Ständische Reaktion und Reformbewegungen

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Ständische Reaktion und Reformbewegungen
Nach dem Restitutionsedikt dominierten ständische Reaktion, insbesondere ständische Restaurationsbestrebungen parallel zu einer sehr starken Bewegung, die mit dem Josephinismus die Errungenschaften der Aufklärung zu verteidigen suchte. An einigen Orten kamen Reformbestrebungen zur Geltung, die selbst den Josephinismus übertrafen. Die I790 sich nachdrücklich 441manifestierenden Nationalbewegungen haben die erwähnten Tendenzen einmal gestärkt, ein andermal gehemmt. Schließlich hatte die Politik der Reichsregierung, die sich vom realistischen, aufgeklärten Absolutismus Leopolds II. abwandte und sich auf eine Position der „Reaktion“ unter Franz I., zurückzog, einen starken Einfluß auf diesen ganzen Komplex.
Die Restauration vollzog sich im Munizipalwesen und bei der sächsischen Nation am leichtesten. Das Josephinische Komitatssystem zerfiel, die Distriktskommissionen verschwanden, und die sächsische Nationsuniversität erwachte zu neuem Leben. Der Standpunkt der Sachsen war: Treue zu den Habsburgern, gute Beziehungen zum Adel und Aufrechterhaltung der Union der drei Nationen.
Die ungarische und die Szekler Nation suchten eine Lösung mit einer längerfristigen Perspektive – und sahen sich zugleich zur Selbstverteidigung gezwungen. Die ungarischen Stände waren der Auffassung, die Union mit Ungarn sei das beste Mittel zum gemeinsamen Schutz ihrer ständischen Rechte, aber zugleich auch zu Verteidigung und Entwicklung ihrer Nationalität, die zum Teil bereits bürgerlich interpretiert wurde. Die erste Auseinandersetzung des ungarischen Landtags um die Union ging aber verloren. Die Zentralregierung wurde zu dieser Zeit bereits vom Prinzip „divide et impera“ geleitet, weshalb Leopold II. die Frage den siebenbürgischen Ständen vorlegte und sich ohne eine prinzipielle Aussage zur Union zum ungarischen König krönen ließ. Inzwischen wurden die Bauern Siebenbürgens aber von der Unruhe erfaßt, daß die Stände die josephinistischen Errungenschaften der Leibeigenenpolitik aufheben wollten. Die ungarischen und Szekler Stände begannen, sich – örtlich in entschieden habsburgfeindlicher Absicht – zu rüsten, und es bedurfte der Besonnenheit des von György Bánffy geleiteten Guberniums, damit aus der gegenseitigen Furcht kein Zusammenstoß erwuchs.
Als schließlich im Dezember 1790 auch in Siebenbürgen der Landtag zusammentrat, begannen sich die Stände vor allem mit der Wiederherstellung der „konstitutionellen Formen“ zu beschäftigen. Doch wählte man ganz vernünftig den hervorragendsten Josephinischen Staatsmann Siebenbürgens, György Bánffy, zum Gubernator. Die Vertreter einer oppositionellen Richtung forderten, einige leitende Beamte der Regierung für die Beschwerden der Stände verantwortlich zu machen, und der Landtag bat das Gubernium um Aufklärung über alle für das Land nachteiligen Entwürfe. Es war dies eine eigenartige Mischung von ständischem Rechtsschutz und dem Prinzip der Minister-Verantwortlichkeit.
Positiver war der Standpunkt der Stände in der Frage der ungarischen Amtssprache bzw. der Entwicklung der ungarischen Kultur. Sie ließen das Landtagsprotokoll ungarisch führen und befaßten sich mit dem Entwurf György Arankas für die erste, auch tatsächlich funktionstüchtige siebenbürgisch-ungarische Vereinigung akademischen Charakters, die Siebenbürgische Ungarische Gesellschaft für Sprachpflege.
Das dritte wichtige Thema der ersten Landtagssession war die Frage der Union mit Ungarn. Dabei war nun nicht nur mit der Unionsfeindlichkeit der Sachsen zu rechnen, sondern auch mit der Abneigung eines Teils der Szekler (die um ihre Sonderrechte besorgt waren) und weiter damit, daß die Protestanten im Falle einer Union einen Verlust ihrer Rechte befürchteten. Bevor freilich die Debatte über den Unionsentwurf begann, hatte Leopold II. 442am 25. Februar 1791 schon über die Trennung der Ungarischen von der Siebenbürgischen Hofkanzlei entschieden, was zugleich eine Vertagung des Unionsplanes bedeutete. Da der Landtag von dieser Entscheidung noch nichts wußte, faßte er einen Beschluß über die Voraussetzungen zur Union, der aber bloß folgendes enthielt: Siebenbürgen muß in die Eidesformel des ungarischen Königs aufgenommen werden; dem Gubernator muß das Recht gesichert werden, am ungarischen Landtag teilnehmen zu können; die Aufrechterhaltung der Bestrebungen Josephs II. zur Vereinigung der beiden Kanzleien und zur Abschaffung der ungarisch-siebenbürgischen Zollgrenze. Leopold II. verweigerte selbst diesem bescheidenen Unionsentwurf seine Anerkennung.
Schließlich begann sich der Landtag mit der königlichen Vorlage zu befassen, die zur Regelung der Verwaltung und der Leibeigenenfrage aufforderte. Damit begann eine Gesetzgebungsarbeit von solchem Ausmaß, wie sie von keinem Landtag Siebenbürgens vorher oder später unternommen wurde. Das Ergebnis waren 162 Gesetzentwürfe, ein systematisch aufgebautes Gesetzbuch, die spätfeudale Ständeverfassung Siebenbürgens.
Von den Gesetzen über die staatsrechtliche Lage Siebenbürgens stellte Gesetz Nr. II fest: die Habsburger besitzen Siebenbürgen als Teil der ungarischen Krone aufgrund des Rechtes der ungarischen Könige, und es darf anderen Teilen des Habsburgerreiches administrativ nicht angeschlossen werden.
Es entstanden 37 Gesetzentwürfe zu den folgenden Themen: Unionseid; gemeinsam auszuübende Legislative des Fürsten und der Stände; Geschäftsordnung des Landtages; Unveränderlichkeit der grundlegenden ständischen Rechte; das Recht der Stände, öffentliche Ämter zu bekleiden (wobei dieses Recht für die besitzlosen Adligen und die nicht-sächsischen Bürger beschnitten und für alle diejenigen ganz aufgehoben wurde, die nicht dem Adels- oder Bürgerstand angehörten); schließlich das Wahlrecht der Stände für die Bestellung von Landeswürdenträgern (das dem König nur das Recht zur Bestätigung einräumte); Aufrechterhaltung der vereinigten Ungarischen und Siebenbürgischen Hofkanzlei.
Unter den Gesetzen über die ständischen Rechte befanden sich auch solche über die Leibeigenen. In der Frage der Freizügigkeit blieb der Landtag recht zurückhaltend: er hob zwar die Erbuntertänigkeit auf, band aber den Umzug an strenge Voraussetzungen und erschwerte ihn damit. Das ausschließliche Eigentumsrecht an den Wäldern wurde den Grundherren zugesprochen.
Ein Ergebnis der Gesetzgebung im sprachlich-kulturellen Bereich war das Gesetz, das dem Ungarischen ein Vorrecht über die anderen in Siebenbürgen gebräuchlichen Sprachen gewährte; dadurch wurde das Ungarische in Siebenbürgen zur Amtssprache. Ein anderes Gesetz forderte dazu auf, den Entwurf über die Siebenbürgische Ungarische Gesellschaft für Sprachpflege zu bestätigen.
Die Stände beschäftigten sich auch ausführlich mit der Steuerfrage: sie erklärten aufs neue die Gültigkeit des Prinzips „onus non inhaeret fundo“; sie stellten die Steuerfreiheit des kirchlichen Adels, der Besitzer von Adelsbriefen, der Szekler Primipilen und Gemeinen und gewisser privilegierter Orte wieder her; dabei erklärten sie es zu ihrem Recht, die Steuer jährlich festzusetzen, zu erheben und einzutreiben.
443Der Landtag beschloß schließlich auch mehrere sehr wichtige Gesetze über Religionsangelegenheiten. Das System der vier anerkannten Religionen wurde erneut ins Gesetz aufgenommen und zugleich der Orthodoxie, die auch bisher zu den geduldeten Konfessionen gehörte, die freie Religionsausübung eingeräumt. Das Toleranzpatent wurde mit einem Artikel novelliert, nach dem die Kinder aus Mischehen je nach ihrem Geschlecht die Religion ihrer Elternteile annehmen.
Unterdessen wurde der Landtag mit der rumänischen Nationalbewegung konfrontiert. Aus Wien traf der Supplex Libellus Valachorum ein, eine Zusammenfassung der rumänischen nationalen Forderungen.
Nach 1748 war die siebenbürgisch-rumänische Nationalbewegung jahrzehntelang nicht mehr mit offenen politischen Aktionen in Erscheinung getreten. Mit der Ausdehnung der rumänischen Intelligenz auf breitere Kreise, mit der historisierenden Legitimation des Nationalbewußtseins durch entsprechende Geschichtswerke, die alle die Ideen der romanischen Kontinuität proklamierten, mit der latinisierenden Spracherneuerung und mit dem Aufstieg von Rumänen in die höchste Schicht der Beamten waren freilich die Grundlagen für eine politisch-nationale Bewegung herangereift. Mit der gemeinsamen Plattform der weltlichen und uniert-kirchlichen Intelligenz, dem Supplex Libellus Valachorum, erreichte diese um 1790 ihren Höhepunkt.
Dieses Dokument war die wichtigste politische Schrift der Siebenbürger Rumänen des 18. Jahrunderts. Es war ein kollektives Werk, das in einem Personenkreis um den unierten Bischof Ignatie Darabant in Großwardein und in Wien zusammengestellt worden war. Sein Verfasser war vor allem Iosif Méhesi, und die historische Dokumentation stammte indirekt von Samuil Micu-Klein. Die Bittschrift wurde im März 1791 fertiggestellt. Ihre historische Argumentation orientierte sich an der Theorie der Kontinuität, ohne deren offenkundige Schwäche verbergen zu können. Denn zur Zeit der nationalen Erweckungsbewegungen bürgerlicher Prägung bediente man sich der Geschichte im allgemeinen als Beispielsammlung und neigte eher dazu, mit ihrer Hilfe Mythen zu schaffen, als die historische Realität zu erforschen oder gar eine solche anzuerkennen. Mit Recht wurde aber im Supplex Libellus festgestellt, daß die Rumänen das zahlreichste Volk in Siebenbürgen seien. Es wurde folgende Forderungen erhoben: Anerkennung der Rumänen als Nation; Gewährung derselben Rechte für den rumänischen Klerus, den Adelsstand und die Gemeinen, wie sie den jeweiligen Schichten der drei Nationen zugesichert wurden; gemischter oder ausschließlich rumänischer Sprachgebrauch in Munizipien und Gemeinden mit teilweise oder mehrheitlich rumänischer Bevölkerung. Der Supplex Libellus wollte den Platz der Rumänen noch im Rahmen der Ständegesellschaft bestimmen: Der rumänische Nationalismus hatte 1791 noch keine politischen Forderungen bürgerlichen Charakters. Als der griechisch-katholische sowie der orthodoxe Bischof sich 1792 an den Herrscher wandten, argumentierten sie: „Das vornehmste Recht der Siebenbürgischen Staatsbürger ist, an der Gesetzgebung und Staatsverwaltung verhältnismässigen Anteil zu haben, und zu diesem Ende Landtagsdeputierte und Staatsbeamte zu wählen, und zu solchen gewählt zu werden.“ Die Ungarn – d. h. die adligen Gutsbesitzer – lassen aber Rumänen nur selten Ämter bekleiden, „und hier liegt der eigentliche Grund der so schweren und so lang dauernden Unterdrückung der zahlreichsten Nation in 444Siebenbürgen“.* Der ungarische Adel konnte sich innerhalb des Feudalsystems mit Recht auf seine Rechtsgleichheit sowie darauf berufen, daß es neben dem Landesadel keinen gesonderten rumänischen Adel gab. Die Verfasser des Supplex Libellus konnten also nicht damit rechnen, daß ihrer Nation als selbständiger politischer Einheit im System der drei Nationen ein Platz eingeräumt würde.
Ebd.
Fast zur gleichen Zeit mit dem Supplex Libellus Valachorum entstand die Sonderbittschrift des unierten Klerus an die Majestät mit denselben Grundforderungen, in der allerdings die Berufung auf die historische Kontinuität fehlte.
Leopold II. sandte beide Bittschriften an den Landtag weiter, mit dem Hintergedanken, es sei besser, wenn dieser die Verantwortung für die Ablehnung übernehme. Der Vortrag des Supplex Libellus wurde schweigend aufgenommen – die Stände mußten die Existenz der rumänischen Nationalitätenfrage in Siebenbürgen zur Kenntnis nehmen. Der Landtag nahm nach der Ausschußbehandlung dahingehend Stellung, daß die Rumänen im Gebiet der ungarischen und der Szekler Nation nicht mehr Bürgerrechte erwerben könnten als die übrigen Bürger, deren Rechte unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit die gleichen seien wie die des Adels, der Freien und auch der untertänigen Bauern. Die Sachsen vertagten eigentlich ihre Stellungnahme. Die Ausübung ihrer Religion stehe den Unierten frei – setzten die Stände fort, und zur freien Religionsausübung der Orthodoxen wurde ein Gesetzentwurf vorbereitet. Ihrer Auffassung nach war der Hauptgrund für die mangelnde Bildung der Rumänen in der Unwissenheit ihrer Priester zu suchen. Deshalb bekam der ständige Ausschuß für Kirchenangelegenheiten den Auftrag, eine diesbezügliche Lösung vorzubereiten.
Somit war es den Rumänen nicht gelungen, ihre Forderungen durchzusetzen. Eine solche Antwort auf die Frage der ständischen Gleichberechtigung war zu erwarten gewesen, und man konnte sich auch auf die Tatsache der freien Religionsausübung beider rumänischen Kirchen mit gutem Grund berufen. Sich als Nation in die Reihe der anderen einzureihen, erwies sich als unmöglich, weil ihnen ein starker Grundbesitzeradel fehlte.
Die Gesetzentwürfe des Landtages von 1790/91 wurden seitens der Zentralregierung gründlich überprüft. Der Vorschlag zur Union wurde durch ein Gesetz ersetzt, das die Sonderstellung Siebenbürgens fixierte. Es war keine Rede von gesetzlicher Festlegung einer Unveränderlichkeit der grundlegenden ständischen Rechte. Die Zentralregierung ließ in der Frage der absolutistisch interpretierten Hoheitsrechte keine Abstriche zu, ebensowenig bei der absoluten Kontrolle der ausländischen Studienreisen. Das Ungarische wurde mit einer Formulierung zur Amtssprache erklärt, die später zugunsten des Lateins mißdeutet werden konnte. Die Regierung war aber bereit, gewisse ständische Rechte zu gewähren. Die Organisation der Gerichte wurde – dem Restitutionsedikt entsprechend – in den früheren Zustand versetzt. Die Regierung bestätigte fast alle ständischen Vorschläge zu den Religionsangelegenheiten, so auch den über die freie Religionsausübung der Orthodoxen. Die für die Ausarbeitung der Reformvorschläge eingerichteten ständigen Landtagsausschüsse wurden von der Zentralregierung György 445Bánffys Leitung unterstellt, der je 8 von den gewählten Deputierten für die tatsächliche Arbeit ernennen mußte – womit zugleich die Oppositionellen ausgeschlosen werden konnten.
Um die Gesetzentwürfe von 1790/91 wurden auch auf den nachfolgenden zwei Landtagen Nachhutgefechte geführt – ohne wirklichen Erfolg. 1794/95 war die Stimmung noch unruhiger. Magnaten und mittlerer Adel fanden sich Anfang 1794 in der Jagdgesellschaft „Diana“ zusammen, deren Programm schon Elemente enthielt, die an den Vormärz erinnern (z. B. Übersetzung landwirtschaftlicher Fachliteratur, Entwicklung der Pferdezucht, Charaktererziehung der Jugend, Annäherung der Magnaten und des niederen Adels durch gesellschaftliche Beziehungen). Das Gubernium wurde aber auf das politische Übergewicht im Programm der „Jagdgesellschaft“ aufmerksam, und Bánffy gab ihr den weisen Ratschlag, sich aufzulösen, bevor den Mitgliedern etwas Unangenehmes zustoßen würde; dieser Rat wurde dann auch befolgt.
Im Sommer 1794 begann sich in Siebenbürgen die ungarische Jakobinerbewegung zu verbreiten. Auch die oppositionellen adligen Gutsbesitzer traten in Aktion: In einigen Komitaten erreichten sie die Einstellung der Rekrutierungsmaßnahmen, die schon eingezogenen Rekruten wurden entlassen, und es unterblieb jede Militärhilfe. Richter László Türi, der überlegene Führer der Opposition, arbeitete unter Mitwirkung anderer einen umfassenden Plan zur Reform des siebenbürgischen Militärwesens aus (ein 4000-Mann-Söldnerheer aus der Bauernschaft, in derselben Größe ein sich im Dienst monatlich ablösendes ständisches Heer unter dem Befehl des Landeskapitäns und der Kapitäne der drei Nationen). Der Plan gelangte auch vor den Landtag, aber die Regierung intervenierte entschlossen, da selbst Bánffy zu wissen glaubte, es handle sich dabei um eine sich zu den Prinzipien der französischen Revolution bekennende und eine „allgemeine Explosion“ vorbereitende Gruppierung, während der Generalkommandant Kenntnis darüber zu haben schien, daß die Führer dieser Organisation mit den Ständen 48 000 Mann zu den Waffen rufen könnten (dabei wurden die Jakobiner in Ungarn inzwischen bereits verhaftet!). Als sich Bánffy aber überzeugen konnte, daß dem Lande keine Gefahr der „Explosion“ drohte, hielt er es für ausreichend, die Angelegenheit mit der Amtsenthebung Türfis abzuschließen. Infolge seiner geschickten Taktik gab es in Siebenbürgen keine Jakobinerprozesse.
In welche Richtung das politische Denken sowohl der Stände als auch der Verwaltung in dieser Periode ging, war vor allem an der Tätigkeit der im Jahre 1791 eingesetzten ständigen Landtagsausschüsse abzulesen, die ja mit großem politischen Geschick von György Bánffy gelenkt wurden.
Die größten Schwierigkeiten machte die Bauernfrage. Zentral- und Landesregierung hatten bereits dreimal versucht, die Urbarialregulierung durchzusetzen – praktisch erfolglos. Das Hindernis war vor und nach 1791 das Feudalsystem Siebenbürgens. So bestimmte der Ausschuß die sog. Vollhufe mit 3,5–6 Joch Acker und 1,5–3,5 Joch Heuwiese, wofür wöchentlich zwei Tage Spann- oder drei Tage Handdienst geleistet werden sollten; der Frondienst der Häusler wurde mit 25–35 Tagen Handdienst im Jahr bemessen. Bei der Überprüfung des Vorschlages wollte das Gubernium bei der Vollhufe die Ackergröße auf 5–7,5 Joch (in manchen Fällen auf 10 Joch) und die Heuwiese auf ca. 2,5–6,5 Joch erhöhen, womit die Kanzlei im 446wesentlichen einverstanden war. Auf dem Landtag von 1810/11 behandelte nur ein vorbereitender Ausschuß das gesamte „Operatum“, und weder ihm, noch den Regierungsbehörden und dem Landtagsausschuß, die die Arbeit des ersteren überprüften, gelang es, einen Ausweg aus dem Sumpf der 1770er Jahre zu finden.
Die Schriften der Landtagsausschüsse würden übrigens eine ganze Bibliothek füllen, sie illustrieren in einem weiten – und dem Niveau der Epoche entsprechenden – Horizont fast alle wichtigen Momente des damaligen Lebens von der Umweltverschmutzung bis zur Festlegung von Methoden, mit denen die Rechtsnormen, die gewisse ethnische und Berufsgruppen – Juden, Zigeuner usw. – diskriminierten, gemildert werden konnten. Im Rahmen des Feudalismus wollte jedermann etwas verbessern und modernisieren.
Die umfangreiche wirtschaftspolitische Arbeit (deren zentralen Teil Joachim Bedeus, ein aufgeklärter Bistritzer Patriziersohn verfaßte), der umfassendste Entwurf auf diesem Gebiet seit 1751, bietet den besten Überblick über die Wirtschaft Siebenbürgens. Der Entwurf suchte vor allem nach einer Lösung, die Produktion zu steigern. Da er Siebenbürgen ganz in den Mittelpunkt stellte, war er wegen der Anwendung der Schutzzollpolitik und des Prinzips der Gegenseitigkeit in den Wirtschaftsbeziehungen mit den Erblanden für die Zentralregierung von vornherein nicht annehmbar.
Der Oppositionsführer László Türi stellte einen Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch zusammen, der wegen seiner aufgeklärten Auffassung dem Josephinischen Gesetzbuch von 1787 durchaus ebenbürtig war. Zudem wäre sein Gesetzbuch viel einfacher auf Siebenbürgen anwendbar gewesen als jenes.
Eine typisch aufgeklärte Konzeption entstand, als der Ausschuß für Kirchenangelegenheiten eine Lösung für die im Zusammenhang mit den Supplex Libellus Valachorum unentschiedenen Fragen, vor allem für das Bildungsproblem des rumänischen Volkes suchen mußte. Die sächsische Nation und auch Gubernialrat Michael Soterius bekannten sich zu einem Konzept der zwangsweise von oben vollzogenen Anpassung der Rumänen an die bei den drei Nationen bereits gültigen Normen in Form von strengen Bau- und Bekleidungsverordnungen, Einrichtung gewisser sächsischer Institutionen in den rumänischen Dörfern, Zwangsassimilation, „Reform“ der Unterhaltungsbräuche der Rumänen (darunter die Ausmerzung der Gaunerballaden). In der Konzeption von Mózes Bartha, einem juristisch gebildeten unitarischen Klausenburger Stadtrat, rückten Bildung (mit gewisser Verbreitung des Ungarischen), innere Reform der rumänischen Kirche und Gewerbeausbildung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Der Ausschußvorsitzende, der Josephinist János Esterházy, und Bánffy selbst erkannten die Bildung als zentrale Frage an, doch sollte vor allem die Zahl der treuen und nicht die der gebildeten Staatsbürger vermehrt werden. Diese Konzeption hatte zum Ziel, vor allem die Priesterausbildung wesentlich zu verbessern – und setzte sich schließlich durch. Es erwies sich als unmöglich, die siebenbürgisch-rumänische Nationalitätenfrage als Politikum zu erfassen – und noch ausgeschlossener war es, darüber mit den Rumänen selbst zu verhandeln; im Ausschuß saß ja kein rumänisches Mitglied. Als der Entwurf alle Regierungsbehörden durchlaufen hatte, war davon nur noch der Vorschlag für die Gründung eines Ausbildungsseminars orthodoxer Priester und Lehrer übriggeblieben.
447Die Ausschußvorschläge konnten erst 1810 dem Landtag vorgelegt werden; bis dahin waren die führenden Politiker der 1790er Jahre schon tot oder zu alt, und 1810/11 war die Gesetzgebung im Vergleich zu den ursprünglichen Entwürfen bereits recht konservativ und „loyal“. Die Bilanz der zwanzigjährigen Periode war daher insgesamt negativ.
Bis in die 1830er Jahre blieb das kulturelle Leben Siebenbürgens somit darauf angewiesen, mit den wenigen Impulsen aus der Politik ihr Dasein zu fristen.

 

 

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