Siebenbürgen und der Zerfall des mittelalterlichen ungarischen Staates

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Siebenbürgen und der Zerfall des mittelalterlichen ungarischen Staates
Am 29. August 1526 erlitt Ungarn in der Schlacht bei Mohács eine entscheidende Niederlage durch das türkische Reich. König Ludwig II. (1516–1526) fiel im Kampf, und der Sieger, Sultan Suleiman I. (1520–1566), besetzte kurzfristig die Hauptstadt Ofen. In Ungarn entstand ein Machtvakuum, das in gegenseitiger Konkurrenz zwei Männer auszufüllen trachteten. Der österreichische Erzherzog Ferdinand von Habsburg, der Schwager Ludwigs II. und jüngere Bruder Kaiser Karls V. erhob Anspruch auf den Thron im Sinne einer dynastischen Vereinbarung aus dem Jahre 1515. In seiner Person symbolisierte sich die von seiten des Deutschen Reiches erhoffte Hilfe gegen die Türken.
Der andere Kandidat war Johann (János) Szapolyai, seit 1511 Woiwode von Siebenbürgen. Er gehörte keiner Herrscherfamilie an: Sein Vater war durch die Gnade des Königs Matthias Corvinus in die Gruppe der größten Grundbesitzer des Landes aufgestiegen, aber bereits während der langen kinderlosen Regierungszeit Wladislaus’ II. (1490–1516) hatte er seinen ältesten Sohn als möglichen Thronprätendenten erzogen. Nun, 1526, wurde seine Kandidatur vom größeren Teil der Magnaten sowie dem gesamten niederen Adel unterstützt. In ihm sahen sie den Retter des Landes, nachdem sie von der fremden Hilfe oft enttäuscht worden waren. War ja auch Kaiser Karl V. in eine lange kriegerische Auseinandersetzung mit dem französischen König Franz I. verwickelt, die gerade im Sommer 1526 erneut ausbrach.
Am 10. November 1526 ließ sich Szapolyai auf dem Landtag in Stuhlweißenburg als Johann I. zum König wählen, und anderntags fand auch die Krönung statt. Johann I. versuchte, seine Herrschaft über Ungarn zu festigen, er regierte mit starker Hand – doch wurden seine unbestrittenen Erfolge in der Innenpolitik durch seine Außenpolitik, die rasch in eine Sackgasse geriet, zunichte gemacht. Er bemühte sich um eine Vereinbarung mit den Habsburgern und schlug ihnen ein Bündnis gegen die Türken vor, wobei er damit rechnete, daß der in die europäischen Kriege verwickelte Kaiser nicht auch noch Ungarn zum Gegner haben wollte. Doch Ferdinand, der seit Oktober 1526 böhmischer König und im Dezember des gleichen Jahres von einer Handvoll Anhänger zudem in Preßburg zum ungarischen König ausgerufen worden war, wollte von beiden Vorschlägen nichts wissen, obwohl sein Bruder Karl V. gerade seit dem Sommer zum Krieg gegen eine europäische Koalition unter Frankreichs Führung gezwungen worden war. Dieser Koalition hätte 244sich Szapolyai anschließen können, doch mit dem Türken im Rücken wollte er keinen Krieg.
Die entscheidende Wende brachten unverhoffte Erfolge des kaiserlichen Söldnerheeres in Italien: Im Sommer 1527 wurde Rom eingenommen und Papst Klemens VII., die wichtigste Stütze Franz.’ I., zum Friedensschluß gezwungen. Ferdinand hatte nun freie Hand, und aus Sorge, das geschwächte Ungarn könnte dazu gezwungen werden, sich mit dem Sultan zu arrangieren, wodurch Österreich und Böhmen in höchste Gefahr gerieten, entschloß er sich dazu, Ungarn für sich zu erobern.
Im Juli 1527 überschritt ein deutsches Söldnerheer die ungarische Grenze. Seine Erfolge bewogen den zögernden ungarischen Adel, sich der Partei Ferdinands nach und nach anzuschließen, denn das Schreckensbild eines Zweifrontenkrieges hatte jeden verunsichert. Ferdinands Heer eroberte im ersten Schwung Ofen und schlug dann am 27. September nahe Tokaj in blutiger Schlacht Szapolyais Streitkräfte. König Johann floh nach Siebenbürgen. Im Winter wandte sich jedoch auch diese für sicher gehaltene Bastion gegen ihn. Ein geschickter skrupelloser Unterhändler Ferdinands, Georg Reicherstorffer, hatte zuerst Kronstadt und dann die übrigen sächsischen Städte zum Aufruhr gegen ihn aufgewiegelt. Inzwischen war auch Péter Perényi, der von Szapolyai zu seinem Nachfolger als Woiwode ernannt worden war, zur Gegenseite übergegangen und hatte den Habsburgern sogar die Heilige Krone ausgeliefert, mit der Ferdinand I. am 3. November 1527 dann auch gekrönt wurde.
Die restlichen Anhänger Johanns hielten sich zwar hartnäckig in Siebenbürgen, ihr Herrscher erlitt aber inzwischen eine erneute und scheinbar endgültige Niederlage in der Umgebung von Kaschau, bei Szina (8. März 1528), worauf er mit geringem Gefolge nach Polen floh.
Diese Mißerfolge bewiesen zweifelsfrei, daß Szapolyais Rechnung nicht aufgegangen war, sich ohne und gegen die Habsburger zum König einsetzen zu lassen. Während der Feldzüge hatte ihm der Sultan mehrfach seine Freundschaft angeboten. Nach Ferdinands Machtübernahme vermehrten die türkischen Grenztruppen ihre Angriffe auf die ungarische Südgrenze. Das alles brachte König Johann zu der Überzeugung, Suleiman I. werde die Machtübernahme der mächtigsten europäischen Dynastie in dem ihm benachbarten Ungarn nicht hinnehmen. Andererseits zeigten ihm seine jüngsten Erfahrungen nur allzu deutlich, daß von diesen zwei Gegnern der Sultan der stärkere sein werde.
Sein christliches Gewissen und der in jahrhundertelangen Kriegen gegen die Türken angehäufte gewaltige Haß mögen ihm die Entscheidung sehr erschwert haben. Vielleicht hatte bereits der Aufruhr in Siebenbürgen zum Jahresende 1527 den Becher zum Überlaufen gebracht. Damit hatte dieser Landesteil, wenn auch nur indirekt, Anteil an der für Jahrhunderte entscheidenden Wende der ungarischen Politik: Ende 1527 sandte Johann I. den Polen Hieronym Laski nach Stambul mit der Bitte um Unterstützung.
Die Gesandtschaft brachte überraschend schnellen Erfolg. Nach einigen Wochen harten Feilschens gab der Sultan schriftlich sein Versprechen, Szapolyai „in wie auch immer gearteter Not nie zu verlassen“.*
I., SZAI.AY, Adalékok a magyar nemzet történetéhez a XVI. században (Beiträge zur Geschichte der ungarischen Nation im 16. Jahrhundert). Pest 1857. 124
245In der Zwischenzeit war die Herrschaft der Habsburger für die Ungarn zu einer bitteren Enttäuschung geworden. Die neue Regierung litt unter Geldmangel und versank in Untätigkeit, während Karl V. wegen seines Kampfes gegen die Franzosen um Neapel auch diesmal keine Hilfe leisten konnte. Folglich machte sich Szapolyai auf die Nachricht von den türkischen Kriegsvorbereitungen hin wieder nach Ungarn auf, schon um zu verhindern, daß es der Türke ganz allein in Besitz nehmen sollte.
Bis zum Frühjahr 1529 war die Große Ungarische Tiefebene wieder völlig in der Hand König Johanns. Der im gleichen Jahr begonnene türkische Feldzug führte bis vor Wien. Auch wenn die Türken von dort wieder abziehen mußten, blieben infolge der bis zum Jahresende andauernden Kämpfe die östliche Hälfte Transdanubiens einschließlich Ofens und die Tiefebene in der Hand Szapolyaís.
Es folgte eine turbulente Kriegsperiode mit wiederholten türkischen Angriffen (z.B. einem neuerlichen Angriff auf Wien 1532, der Ende August vor Güns steckenblieb). Doch waren die Kräfte ungefähr gleich, so daß sich die 1529 entstandene Grenze zwischen den beiden Herrschaftsbereichen nur wenig veränderte: Die östliche Hälfte Oberungarns gelangte nunmehr unter König Johanns Herrschaft. Damit war Ungarn – drei Jahre nach der Schlacht bei Mohács – in zwei Teile zerbrochen.
Siebenbürgen befand sich in der östlichen Hälfte des geteilten Landes, was jedoch nicht bedeutete, daß es sich automatisch der Szapolyai-Herrschaft angeschlossen hätte. Auch hier hatte sich die Herrschaft Ferdinands I. wahrlich nicht als besser und effizienter erwiesen als in den anderen Landesteilen. In den sächsischen Städten herrschten Reicherstorffers Leute und drangsalierten sogar den unerschütterlich habsburgtreuen Königsrichter Markus Pemflinger von Hermannstadt. Der Woiwode Péter Perényi verstand sich weder mit den Sachsen noch mit den ungarischen Adligen. Ferdinand war wohl bereit, Truppen zu schicken, doch nur, wenn die Siebenbürger dafür zahlten. Diese aber wollten von solcher Hilfe nichts wissen.
Um diese Zeit aber hatte Szapolyai Siebenbürgen schon von den übrigen Landesteilen abgeschnitten. Einem türkischen Befehl folgend, brach Peter Rareş, Woiwode der Moldau, ins Szeklerland ein, wenig später, im Juni 1529, schlug er bei Marienburg (nahe Kronstadt) das Heer der Ferdinand-Partei. Den noch anhaltenden Widerstand brach Johanns Statthalter und späterer Woiwode (1530–1534) István Báthory von Somlyó in mehreren kleineren Feldzügen. Am längsten blieben die Sachsen auf Seiten der Habsburger, doch öffnete Kronstadt schon im Sommer 1530 dem ungarisch-rumänisch-türkischen Belagerungsheer seine Tore. Im Januar 1531 kapitulierte Schäßburg, und Anfang 1532 wechselte auch der letzte Anhänger Ferdinands unter den siebenbürgischen Magnaten, István Maylád, zu Johann über. Der Widerstand beschränkte sich nunmehr allein auf Hermannstadt, die Unterwerfung dieser Stadt wurde jedoch durch eine Reihe besonderer Geschehnisse hinausgeschoben.
Auf einem eilig für Weihnachten 1530 einberufenen Landtag in Ofen ernannte Johann I. Alvise (Lodovico) Gritti, einen zum Günstling von Großwesir Ibrahim aufgestiegenen früheren Bankier, den unehelichen Sohn Andrea Grittis, des Dogen von Venedig, zum Regenten des Landes. Johann erhoffte sich von diesem eine stärkere türkische Unterstützung, die Ordnung der zerütteten Finanzen und die Übernahme der Verantwortung für die 246politische Krise. Gritti jedoch wollte höher hinaus, als man es damals für möglich gehalten hat. Denn er wollte selbst Herr von ganz Ungarn werden, zuerst mit Unterstützung des Sultans, später gedachte er Wien und Istambul gegeneinander auszuspielen. Nach mehrjährigem Manövrieren teils in Ofen, teils in Stambul entschloß er sich im Frühling 1534 zum entscheidenden Schritt: mit türkischen Truppen machte er sich nach Ungarn auf, um dort die Macht zu übernehmen. Im Anmarsch auf Siebenbürgen überschritt er bei Kronstadt die Grenze und ließ nicht viel später auf heimtückische Weise einen der beliebtesten und mächtigsten Parteigänger Johanns I., den Wardeiner Bischof Imre Czibak ermorden.
Der Adel von Siebenbürgen und dem Komitat Bihar griff zu den Waffen: Czibaks Neffe Ferenc Patócsy und der Kommandeur der siebenbürgischen Truppen König Johanns, Gotthárd Kun, stellten sich an die Spitze der Bewegung. Ein gewaltiges Heer drängte Gritti in die Stadt Mediasch; der von ihm zu Hilfe gerufene Woiwode der Moldau Peter Rareş schlug sich mit einer gewagten Kehrtwendung auf die Seite der Belagerer, und am 28. September metzelten die von den Mediascher Bürgern in die Stadt eingelassenen Angreifer den Regenten samt seinem türkischen Gefolge nieder.
Zu Beginn der Kämpfe hatte König Johann vor einer schwierigen Entscheidung gestanden: läßt er Gritti fallen, lenkt er den Zorn des Sultans auf sich; hilft er Gritti, macht er sich seine eigenen Untertanen zu Gegnern. Er entschied sich nach einigem Zögern für die erste Lösung – und bereitete sich nach Abschluß des Dramas in Mediasch auf den zu erwartenden Sturm vor. Er ging bis an die äußerste Grenze und bot durch seine Gesandten Kaiser Karl V. im Sommer 1535 seine Abdankung an. Doch verflüchtigte sich die Gefahr recht schnell: Tatsächlich hatte der Sultan anfänglich eine Untersuchung in Sachen des Todes seines Höflings angeordnet, im gleichen Maße aber, wie der Stern des Gönners Grittis, des Großwesirs Ibrahim, zu sinken begann und als er schließlich (im März 1536) hingerichtet wurde, schlief die ganze Angelegenheit ein.
Damit konnte König Johann sein Abdankungsangebot leichten Herzens zurückziehen, zumal der Kaiser die Hauptbedingung – die Versorgung der wichtigeren ungarischen Burgen mit ausreichender Bewachung – wegen seiner Vorbereitungen auf den neuerlichen Krieg gegen Frankreich nicht erfüllen konnte.
Die Gritti-Episode schloß ohne Folgen in der hohen Politik ab, und in Siebenbürgen selbst begann der Kampf der beiden Parteien von neuem. Die Anhänger Ferdinands versuchten an der Wende 1535/36 von Sathmar aus das noch immer umkämpfte Hermannstadt zu entsetzen, doch war ihre Unternehmung letztlich erfolglos: Hermannstadt unterwarf sich Johann am 1. März. 1536. Der Bürgerkrieg in Siebenbürgen war – vorerst – beendet.
Unter einem bestimmten Aspekt erwiesen sich die Ereignisse des Jahres 1534 dennoch als hochbedeutsam. Imre Czibaks vakanter Bischofssitz in Wardein und eine der Würden Grittis, die des Schatzmeisters, wurden damals an einen Vertrauensmann Szapolyais verliehen, den bisher bescheiden im Hintergrund gebliebenen Paulinermönch Utiešenović, mit anderem Namen Bruder Georg (aber auch als Martinuzzi bekannt, welchen Namen er jedoch infolge des Irrtums eines Historiographen erhielt). Mit dessen Hilfe vermochte Johann I. Anfang 1538 endlich den schon elf Jahre wütenden Bürgerkrieg in Ungarn zu beendigen.
247Die Anhänger beider Könige hatten Grund zur Bitterkeit und Klage, schon die reine Existenz der jeweils anderen Partei habe die Katastrophe verursacht. Denn so wie König Johann sich geirrt hatte, als er meinte, die Habsburger seien zu beeinflussen, so irrte sich König Ferdinand darin, er sei stark genug, das ganze Land auf Dauer zu besitzen.
Jede interne kriegerische Auseinandersetzung aber führt notwendigerweise in die Anarchie. Szapolyai hatte 1528 den größten Teil seines gewaltigen Familienbesitzes verloren, und als königlicher Besitz waren ihm eigentlich nur Ofen, Solymos und Lippa geblieben. Die Steuereintreibung war in den Kriegszeiten sehr schwierig geworden (zudem jeder der beiden Herrscher nur über die Steuer einer Landeshälfte verfügte), die ergiebigsten Bergwerke und Zölle waren in Ferdinands Hand verblieben. Im Landesteil Johanns I. wurde die unbeschränkte Herrschaft des Großgrundbesitzes wieder eingeführt, die schon vor Mohács viel Schaden angerichtet hatte: Männer wie Péter Perényi, Bálint Török, István Werbőczy (der Kanzler Johanns), István Maylád oder Péter Petrovics waren in ihrem Gebiet viel mächtigere Herren als der König. Von der anderen Partei, von den ungarischen Räten Ferdinands I., stammt folgender bitterer Lagebericht: „Die Übeltäter, von denen es bereits so viele gibt, daß man sie nicht zählen kann, werden vor der Bestrafung von uns zum Gegner, vom Gegner zu uns fliehen ..., wodurch sich dann immer wieder neue Gründe für Kriege und Verwirrungen ergeben ...“*
L. BÁRDOSSY, Magyar politika a mohácsi vész után (Ungarische Politik nach der Niederlage bei Mohács). Budapest 1944, 120.
Es handelt sich hier wahrlich um eine Zeit des prinzipienlosen Parteiwechsels aus rein materiellem Interesse. Doch gab es auch Gründe dafür: Wenn keine der Parteien ein Heilmittel für den schlimmen Zustand des Landes kannte und eine Besserung nicht einmal in Aussicht zu stellen vermochte, dann können Doppelzüngigkeit und Unzuverlässigkeit kaum mehr überraschen.
Als ein von chronischen inneren und äußeren Übelständen heimgesuchtes Staatsgebilde mit unsicheren Grenzen konnte das von Johann I. regierte Siebenbürgen auch dann nicht eine bedeutendere Rolle spielen, als es schon zur Gänze seinem Zepter unterstand. Denn die drei Nationen bildeten keine Einheit: Die Szekler empörten sich gern gegen jede Macht, die Sachsen blieben auch nach ihrer Niederlage insgeheim Anhänger der deutschen Habsburger, und der ungarische Adel der siebenbürgischen Komitate konnte keine größere Bedeutung für das ganze Land gewinnen, obwohl vorwiegend er die Last der Kriegsführung gegen die Sachsen getragen hatte. Außer István Maylád, dem Grundherrn von Fogarasch, gab es ja im Land keinen wirklichen Großgrundbesitzer.

 

 

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