalls in Geidorf-Leechviertel befindet sich die neue Karl-Franzens-Universität, die 1894/95 besiedelt wurde. Damit wurde aus der ländlichen Vorstadt des südlichen Geidorf ein belebtes Universitätsviertel (zweitgrößte Universität Österreichs). Das Meerscheinschlössl, heute zur Universität gehörig, war am Ende des 16. Jahrhunderts Sommersitz des päpstliche Nuntius. Die Nuntiatur selbst lag in der Stadt am Karmeliterplatz, an der Ecke zur Paulustorgasse. Zur Universität gehört auch der botanische Garten mit dem eben fertiggestellten neuen Palmenhaus in der Schubertstraße. Die frühgotische Leechkirche wurde in anderem Zusammenhang bereits erwähnt. Die Pfarrkirche St. Johann am Graben war ursprüglich ein Kapuzinerkloster (erb. 1648–1652). Hauptstifter war der innerösterreichische Hofkammerpräsident Sigismund Ludwig Graf Dietrichstein. Mit der Klosteraufhebung 1786 wurde die Grabenkirche Pfarre. In der äußeren Grabenstraße befinden sich das Karmeliterinnenkloster mit der Kirche St. Josef (erb. 1836 von Hauberrisser d. Ä.) und das Karmeliterkloster mit der Kirche Maria Schnee (erb. 1765–1770). Die Karmeliter haben die Kirche 1842 mit dem damals errichteten Klostergebäude übernommen.
Die frühe Grazer Industrie war gleichfalls im Bezirk Geidorf beheimatet, längs des Mühlganges in der Körösistraße (benannt nach dem Gründer der Andritzer Maschinenfabrik, gegr. 1853). Nr. 38 war am Ende des 16. Jahrhunderts ein Streck- und Zainhammer, von 1790 an Papiermühle. Weitere Betriebe am Mühlgang waren die Kettenschmiede Frankl, die Niedersche Nadlerei, ein Sägewerk, die Nagelfabrik Schafzahl-Greinitz (Nr. 58), die Kettenfabrik Pengg-Valenta und die Hauptmühle. In der Herdergasse befand sich der größte Industriebetrieb der Stadt: die 1825 gegründete Zuckerraffinerie, die auch die erste Dampfmaschine in Graz in Betrieb nahm. Am Hilmteich existierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Lehmgrube für die Ziegelproduktion.
In der Theodor-Körner-Straße sind die Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt des Bundes- sowie das Unfallkrankenhaus der Arbeiterunfallversicherung (heute: Pensionistenheim; das neue Unfallkrankenhaus befindet sich seit Ende der 80er Jahre im Bezirk Eggenberg, Göstinger Straße) zu erwähnen. Im Geidorfviertel liegen zudem das Sanatorium Hansa und das Sanatorium der Kreuzschwestern mit der neugotischen Kirche im Mutterhaus.
IV. Bezirk Lend
Die alte Murvorstadt, die im Mittelalter nur durch Graben und Zäune gesichert war, sollte zwar einen Mauerring erhalten, doch scheiterten diese Pläne am Geldmangel, ebenso wie das Vorhaben, diesen Stadtteil zum Schutz der Stadt zu schleifen. 1578 wohnten 99 von 412 Vollbürgern in der Murvorstadt, die immer wieder vom Hochwasser der Mur und der Mühlgänge heimgesucht wurde. Trotz fehlendem Mauerring siedelten eine Reihe von Orden im Westen der Stadt, wenn auch nicht ganz freiwillig. 1515 wurden die Minoriten im Vorfeld der Reformation aus der Stadt vertrieben und fanden Aufnahme bei den Eggenbergern, die am Lend große Besitzungen hatten. Mit dem Bau von Kirche und Kloster konnte allerdings erst 1607 begonnen werden. Das Stadtkloster beim Murtor übernahmen die Franziskaner. Im Norden des Bezirkes wurde 1606 durch die Bruderschaft Maria Reinigung der Kalvarienberg errichtet. Spital und Konvent der Barmherzigen Brüder stiftete 1615 Ferdinand II., 1636 wurde die Barmherzigenkirche Maria Verkündigung geweiht. 1912/1914 wurde die evangelische Kreuzkirche am Volksgarten für die Pfarre Graz-Rechtes Murufer errichtet.
Die Handwerksbetriebe am rechten Murufer waren die Vorläufer der modernen Industriebetriebe im Bezirk Lend. 1844 erhielt Graz seinen Eisenbahnanschluß; der Bahnhof entstand am Westrand des Bezirkes. 1854 war die Strecke durchgängig bis Wien befahrbar, 1857 bis Triest. In Bahnhofsnähe wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Kasernenviertel (u. a. Laudonkaserne) erbaut, heute sind die meisten militärischen Gebäude abgebrochen. Um die Jahrhundertwende betrug der Personalstand der Grazer Garnison rund 5000 Mann. Der Bahnhof förderte auch die Ansiedlung der Industrie, so entstanden im 19. Jahrhundert im Bezirk Lend unter anderem das Schienenwalzwerk der Südbahngesellschaft, die Schuhfabrik Humanic (1870) und die Brückenbauabteilung der Maschinenfabrik Andritz (1872), heute Waagner-Biró. Im Zuge der Stadterweiterung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfügte der Bezirk auch über bedeutende Freiflächen für den Wohnbau. Im Zweiten Weltkrieg litt der Bezirk Lend als Industrie- und Bahnhofsstandort schwer unter den alliierten Luftangriffen. Seit 1938 existiert in der Wienerstraße die Firma Salis & Braunstein, heute der größte Opelhändler Österreichs. Gleich in der Nähe hat die Firma AVL für Verbrennungkraftmaschinen, Meßtechnik und Motorenentwicklung ihren Sitz.
V. Bezirk Gries
Die Bezirke Lend und Gries werden durch die Annenstraße getrennt, die 1846 vom Mühlgang durch Gärten zum Bahnhof gebaut und nach der Gemahlin Kaiser Ferdinands benannt wurde.
1586 mußten die Dominikaner in der Herrengasse der Stadtpfarre weichen, weil die Jesuiten die alte Stadtpfarre St. Ägydius zugewiesen erhielten. Sie entschieden sich für die Ansiedlung in St. Andrä, eine seit dem Mittelalter bestehende Vorstadtkirche. Die Bürgerspitalsstiftung (erwähnt 1350) mit der Kirche zum Hl. Geist (1461/1498) war mit großem Grundbesitz ausgestattet, überlebte alle Krisen – so das Ende der eigentlichen Spitalsstiftung 1787 – und gehört heute der Benefizialstiftung der Stadtgemeinde Graz. Vom Ende des 17. Jahrhunderts stammt die Elisabethinen-Spitalsstiftung der Maria Theresia Gräfin Leslie. Die Kirche ist ein Neubau aus den Jahren 1889 bis 1882. 1721 bis 1725 wurde die Welsche Kirche zum hl. Franz de Paula von der welschen Bruderschaft der Minimen errichtet, die ihre Andachten davor in der Ursulinenkirche abgehalten hatte. 1755/56 wurde die Pfarrkirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit in der Karlau erbaut. 1934 wurde das Gebäude des 1775 errichteten Pulvermagazins in die Kirche Don Bosco der Salesianer umgestaltet. Die Pfarrkirche (Pfarre seit 1939) zum gekreuzigten Heiland am Zentralfriedhof wurde 1898 geweiht. Der Friedhof selbst wurde 1892 fertiggestellt. Der Steinfeldfriedhof wurde ab 1787, nach Auflassung der innerstädtischen Friedhöfe, von den Bewohnern der Murvorstadt benutzt. Im Griesviertel stand auch die in der Reichskristallnacht zerstörte Synagoge, an die heute eine Gedenktafel bei der Augartenbrücke erinnert. Rund ein Drittel der bekennenden Grazer Juden wohnte bis 1938 im Bezirk Gries.
Zum Bezirk gehört die Strafanstalt Karlau, ein ehemaliges Lustschloß Erzherzog Karls II. von Innerösterreich (erb. 1584/90), das von einem großen Tierpark umgeben war. An den Tiergarten erinnern heute noch die Straßenbezeichnungen „Auf der Tändelwiese”, benannt nach dem Damwild (Deinl, Deindl), und der weiter südlich gelegene „Tiergartenweg”. 1769 wurde aus dem Schloß ein Arbeitshaus, während der Franzosenkriege 1803 ein Strafhaus, weil die Kasematten am Schloßberg für militärische Zwecke benötig wurden.
Im 19. Jahrhundert wurde der Bezirk Gries Standort bedeutender militärischer Einrichtungen. Das ehemalige Dominikanerkloster wurde Infanteriekaserne, daneben entstand 1808 die Dominikanerkaserne, in der gegen Ende der Monarchie das mohammedanische Infanterieregiment Nr. 2 aus Bosnien-Herzegovina untergebracht war. An der Ecke Karlauerstraße-Köstenbaumgasse befand sich das k. k. Remonten- und Staatshengstendepot. In der Lazarettgasse entstand ein Artilleriezeugsdepot, am Lazarettfeld eine Artilleriekaserne.
1860 entstand der Graz-Köflacher Bahnhof als Umschlagplatz der weststeirischen Kohle neben der Waggon- und Maschinenfabrik Johann Weitzer (1854), heute Simmering-Graz-Pauker AG, ein Betrieb der Verstaatlichten Industrie, der auf Waggon- und Lokomotivbau spezialisiert ist. 1899 gründete Johann Puch im Süden des Bezirkes (Puchstraße) ein Fahrradwerk, 1903 wurde die Fabrikation von Motorrädern, 1907 von Automobilen aufgenommen. 1928 erfolgte die Fusion mit Austro-Daimler, 1934 mit den Steyr-Werken. Nach 1945 wurde die Produktion im Werk Thondorf, Bezirk Liebenau, (err. 1940/41) wiederaufgenommen. Die Produktpalette reichte von Fahrrad und Motorroller über den Fiatnachbau Puch 500 und allradbetriebene Militärfahrzeuge bis zum Nobelgeländeauto Mercedes/Puch G. An der Mur, östlich der Strafanstalt Karlau, befindet sich das städtische Schlachthaus, das an der Stelle der alten Walke (1752–1870) des Tuch- und Kotzenmacherhandwerkes errichtet wurde. Die Walke der Strumpfstricker lag am Mühlgang beim Karlauerplatz.
Die Siedlungen im Bereich der Triesterstraße wurden in der NS-Zeit zu bauen begonnen und sollten umgesiedelte Südtiroler aufnehmen. Eine Reihe von Gebäuden wurde erst nach 1945 fertiggestellt. Durch die Bezirke Lend und Gries führen – von Nord nach Süd mit der Wiener Straße und ihrer Fortsetzung Bahnhofgürtel, Eggenberger Gürtel, Lazarettgürtel, Triester Straße und der vom Eggenberger Gürtel abzweigenden Kärntner Straße die verkehrsreichsten Straßen von Graz. Der Bau der Pyhrnautobahn mit dem Plabutschtunnel brachte zumindest die Entlastung vom Durchzugs-Schwerverkehr.
VI. Bezirk Jakomini
Der Name des Bezirkes geht auf den Grazer Unternehmer Caspar Andreas von Jacomini zurück, der 1785 die Gründe des aufgehobenen Dominikanerinnenklosters vor dem Eisernen Tor ersteigert hatte und den Neuhof (Jakominiplatz 16) erbaute. Bis in die 80er Jahre war die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung im Neuhof untergebracht. Der Platz südlich vor dem ehemaligen Eisernen Tor trägt den Namen Jakominiplatz; der frühere Name Josephsplatz (nach Kaiser Joseph II.) wanderte zum Holzplatz bei Opernhaus und evangelischer Heilandskirche ab. Vor dem Neutor gab es den Neutorplatz (am sogenannten Radetzkyspitz rudimentär erhalten) und südlich den Zimmerplatz mit der Holzlände an der Mur (Zimmerplatzgasse, Roseggerkai, Augarten). Südlich des Jakominiplatzes entwickelte sich dichtere Besiedlung entlang des Grazbaches. Die heutige Grazbachgasse überwölbt den Grazbach und zeichnet den unterirdisch geführten Bachverlauf nach. Der Grazbach mündet beim Augarten in die Mur. 1921 bis 1928 wurde die Neue Technik errichtet, 1990 wurde der mehrfach erweiterte Universitätskomplex mit dem Bau des Instituts für Biochemie und Biotechnik ergänzt. Der dritte TU-Komplex befindet sich zwischen Sand- und Inffeldgasse (erb. 1970–1980). Die TU teilt sich das Areal mit dem Wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasium und der Volks- und Hauptschule Brucknerstraße.
Älter als die Jakominivorstadt, die sich erst ab 1784 entwickeln konnte, als die Festung Graz aufgelassen wurde, ist das Kloster der Unbeschuhten Augustiner in der Münzgrabenstraße. 1673 legte Kaiser Leopold I. den Grundstein zum Kloster, 1705 wurde die Kirche St. Anna geweiht. 1807 mußten die Augustiner das Haus aus Personalmangel aufgeben. Die Dominikaner traten an ihre Stelle, mußten aber 1832 den wieder zugelassenen Jesuiten weichen, die 1848 gewaltsam vertrieben wurden. Das Kloster wurde Militärspital, dann Monturdepot, ehe es 1857 wieder an die Dominikaner kam. Am 1. November 1944 wurde die Kirche durch Bomben zerstört. 1950/53 errichteten die Dominikaner eine neue Kirche, die dem Unbefleckten Herzen Maria geweiht ist und auch als Fatimakirche bezeichnet wird. Die Pfarrkirche St. Josef am Schönaugürtel wurde zwischen 1903 und 1908 im Stile der Neorenaissance erbaut, da das Bevölkerungswachstum eine Teilung der Pfarre St. Anna am Münzgraben erforderlich gemacht hatte. In der äußeren Jakominigasse (Conrad-von-Hötzendorf-Straße) wurden Ende des 19. Jahrhunderts das Straflandesgericht und das Finanzamt errichtet.
1873 wurde die Trasse der königlich ungarischen Westbahn nach Graz geführt, der Ostbahnhof in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße ist noch weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten. 1880 erwarb der Verein Industriehalle das Areal des heutigen Messegeländes und veranstaltete die 2. Industrie- und landwirtschaftliche Ausstellung, der 1906 die nächste Großausstellung folgte. 1948 wurde die erste Messe nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet. Das Areal wurde um große Teile der ehemaligen Trabrennbahn erweitert, das Moserhofschlößl wurde ebenfalls in die Messe einbezogen. Ein Rest der Rennbahn bildet den Fußballplatz des SK Sturm.
Groß-Graz
Der Wunsch nach einem Groß-Graz, also einer Stadt, die mehr als die traditionellen 6 Stadtbezirke umfaßt und die Randgemeinden eingliedert geht bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück (1891). 1910 forderte das städtische Amtsblatt eine Stadterweiterung, und 1918 wünschte der Grazer Gemeinderat, daß der Landtag Groß-Graz bilden sollte. Besonders der Langzeitbürgermeister Vinzenz Muchitsch rief in der Zwischenkriegszeit nach der Eingemeindung der Stadtrandgemeinden.
Nach dem Anschluß Österreichs 1938 wurde innerhalb weniger Monate Groß-Graz gebildet. 13 ehemals selbständige Gemeinden hatten zu bestehen aufgehört, 4 Gemeinden wurden durch Teilungen verändert. Das neue Groß-Graz von 1938 wurde nach stadtplanerischen Gesichtspunkten ohne Berücksichtigung der traditionellen Gemeinde- und Stadtbezirksgrenzen in 8 Großbezirke unterteilt. Die Diskussion über eine weitere Vergrößerung der Stadt verstummte auch nach 1938 nicht. 1942 wurde die Stadt im Südosten nochmals (Eingemeindung von Neudorf und Thondorf nach Liebenau) erweitert, um das neue Werksgelände Thondorf der Steyr-Daimler-Puch AG nach Graz zu bekommen. Graz erreichte damit den heutigen Umfang von 127,52 km2. 1946 wurden die Bezirksgrenzen weitgehend wieder auf die historischen Einheiten zurückgeführt. Die Konstruktion der 16 Stadtbezirke (VII. Liebenau, VIII. St. Peter, IX. Waltendorf, X. Ries, XI. Mariatrost, XII. Andritz, XIII. Gösting, XIV Eggenberg, XV Wetzeisdorf und XVI. Straßgang) entstand. Seit 1986 gibt es mit Puntigam einen XVII. Bezirk. Auch im Zusammenhang mit Großsiedlungen am Stadtrand, etwa beim Berlinerring (erb. 1972, Ries/Waltendorf) wurde über die Sinnfälligkeit der traditionellen Bezirksgrenzen diskutiert. Das Spitzenwachstum am Stadtrand, besonders im Südwesten, hat die jetzigen Stadtgrenzen aber bisher nicht in Frage gestellt. Graz hatte nach der letzten Volkszählung 1991 ingesamt 239.607 Einwohner (im Vergleich zu 237.810 Einwohner 1981).
Bereits am Anfang dieses Jahrhunderts entstanden größere Siedlungen, etwa mit dem Villenviertel „Gartenstadt” auf den um die Jahrhundertwende noch landwirtschaftlich genutzten nördlichen Petrifeldern im Bezirk St. Peter, wo sich seit 1929 auch eine Sendeanlage befindet, die 1978/81 durch Architekt Gustav Peichl zum Landestudio Steiermark des ORF in der Marburger Straße umgestaltet wurde. In den 30er Jahren entstand in der Bucht östlich des Ölberges die Wetzelsdorfer Villensiedlung (Cottage). Damit wurde hier erstmals im Stil des Stadtrandes gebaut. Neben der bereits erwähnten Berlinerring-Siedlung (1972) entstanden in den letzten Jahren mehrere kleine Siedlungen, so zum Beispiel rund um die Achse der Waltendorfer Hauptstraße. Die neuen Teile der Eisteichsiedlung, die wie der Berlinerring auch ein eigenes Seelsorgezentrum besitzt, liegen an der Plüddemanngasse.
Zusätzlich zu den bereits erwähnten Friedhöfen wurden aufgrund der zunehmenden Bevölkerung neue Friedhöfe angelegt, so 1864/65 an der Kreuzung Wetzelsdorfer Straße-Alte Poststraße der Friedhof der Israelitischen Kulturgemeinde. 1933 entstand in der Harterstraße der evangelische Wald-Friedhof (Wetzelsdorf).
In Straßgang befindet sich die ab 1870 erbaute Landesheil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke „Am Feldhof” (heute: Sonder-Landes-Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie). Mit 1600 Betten, einem eigenen Kraftwerk, einem Wasserturm und sogar einem kleinen Betriebsschienennetz, war „der Feldhof” eine von der Landgemeinde weitgehend isolierte, eigene kleine Stadt.
Den Westen der Stadt dominieren dagegen die großen Kasernen – Hummel- und Belgierkaserne (Wetzelsdorf) sowie das militärische Übungsgelände um den Feliferhof (ursprünglich Hofsteten- oder Augustinerhof, 1872 tauschte ihn die Stadt gegen das Stadtparkgelände ein, das noch unter Militärverwaltung stand) und Gablenzkaserne (Straßgang).
Hier im Westen befindet sich auch Schloß Eggenberg, in dem sich Reste einer älteren Anlage befinden. Das heutige Schloß wurde 1685 vollendet. Seit 1939 ist es in Landesbesitz und beherbergte während des 2. Weltkriegs kurz die Hochschule für Musikerziehung. Seit 1953 ist die renovierte Schloßanlage wieder öffentlich zugängig. Hier befinden sich die Joanneumsabteilung für Vor- und Frühgeschichte, die Münzsammlung und ein Jagdmuseum.
Im Bezirk Eggenberg liegt auch die Brauerei Reininghaus auf dem Steinfeld. 1852 übernahmen die Brüder Reininghaus eine kleine Brauerei am Stadtrand, die in den folgenden Jahrzehnten eine enorme Ausweitung der Anlage und Produktion erfuhr. Heute ist der Betrieb Teil der Steririschen Brau AG. Während das „Reininghauser” in Puntigam gebraut wird, sind andere Produktionen wie die Mälzerei – hier konzentriert. Die Brauerei Puntigam selbst, heute ebenfalls Teil der Steirischen Brau AG und zugleich einer der größten Betriebe der Stadt, wurde 1838 südlich von Wagram begründet (Bezirk Puntigam). Nach der Eröffnung der Bahnlinie Graz-Cilli der k. k. priv. Südbahngesellschaft 1846 errichtete die Brauererei 1859 auf eigene Kosten eine kleine Bahnstation. 1889 erwarb die Erste Grazer Aktienbrauerei den Betrieb. 1943 kaufte ihn die Familie Reininghaus und fusionierte ihn mit den Anlagen auf dem Steinfeld. Bereits um die Jahrhundertwende hatte die Familie Reinighaus auch die 1874 in Rudersdorf (Bezirk Puntigam) errichtete, zweite Brauerei erworben und zu einer großen Mälzerei ausgebaut.
Daneben siedelten sich in den Randbereichen von Graz auch die großen Industriegebiete an, wie das bereits erwähnte Werksgelände Thondorf im Südosten der Stadt (Liebenau), das in Graz der größte Arbeitgeber der Industrie ist, und die Eisengießerei und Maschinenfabrik Andritz im Norden, die von Josef Körösi (1811–1868) errichtet wurde und den Bezirk Andritz nachhaltig veränderte. Auf dem Grund der Trummermühle entstand zuerst eine Messingfabrik (1852/53), 1872 entstand beim Bahnhof eine eigene Brückenbauabteilung, die 1900 verkauft wurde (Waagner-Biró). 1883 wurde die Andritzer Maschinenfabrik an die Alpine Montan verkauft. 1944 machte der Zivilanteil der Produktion nur mehr 15% aus. In der Nachkriegszeit waren es besonders Großturbinen, Pumpen und (Papier-)Maschinen, die Erfolg und Ansehen brachten. Einen Höhepunkt erreichte der Betrieb um 1980, als hier 2400 Personen beschäftigt waren. In Andritz wurde 1790 auch eine Papiermühle am Mühlgang durch das Ehepaar Pürker errichtet, die 1939 als Brüder Kranz AG durch die Familie Czerweny-Arland erworben. Mit Hilfe von ERP-Krediten konnte nach 1945 der Betrieb erweitert werden und hieß 1948 Arland Papier- und Zellstoffabrik AG. Seit 1983 wird hier unter neuer Leitung und unter dem Namen Papierfabrik Graz produziert.
Neben verschiedenen Ausflugszielen im Umkreis von Graz hatte bis 1913 der Bezirk Mariatrost mit seiner gleichnamigen Kirche – in Konkurrenz zum Kalvarienberg – als Wallfahrort einige Bedeutung. Die 1687 von Stift Rein gestiftete Muttergottestatue konnte 1719 in den Rohbau der Kirche übertragen werden, die 1746 – noch immer nicht ganz fertig – eingeweiht wurde. 1786 wurde das Kloster im Rahmen der josephinischen Reformpolitik aufgelassen und unter ungünstigen Bedingungen als Pfarre weitergeführt. 1846 erhielten die Franziskaner das Niederlassungsrecht. Sie stellten das Kloster fertig.
Wesentliche Bedeutung für Graz hatte von jeher der Weinbau, der in den Randgemeinden in teilweise sehr großem Ausmaß betrieben wurde, so etwa in der heutigen Katastralgemeinde St. Veit (17 ha), ebenso in Algersdorf und Wetzelsdorf (bei der Steinbergstraße am Gritzen Kogel und besonders am Osthang des Ölberges). Mit 37 ha und 52 Besitzern befand sich laut Franziszeischen Kataster in der Katastralgemeinde Webling im 19. Jahrhundert das Zentrum des Weinbaues am Westrand von Graz. 39 Eigentümer von Weingarten nennt diese Quelle in der Gemeinde Gösting. Der Großteil der Weingärten befand sich hier in der Ried „Weinberg” an der östlichen Abdachung des Flößerkogels, der „Weinbergweg” erinnert noch heute daran. Ein Großbesitzer an Rebland war zum Beispiel das Stift Admont mit der Herrschaft von St. Martin. In der Ried „Kehlberg” der Südabdachung des Buchkogels befand sich besonders viel Rebland (heute: Straßenname „Am Weinhang”), während es in Unterandritz, Weinitzen und Wenisbuch vergleichsweise nur wenige Weinkulturen gab. Während der Weinanbau immer mehr zurückgedrängt wurde, sind große Teil von Graz auch heute noch mit Wald bedeckt, so hat etwa der Bezirk Gösting einen Waldanteil von 56%.
Gerald Gänser †
Anmerkungen
(1) F. EBNER und W. GRÄF, Die erdgeschichtliche Entwicklung des Grazer Raumes, in: 850 Jahre Graz 1128–1978. Festschrift hg. v. W. Steinbock, 1978, 19.
(2) Niederwerfung des Slavenaufstandes durch Herzog Tassilo.
(3) Ende des selbständigen karantanischen Fürstentums, Übernahme der Verwaltung durch karolingische Grenzgrafen.
(4) Abzulehnen ist die Interpretation Fritz Popelkas, der aus dem Stadtnamen Graz eine „kleine und unansehnliche (!) Fluchtburg der Slowenen” erschließt. F. POPELKA, Geschichte der Stadt G. Bd. I, 2. Aufl. 1959, S. 268. Abgesehen von der, dieser zitierten Aussage innewohnenden, detrektiven Beurteilung der namengebenden Population, die grundsätzlich abzulehnen ist, muß darauf hingewiesen werden, daß sich ein gentiler Verband namens Slowenen in der fraglichen historischen Zeit noch nicht aus den Alpenslawen herausgebildet hat, zumindest aber eine derartige historische Bezeichnung fehlt. Gegen slawische Fluchtburgen hat sich Fritz Posch gewandt, ohne jedoch zureichende Gründe anführen zu können. F. POSCH, Die Besiedlung des G.er Bodens und die Gründung und früheste Entwicklung von G., in: 850 Jahre G. (wie Anm. 1), S. 67 ff. Das in fast allen slawischen Sprachen ähnlich verstandene Wort grad für Burg schließt das Vorhandensein solcher Burgen jedenfalls nicht aus. Im gegebenen historischen Kontext bayerisch-fränkischer Oberhoheit über die seit 741 dreimal unterworfenen Slawen, die, wenn man so will, durch die Christianisierung ein viertes Mal unterworfen wurden, wird man wohl an eine karantanisch-bayerisch-salzburgische Wehranlage denken dürfen, die das zu bekehrende Volk „Graz” benannte, und zwar zu einem Zeitpunkt, als sich die Methoden und Moden der bairischen Namengebung in unserem Raum noch nicht durchgesetzt hatten.
(5) MGH DLD, n. 102, Mattighofen, 860 November 20.
(6) MGH DLD, n. 115, Mattighofen, 864 Oktober 2.
(7) Man wird sich Poschs Interpretation nicht anschließen können, daß Graz zum Schutz einer „Haupteinfallsstraße der Ungarn” errichtet worden sei (wie S. 74, Anm. 3), ebensowenig wie seiner Definition einer Grenze, deren Wart- und Spiegelberge westlich der Mur der Verteidigung der Wasserscheide zwischen Mur und Raab östlich des Flusses dienlich sein sollten. Dazu kommt, daß die mit Straß gebildeten Ortsnamen ohnehin allesamt älter sein dürften als das erste Anzeichen einer Ungarngefahr, wie das 860 genannte und weit ältere Straßengel beweist. Nicht beweisbar ist allerdings die sprachliche Gleichung Strascha – Straß. Straßgang bedeutet ebensowenig Warte wie Straßengel. (S. 72). Heinrich Purkarthofer hat schon 1968 am IfÖG eine Arbeit über die Grenze der Mark an der Wasserscheide zwischen Mur und Raab, am „Mons Predel” verfaßt, die Posch zwar kannte, aber nicht zitierte, und die leider erst 1979 im Druck erschien: H. PURKARTHOFER, Mons Predel. Zur Siedlungsgeschichte des Gebietes der Wasserscheide zwischen mittlerer Mur und Raab, in: Siedlung und Herrschaft. (Verö ff. d. StLA 9, 1979) S. 3–91. Purkarthofer weist zum Beispiel nach, daß Eggersdorf, an der Verbindung Graz-St. Ruprecht, einer älteren Siedlungsform angehört als die üblicherweise für die Oststeiermark konstatierten Siedlungstypen des 12. Jahrhunderts. Letztlich zeigt er, daß Ungarneinfälle, wenn überhaupt, nicht weiter als bis zur nassen Grenze der Raab wirksam waren, daß sich Siedlungskontinuität auch in Teilen der Oststeiermark bis ins 9. Jahrhundert erweisen läßt.
(8) MGH DLD, n. 99, Ranshofen, 859 Oktober 1.
(9) G. GÄNSER, Das Diplom Ludwigs des Deutschen von 851 für Erzbischof Liupramm von Salzburg, in: ZHVSt 80, 1989, S. 10.
(10) SUB I, Codex Odalberti, n. 57, Maria Saal, 927 Mai 9/10.
(11) C. L. BETHMANN, Die Evangelienhandschrift zu Cividale, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde II, 1877, S. 121, Uuitgauo comes (fol 5').
(12) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 5 ff.
(13) Siehe Quellenzusammenstellung in MDC III, n. 101, Wels, 943 August 12.
(14) MGH DO I., n. 389 = SUB II, n. 53, Pavia, 970 März 7. GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 23f.
(15) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 18f.
(16) MGH DO IL, n. 275, Tarent, 982 Mai 18; DO III., n. 1, Mainz, 984 Oktober 7.
(17) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9) S. 20 f.
(18) Die kunsthistorischen Zuweisungen reichen von Großmährisch bis Renaissance; vgl W. DEUER, Der romanische Kirchenbau in der Steiermark, Phil. Diss. Wien 1982, S. 205.
(19) D. KRAMER, Bermerkungen zur Mittelalterarchäologie in der Steiermark, 1. Teil: Burgenarchäologie und Hengistburgfrage, in: ZHVSt 83, 1992, S. 41–82. Graz = Gradec = kleine Burg klingt im Zusammenhang mit dem heute noch gewohnten Bild des Schloßberges unwahrscheinlich, doch trug der Dolomitfels im Hochmittelalter mit Sicherheit mindestens zwei Burgen und einen Teil der Stadtbefestigung. Der von Posch konstatierte Turm „in der Mitte der Schlösser” wird wohl nicht auf dem Schloßberg gestanden haben, da er als in der Mitte von Graz gelegen bezeichnet wird. Für den zur Stadtbefestigung gehörenden Uhrturm und seinen Vorläufer hat der Landesfürst gewiß keine Burghut ausgesetzt und bezahlt.
(20) Vgl. ZAHN, Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter, 1893.
(21) MGH DLD, n. 102.
(22) DEUER, Kirchenbau (wie Anm. 18) S. 205.
(23) SUB I, Codex Thietmari, n. 3 (StUB I, n. 47, irrig zu 1030).
(24) H. DOPSCH, Der bayerische Adel und die Besetzung des Erzbistums Salzburg im 10. und 11. Jahrhundert, in: Mitt. Ges. f. Salzbg. LK 110/111, 1970/71, S. 139 ff.
(25) SUB I, Codex Odalberti, n. 17 (924) und n. 83 (930).
(26) MGH DLdK, n. 31, Ingolstadt, 904 März 10.
(27) GÄNSER, Die Mark als Weg zur Macht am Beispiel der „Eppensteiner”, 1. und 2. Teil, in: ZHVSt 83, 1992, S. 83 ff. und 85, 1994, S. 73 ff.
(28) MGH DH III., n. 332.
(29) MGH DK III., n. 99 und 153.
(30) SUB II, Codex Odalberti, n. 83. – GÄNSER, Die Mark 1 (wie Anm. 267) S. 90.
(31) MGH DLo I., n. 122.
(32) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 108.
(33) Th. BITTERAUF, Die Traditionen des Hochstiftes Freising II (926–1238), 1909, Nr. 1322.
(34) MGH DO I., n. 452 sp; DO III., n. 109; Wenngleich DO I. für unecht gehalten wird, tut dies unserer Argumentation keinen Abbruch, da sich das echte DO III. als wörtliche Bestätigung eines Diploms Ottos I. in gleicher Sache ausgibt.
(35) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 80.
(36) MGH Necr. III, n. 84, 28. XL Adalpero dux.
(37) MGH DH II, n. 136 und 137.
(38) MGH DO III., n. 355, Quedlinburg, 1000 April 13. – GÄNSER, Zur Geschichte des Bezirkes Voitsberg im Hochmittelalter, in: ZHVSt 78, 1987, S. 121 f.
(39) GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9).
(40) DOPSCH, Adel (wie Anm. 24).
(41) F. TYROLLER, Genealogie des altbayrischen Adels im Hochmittelalter, in: W. WEGENER, Genealogische Tafeln zur mitteleuropöäischen Geschichte, 1962, Tafel 5/2. Dopsch hat diese Ansicht erst in seiner Stammtafel der Spanheimer im Katalog der Kärntner Landesausstellung in St. Paul zum Ausdruck gebracht, während er noch in der Traungauerfestschrift Adala als Stammutter der Grafen von Tengling, Peilstein etc. figurieren ließ.
(42) StUB I, n. 220.
(43) StUB I. n. 220. – GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 115f.
(44) Graf Sigfried war mit der Sighardingerin Hildburg von Tengling verheiratet, sein Interesse am Geschäft konnte durchaus auch durch seine Frau bestimmt sein.
(45) MDC I, n. 31 und 58. Die Urkunde MDC III, n. 58, ein Diplom Lothars III., haben Ottenthal und Hirsch als Fälschung nach 1170 identifiziert (MGH DLo III., n. 29, Würzburg, 1130 Oktober 18), eine Ansicht, der sich auch der Herausgeber der MDC, August Jaksch, anschloß (MDC Erg. Heft 1, n. 627), doch der Passus über den Vogt Graf Weriand läßt sich auf ein echtes Lothardiplom zurückführen (vgl. F. HAUSMANN, Vorbemerkung zu DK III., n. 45 und OTTENTHAL-HIRSCH, Vorbemerkung zu DL III., n. 29), das 1158 noch vorgelegen haben muß, als der Gurker Bischof Roman I. Herzog Heinrich V von Kärnten mit der Gurker Vogtei belehnte (MDC III, n. 974.)
(46) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 107.
(47) StUB I, n. 178, Friesach, 1139 Oktober 10.
(48) StUB I, n. 601.
(49) A. LANG, Die Salzburger Lehen I, 1937, S. 191d.
(50) SUB II, n. 283.
(51) SUB II, n. 140 = StUB I, n. 77. In der sogenannten Admonter Gründungsurkunde wird einer Abmachung der Gräfin Irmgard mit Erzbischof Gebhard gedacht, die zwischen 1060 und 1074 erfolgt sein muß und neben Salzpfannen in Reichenhall auch die mittelsteirischen Güter betraf.
(52) SUB II, n. 98, 1060–1074.
(53) Die ausstehende prosopographische Erschließung der Steiermark im Mittelalter, die Auswertung der Zeugenreihen und Nekrologeinträge mit modernen Mitteln und Methoden, wird einiges zu Tage fördern, was die bisherigen Anschauungen relativieren wird. Freilich ist heute eines der größten Hemmnisse für die Forschung das unzulängliche Urkundenbuch von Zahn, das teilweise unausrottbare Irrtümer immer wieder von Neuem verschuldet. Immer deutlicher erweist sich auch Poschs „Siedlungsgeschichte der Oststeiermark” (MIÖG Erg. Bd. 13, 1941) und sein jahrzehntelanges Beharren auf letztlich unhaltbaren Positionen als schwerwiegendes Forschungshindernis. Daher weist auch Purkarthofers beachtliche Arbeit „Mons Predel” immer dort Schwächen auf, wo sie sich auf Posch bezieht, respective aus verschiedenen Gründen beziehen mußte. Hier und jetzt kann die Besiedlung bis zur Raab nicht aufgearbeitet werden, doch zeigt es sich, daß die bisherigen Ansätze bei mit Personennamen gebildeten Ortsnamen fast immer um ein halbes bis ein Jahrhundert zu spät angenommen wurden.
(54) O. WONISCH, Das Urkundenwesen der Traungauer. Eine diplomatische Untersuchung, in: ZHVSt 12, 1926, S. 52 ff.
(55) StUB I, n. 151, ca. 1135.
(56) H. PIRCHEGGER, Landesfürst und Adel, Teil 1. (Forsch. z. Verf.-u. Verw. gesch. d. Stmk. 12, 1951) S. 115 ff.
(57) MGH Necr. II, S. 387/106.
(58) F. SCHUMI, Urkunden- und Regestenbuch des Herzogtumes Krain I, 1882, n. 79, Aquileja, 1136.
(59) SUB II, n. 182.
(60) SUB II, n. 183.
(61) MGH Necr. I, S. 227, zum 11. Juli: Suophia cometissa de Stira, hie sepulta, dedit.
(62) Vgl. L GRILL, Wirtschaftlicher und sozialer Aufschwung durch die Grangienstruktur der Zisterzienser von Rein, in: Stift Rein 1129–1979, 1979, der etwas reißerisch vom „ältesten Grazer Kaufhaus” berichtet.
(63) GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 98f. und 106f.
(64) PIRCHEGGER, Landesfürst 1 (wie Anm. 56) S. 150f. und DERS., Landesfürst und Adel, Teil 3, (Forsch. z. Verf.- u. Verw. gesch. d. Stmk 16, 1958) S. 207f.
(65) StUBI. n. 130.
(66) SUB II, n. 199; gerade in dieser Urkunde sind Zweifel an der sozialen Stellung Ulrichs möglich. Ulrich von Graz steht zwar an der fünften Stelle der Zeugenreihe, aber nicht an „hervorragender Stelle” wie Posch meint, sondern nach dem Ministerialen Gottfried von Wolfgeresdorf und dessen Bruder Rudolf.
(67) SUB II, n. 294.
(68) StUB I, n. 422. Die zu ca. 1160 gereihte Tradition kollidiert in der Chronologie mit jener von ca. 1155, StUB I, n. 377, weil der Zeuge Gotto von Leoben (von ca. 1160) nach letzterer auf dem Sterbebett lag und ein gleichnamiger Sohn nicht eruierbar ist.
(69) StUB I, n. 484.
(70) StUBI, n, 120.
(71) K. AMON, Aus der Geschichte von Rein, in: Stift Rein (wie Anm. 62) S. 29.
(72) Die von Posch, wie in Anm. 3, vorgebrachten Argumente zur Stützung der Zeugenreihe überzeugen nicht und halten teilweise auch einer genaueren Überprüfung nicht stand. Außer Posch hat niemand die Dunkelsteiner mit den Grazern gleichzusetzen versucht, desgleichen haben die auf die Traisen-Feistritzer zugeschnittenen Spekulationen zurecht schon Pircheggers (wie Anm. 60) Ablehnung hervorgerufen. Bernhard von Stübing respective Hadamar vom Ennstal zu „Gründern von Graz” zu machen, kommt einer glatten Verdrehung der urkundlichen Überlieferung gleich. Als R. HÄRTEL 1976 in seinem Aufsatz „Die älteste Urkunde über G.”, in: ZHVSt 67, 1976, S. 57–88, die Zeugenreihe, gar nicht unbegründet, der Kritik unterzog, wagte er sich in seinen Begründungen allerdings zu weit in oststeirische Belange vor, was ihm einen harschen Verweis von Seiten Poschs eintrug (POSCH, Ist die 850-Jahr-Feier der Landeshauptstadt G. im Jahre 1978 berechtigt?, in: BII. Hk. 50/4, 1976, S. 160ff). Daß Härtel bei der Einordnung der Zeugen gewisse Schwächen zeigt, ist gar nicht zu leugnen (so ist z. B. nicht darüber hinwegzusehen, daß Gottschalk von Dürnsteins Erwähnung im Jahre 1184 – StUB I, n. 631 – auf einen Vorgang vor 1164 gemünzt ist, als Markgraf Otakar III. noch lebte, oder Adalram von Perg bereits vor 1122 als Zeuge für seinen Vater Rudolf auftritt FRA II/69, Trad. Göttweig, n. 72).
(73) StUBI. n. 130.
(74) Die Bestimmung des Todesjahres Rudolfs von Perg hängt mit der Einordnung der Göttweiger Traditionen (FRA II/69) um Graf Heinrich von Burghausen zusammen, dessen Todesjahr ca. 1127/1130 angesetzt wird. Auskunft darüber gibt uns eine Salzburger Urkunde (SUB II, n. 148), eingereiht zu vor 1131 Oktober 8, die den Grafen als verstorben erwähnt. Die Begründung der Datierung von SUB II ist jedoch wenig überzeugend. Heinrich von Burghausen wird außer 1108 ohnehin nur in circa-datierten Urkunden bis etwa 1125 genannt, siehe TYROLLER (wie Anm. 41) Tafel 5., 34.; O. REDLICH (Hg.), Die Traditionsbücher des Hochstifts Brixen vom zehnten bis in das vierzehnte Jahrhundert, 1886 (Acta Tirolensia. Urkundliche Quellen zur Geschichte Tirols I) n. 431, ca. 1110–1122.
(75) Vgl. Anm. 46.
(76) SUB I, GÄNSER, Diplom (wie Anm. 9). Bereits Pirchegger ist die mangelnde Präsenz der Grafen von Weichselburg im Raum Windischgraz aufgefallen, doch hinderte ihn eine um ein Jahrhundert fehldatierte Urkunde (MDC III, n. 501, gehört nach 1172!) an daraus sich ergebenden Folgerungen. Zusätzlich fällt damit im Stammbaum der Grafen von Treffen Wolfrat I. aus, für den sich auch in den süddeutschen Nekrologen aus verständlichen Gründen kein Anhaltspunkt finden ließ. Graf Wolfrat von Treffen ist der Schwiegersohn Graf Weriants, Sohn und Enkel der genannten ist Patriarch Ulrich II.
(77) MDC III, n. 535. Nach den strengen Regeln der Diplomatik ist das Stück nicht zu retten, auch wenn Jaksch den Inhalt für unbedenklich hielt. Der Grund für die Fälschung aus dem 13. Jahrhundert mag der Wunsch des Klosters Eberndorf gewesen sein, sich gegen die Ansprüche des Patriarchen Berthold von Andechs-Meranien zu wappnen, der Windischgraz entweder ererbt oder nach 1218 erworben hatte, oder aber gegen jene seiner Nachfolger. 1251 hatte Berthold seinen Besitz in und um Windischgraz dem Patriarchat übertragen (StUB III, n. 83), 1274 verteidigte Patriarch Raimund seine Rechte gegenüber König Ottokar (MDC V, n. 151 = StUB IV, n. 520). Auch das Kloster Seitz sah sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gezwungen, seine Rechte auf Windischgraz mit einer Fälschung zu untermauern (StUBI, n. 718).
(78) MDC III, n. 521–535, alle von Jaksch um ca. 1106 positioniert. Kaum eine dieser Notizen kann tatsächlich zu diesem Jahr eingeordnet werden. Noch fehlt zur genaueren Einordnung eine prosopographische Datei des Mittelalters, anhand derer wir die Zeugenreihen besser zu lesen verstehen werden. Manches geht aus dem „curriculum vitae” der genannten Zeugen und handelnden Personen ohnehin hervor. Es geht mir nicht darum „gescheiter” als meine Vorgänger zu sein, sondern nur um erhöhte Präzision, die durch moderne Hilfsmittel wie EDV durchaus erreichbar scheint. Die Knochenarbeit der Erstellung der Grunddateien an andere abzuwälzen, wird derzeit nicht gelingen und in Zukunft noch schwieriger werden. Monumenta-Gelder werden für die Landesgeschichte so bald nicht fließen und somit bleibt nur der Erkenntnisdrang einzelner, die Zeit und Lust zu solchen Unternehmungen haben.
(79) PIRCHEGGER, Landesfürst 3 (wie Anm. 64) S. 207 ff.
(80) HAUSMANN, Die Grafen zu Ortenburg und ihre Vorfahren im Mannesstamm, die Spanheimer in Kärnten, Sachsen und Bayern, sowie deren Nebenlinien. Ein genealogischer Überblick, in: Ostbayrische Grenzmarken 36, 1994, S. 15, weist Zeizolf als Sohn Siegfrieds II. von Spanheim und nicht ebenbürtig aus. Daher folgt er nach Benno von Friesach.
(81) SUB II, n. 325.
(82) MDC III, n. 498, zur Datierung GÄNSER, Die Mark 2 (wie Anm. 27) S. 84, Anm. 68.
(83) StUB Erg. Bd., n. 14. Spitzenzeuge dieser Urkunde ist Graf Bernhard von Spanheim.
(84) Vgl. SUB I, Register unter Eichham.
(85) MDC III, n. 1073, (1164–1189).
(86) MDC III, n. 839, Völkermarkt 1147 (ca. April 20).
(87) MDC III, n. 762, (1143–1164).
(88) ZAHN, Ortsnamenbuch (wie Anm. 20) Stichwort Feldbach; auch das Typar des 14. Jahrhunderts trägt die Umschrift S. FORI IN VELNPACH, vgl. GÄNSER, Inventar der Typarsammlung des Steiermärkischen Landesarchivs, in: Mitt. StLA 42/43, 1993, S. 145, n. 142.
(89) MDC III, n. 770. Walther von Malta, der mit Graf Bernhard am Kreuzzug von 1147 teilnahm, verstiftete auch Güter in Südtirol an Brixen und Neustift, um zu den für die Jerusalemfahrt benötigten Geld zu kommen (MDC III, n. 828 und 829). Eine ganze Reihe von Kreuzfahrern machte damals solche Todfallsstiftungen gegen die entsprechenden Bankkredite. Walther von Malta überlebte den Kreuzzug und ließ sich wahrscheinlich in Krain, jedenfalls im Patriarchat, nieder (MDC III, n. 973 und 1039), wo er um 1062 wegen eines jungen Kebsweibes in Schwierigkeiten geriet.
(90) StUB Erg. Bd., S. 56, n. 366 zu ca. 1170/79 = StUB I, n. 366, zu ca. 1155. Der von Pirchegger übernommene Datierungsansatz von Jaksch ist abzulehnen, da in der Tradition Ottos von Leoben auch Ministeriale des Grafen Ekbert IM. von Formbach angeführt sind, der am 5. August 1158 starb. Jaksch nahm die Belehnung des Hermann von Weißenstein mit dem Schloß Weißenstein durch Bischof Heinrich II von Brixen 1179 zum Anlaß für seine Einordnung.
(91) PIRCHEGGER, Landesfürst 1 (wie Anm. 56) S. 105; Pirchegger zweifelte an der Gleichsetzung des „Weichselburgers” Weriant, weil ihm eine zu 1096 gereihte Urkunde – MDC III, n. 501 – nicht ins Konzept paßte. Die Urkunde gehört jedoch nach 1172, womit einerseits Pircheggers Bedenken fallengelassen werden können, anderseits die Stammtafel der Grafen von Treffen von Jaksch einer Korrektur bedarf, weil der postulierte Wolfrat I. von Treffen ausfällt (vgl. Anm. 76). Der von Pirchegger angeführte politische Gegensatz zu den Spanheimern war 1091 noch nicht evident, da der Überfall Starchands und Weriants auf Erzbischof Thiemo erst 1097 erfolgte, die Sühne Weriants für diesen Frevel wahrscheinlich erst 1110 oder 1121 als Erzbischof Konrad in Salzburg Fuß fassen und seine Politik durchsetzen konnte. Der Untergang des Hauses, wie ihn der Biograph Thiemos behauptete, war 1103 jedenfalls nicht besiegelt, da wir Markgraf Starchant und seinen Bruder Ulrich im Gefolge Herzog Heinrichs III. bei der Gründung St. Lambrechts finden. Der Verlust der Mark an der Sann kann vielleicht auf spanheimischen Einfluß zurückgeführt werden, dann aber erst nach 1122, als mit Heinrich IV. der erste Spanheimer die Kärntner Herzogswürde errang. Die Heunburger als Nachfolger in der Mark an der Sann waren, den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, mit den Amtsvorgängern jedenfalls verwandt und hatten ebenfalls Besitz bei und in Graz.
(92) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 268.
(93) StUB I, n. 263.
(94) StUB I, n. 257.
(95) WONISCH, Urkundenwesen (wie Anm. 54) S. 89f.
(96) Wir können hier die Ungereimtheiten der Reiner Urkunden nicht näher beleuchten, eine neuerliche Untersuchung der Traungauer Urkunden könnte erst einige Klarheit schaffen. Es ist jedenfalls verwunderlich, daß sich St. Lambrecht das Tauschgeschäft vom 22. August 1147 nicht verbriefen, das abgetauschte Gut Söding aber am 21. Mai 1149 in Salzburg durch Konrad III. bestätigen ließ (MGH DK III., n. 201), wiewohl gerade diese Urkunde längst über eine reine Besitzbestätigung hinausging. Freilich wird die Vorlage mit Söding wie üblich noch in die Bestätigung Barbarossas von 1170 mitgeschleppt. Andererseits wollte St. Lambrecht auf Söding gar nicht verzichten und haderte mit Rein noch bis 1222. Die markgräflichen Siegel an den Reiner Urkunden von 1147 sind beide falsch, echt hingegen jene des bestätigenden Erzbischofs. Wie dem auch sei, ohne neuerliche Diktatuntersuchung wird man hier nicht weiterkommen, es sei denn, daß die Reiner den Salzburger Notar Rupert zu täuschen in der Lage waren, der diese Urkunden verfaßt haben soll. Jede Datierung auf den Sommer 1147 eignete sich ohnehin vorzüglich, konnte man doch damit rechnen, daß eine Reihe von Zeugen den Kreuzzug nicht überstanden haben mochte.
(97) POPELKA, Geschichte I (wie Anm 4) S. 183, meint diesem Witelo auch 1159 zu begegnen, übersieht dabei aber, daß es sich um ein bloßes Insert der Nennung von 1147 handelt. Die Zeugenreihe von 1159 weist hingegen einen Helmbrecht von Graz aus, der für einen Geistlichen gehalten werden könnte.
(98) StUB I, n. 293. Ponigl, nahe Weitendorf bei Wildon. Der Göstinger wird zur Jahrhundertmitte als nobilis vir bezeichnet, was ihn von den späteren Nennungen abhebt, wo offenbar ein gleichnamiger Ministeriale auftritt.
(99) StUB I, n. 404.
(100) StUB I, n. 484, Graz, 1164 (vor Juni 22).
(101) Für Popelkas Übersetzung „Burgflecken” fehlt das lateinische Wort suburbium; die erste Gassenmarktanlage – so Posch – läßt sich aus der Lagebezeichnung der Bauplätze für ein Cellarium in der Nähe der Burg schon gar nicht ablesen. Suburbanum ist eine Lagebezeichnung und kein Terminus für irgendeine Siedlungsform. In der Nähe der Burg (am Schloßberg) liegt der Reinerhof auch heute noch.
(102) StUB I, n. 546, Graz, 1172 Mai 16.
(103) StUB I, n. 619, Graz, 1182 November 19; der fast gleichlautend formulierte Ausstellungsort in der Fälschung StUB I, n. 555, Graz, 1174 Februar 17, wird wohl der Urkunde von 1182 entnommen sein, sind doch beides Seckauer Stücke.
(104) StUB I, n. 698, Graz, 1189 August 10.
(105) SUB II. n. 475.
(106) Die Mär vom Tummelplatz läßt sich quellenmäßig nicht belegen und kann daher nicht aufrecht erhalten werden; Graz als Ort des Turniers und der Feier des Weihnachtsfestes hat jedoch viel Wahrscheinlichkeit für sich; vgl. BUB 3, zu 1194 Dezember 26 bis 31.
(107) StLA, Hs. 894, Chronik des Magnus von Reichersberg.
(108) MGH SS IX, n. 587 zu 1194, gleichlautend auch die Melker Annalen oder die Garstner Continuatio.
(109) MGH SS IX, n. 619 zu 1194, circa castrum Graez.
(110) In der Stadt, im Bereich des Priesterhauses, des ehemaligen Jesuitenkonvikts, sind ebenfalls Mauern erhalten, die Posch als alte Stadtmauer gedeutet wissen will. Er läßt die Mauer von der Bürgergasse kommend unter der Stiegenkirche den Schloßberg erreichen, was wohl unmöglich ist, weil eine derartige Mauerführung gegen den wehrtechnischen Ansatz eines Turmes bei St. Paul spricht und ein gewachsenes mittelalterliches Viertel südlich davon die Sporgasse durchschnitten hätte, dessen unüberschaubare Dachlandschaft wie Parzellierung jeden Durchstich einer Stadtmauer verraten würde. Mauern aber sind im Bereich des Priesterhauses und der Kirche allemal möglich, ja sogar im Bild überliefert. Der Stich von Merian zeigt ein Torgebäude in der Bürgergasse, das Dom und Konvikt verbindet. Die Fortsetzung dieser Mauer wird wohl auch den Priesterhausgarten umschlossen haben, was die unwahrscheinliche Stadtmauer jedenfalls nicht getan hat. Es ist durchaus möglich, daß die Stadtmauer den Tabor der Ägydikirche mitbildete, ehe die Stadterweiterung von 1336 bis 1339 überhaupt die neue Bürgergasse schuf, weswegen ein Tor in die alte Tabormauer gebrochen werden mußte. Auch als bequemer Gang vom Konvikt zur Hofkirche ließ sich das Gemäuer nutzen. Es ist freilich richtig, daß die östliche Häuserreihe der neuen und heutigen Bürgergasse auf der alten Stadtmauer sitzt, wovon sich Posch durch Augenschein überzeugt hat.
(111) BUB I, n. 192 = StUB II, n. 130, Graz , 1214 Juli 16.
(112) StUB II, n. 303, Erdberg, 1233 October 28.
(113) SUB III, n. 773, Lateran, 1222 Jänner 15.
(114) BUB I = StUB II, n. 294.
(115) StUB II, n. 444, Voitsberg, 1245 Jänner 12.
(116) MGH SS IX, n. 786, zu 1137.
(117) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte. – J. F. BÖHMER – REDLICH, Regesta Imperii VI, Bd. I: Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf, Albrecht, Heinrich VII., 1273–1313, 1898, n. 1264.
(118) BUBI, n. 192; StUB II, n. 108.
(119) StUB II, n. 388.
(120) BUBI. n. 180.
(121) StUB IV, n. 569.
(122) StUB II, n. 178.
(123) GÄNSER und W. SABUTSCH, Die Pfarrkirche zur heiligen Dreifaltigkeit in Hausmannstätten, 1986, S. 5f.
(124) GÄNSER, Die Kirchen im Raum Obdach, in: G. FOURNIER, R. PUSCHNIG, Obdach, 1990, S. 159f.
(125) StUB I, n. 698.
(126) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 367; PURKARTHOFER, Religiöses Leben in den mittelalterlichen Städten und Märkten, in: Die Steiermark. Brücke und Bollwerk, 1986, S. 118 ff.
(127) E. SCHMÖLZER, Archivalische Vorarbeiten zur Österreichischen Kunsttopographie. G. I. Adels- und Freihäuser, 1993.
(128) Besonders gedankt sei Dr. Diether Kramer von Landesmuseum Joanneum, der mich über die aktuellen Aus- und Notgrabungsbefunde auf dem Laufenden hält.
(129) SCHMÖLZER, Vorarbeiten (wie Anm. 127).
(130) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte.
(131) POPELKA, Geschichte der Stadt G., Bd. II, 1935, S. 20.
(132) Die folgenden Jahreszahlen nach ZAHN, Ortsnamenbuch (wie Anm. 20) und POPELKA, Geschichte I u. II (wie Anm. 4 und 131).
(133) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 187.
(134) 1419 Werpach gegen den Judenfreythof über.
(135) StLA, Hs. 1160. – A. DOPSCH, Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark aus dem Mittelalter, 1910, S. 171–287.
(136) StUB III, n. 118.
(137) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte.
(138) StUB IV, n. 538.
(139) StUB IV, n. 92 und 352 (vide n. 309 und 423), ab 1163.
(140) GÄNSER, Die Mark 1 (wie Anm. 27).
(141) Dagegen POSCH, Guntarn-St. Leonhard, in: Siedlung, Macht und Wirtschaft (Veröff. d. StLA 12, 1981), der wie der Titel seiner Arbeit sagt, den Gutshof bei der Leonhardkirche ansiedeln möchte. Posch ist aber jene Urkunde entgangen, die, vom Grazer Stadtschreiber und weiteren Grazer Bürgern testiert, den Hof Guntarn als bei dem Deutschen Hause gelegen bezeichnet (StLA, U 1684e, Vorau, 1306 Jänner 2). Man wird es bei der evidenten Ortskenntnis der Zeugen also bei der älteren Meinung von Pirchegger und Popelka bewenden lassen, daß der Hof im Zuge der seit Mitte des 15. Jahrhunderts verbesserten Vorfeldverteidigung der Stadt unterging.
(142) StLA, U 2379. Der Grazer Bürger Chuenzel Neumeister verkauft Friedrich von Stubenberg sein Haus zu Graz. Das stubenbergische Haus lag in der Nähe des landesfürstlichen Schreibhofes und fiel 1438 dem Burgbau zum Opfer.
(143) Sämtliche folgende Daten zur Burg nach PUSCHNIG, Geschichte und Bauentwicklung der G.er Burg, in: Die G.er Burg, o. J., S. 23 ff.
(144) StUB II, n. 303.
(145) StUB II, n. 214 und 239.
(146) Übrigens war auch die Kirche des Vorauer Klosters dem Apostel Thomas geweiht. Die Kirche muß schon bestanden haben, als Markgraf Otakar 1163 Augustiner-Chorherren nach Vorau berief (StUB I, n. 479).
(147) Regesten des Herzogtums Steiermark, 1976 (Quellen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 6) n. 146. – LANG, Die Lehen des Bistums Seckau, 1931, n. 259. Posch versuchte ein älteres Geidorf in der Umgebung des Bischofshofes zu konstruieren und damit eine weitere Stadtentwickungsphase zu konstatieren. Da die Auswertung der Quellen manchmal zwiespältig sein kann, könnte man vielleicht über die Interpretation von in oder bei Graz geteilter Meinung sein. Die Stadtentwicklung nach Posch bringt aber eine dermaßen vertrackte Linienführung der Stadtbefestigung im Osten, daß man sie beim besten Willen nicht akzeptieren kann. Wir müssen ganz einfach auch den mittelalterlichen Menschen eine gesunde Portion Hausverstand zubilligen, was sich auch im Befestigungsbau widerspiegeln dürfte.
(148) POPELKA, Geschichte I (wie Anm. 4) S. 213.
(149) StLA, A. Graz, Schuber 2, II. Freiheiten und Rechte.
(150) POPELKA, Geschichte I. (wie Anm. 4) S. 212.
(151) H. EBNER, Burgen und Schlösser. Graz, Leibnitz, Weststeiermark (Steiermark III), 2., erw. Aufl., 1981, S. 42 ff.
(152) Die Beschreibung der Bezirke fußt auf K. A. KUBINZKY, Beiträge zur G.er Bezirksgeschichte, in: G. Geschichtsbilder einer Stadt, 1987. Den besten Überblick über die Grazer Kirchen bietet neben dem DEHIO, G., R. LIST, Steirischer Kirchenführer, Bd. 1: G., G.-Umgebung, 1976, weiters sei verwiesen auf KUBINZKY, Mit dem Ballon über G., 1991, sowie auf den kurzen, aber kenntnisreichen Grazführer von W. SEMETKOWSKI, G. Ein Führer durch die Stadt und ihre Umgebung, 3. Aufl., 1949.

 

 

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