Die josephinischen Reformen

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Die josephinischen Reformen
Die josephinischen Reformen und der Aufstand bestärkten Joseph II. in seiner Auffassung, daß in der Leibeigenenfrage eine politische Lösung dringend erforderlich war. Am 2. August 1785 hob er (unter Wiederholung des Inhalts des Erlasses vom 16. Juli 1783) die Leibeigenschaft der Bauern auf. Die untertänigen Bauern wurden offiziell Colonen genannt, sie durften unter gewissen Bedingungen ihren Wohnort wechseln. Danach konnte die Josephinische Politik aber nur mehr in Detailfragen vorankommen. Der grundsätzliche Schritt, die Durchführung der Urbarialregulierung, gelang dem Kaiser nicht. Die Vorbereitungen dafür begannen 1785: Wie schon bei der Urbarialkonskription in Ungarn wurden Hufenbestand, Nutznießung und Dienste der Grunduntertanen registriert. Über die Hufengröße kam man aber schon zu keiner Einigung mehr. Joseph II. ließ diese vorläufig offen, kam aber darauf nie mehr zurück. Er versuchte, die Lage der Bauern mittels Teilregelungen zu verbessern, von denen jedoch nur mehr wenige verwirklicht werden konnte, weil zum einen die Grundherren Beschwerde führten, daß sich die Staatsmacht in Detailfragen der Urbarialverhältnisse einmischte, und zum anderen die vom Kaiser erlassenen verfahrensrechtlichen Modalitäten der siebenbürgischen Realität allzu fern standen. (Im Sinne des Erlasses von 1787 hätten nicht nur die Grundherren oder ihre Gutsverwalter die Fronarbeiten zu registrieren gehabt, sondern auch die Bauern über ein Buch verfügen müssen, in das die Verwalter die Frondienstverpflichtung und die abgeleisteten Arbeiten eintragen sollten.)
Der Josephinismus versuchte, eine rationalere Ordnung in Regierung und unterer Verwaltung zur Geltung zu bringen. Joseph Il. vereinigte Schritt für Schritt die Ungarische mit der Siebenbürgischen Hofkanzlei und warf sogar – 438ausgehend davon, daß Siebenbürgen Teil der ungarischen Krone war – die Frage einer möglichen Wiedereinführung des Woiwodenamtes auf, wie es vor der ersten Trennung Siebenbürgens vom Ungarischen Königreich bestanden hatte.
Ein schwieriges Problem war die Reform der Munizipalverwaltung, insbesondere die äußerst dringliche territoriale Neugliederung. Es gab Komitate, die sich von Ost nach West durch das ganze Land erstreckten, in einer Breite, die an einigen Stellen nur aus der Gemeindeflur einiger Dörfer bestand; das Komitat Ober-Fehér, das durch die Bildung der sächsischen Stühle in zahllose kleine Einheiten zerstückelt war, Szekler und sächsische Stühle, die oft nur aus einigen Dörfern bestanden und so selbst für einen Kreis zu klein waren – diese Struktur mußte umgestaltet werden. Dieses Vorhaben stieß aber auf vielfältige Hindernisse. So fürchtete der örtliche Adel (bei den Sachsen die Patrizier, die den Amtsadel stellten) für seine Interessen. Ferner gehörten die Munizipalbehörden zu den drei Nationen, deren nationale und munizipale Rechte zum Teil unterschiedlich waren, eine umfassende Territorialreform war aber nur ohne Berücksichtigung der territorialen Separation der Nationen vorzunehmen.
Die Josephinische Zentralregierung wagte die Reform dennoch. Der erste Schlag traf 1781 die ständischen Rechte der Sachsen: die Anerkennung des Bürgerrechtes (Concivilitas, Rechtsgleichheit der Zugewanderten und der Ansässigen) der Rumänen auf dem Königsboden. Dann ließ Joseph II. 1782 die Güter der sächsischen Nation für die Finanzkammer beschlagnahmen, mit der Begründung, daß der Königsboden zu ihrem Besitz gehöre.
1784 wurde Siebenbürgen in 11 Komitate neu eingeteilt. Damit wurde das System der Nationen und die Munizipalautonomie aufgehoben. Im Januar 1786 entstanden die Distriktskommissionen: die Komitate wurden zu drei Distrikten (mit den Zentren Hermannstadt, Fogarasch und Klausenburg) zusammengeschlossen, an deren Spitze Distriktskommissare standen. Damit war auch das unmittelbare Vollzugsorgan des Absolutismus entstanden, tatsächlich aber nur auf dem Papier, da der ganze Apparat gerade damals funktionsunfähig zu werden begann. Auch die Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung mißlang. Das Reichsstrafgesetzbuch von 1787, das ebenfalls die Integration Siebenbürgens ins Reich hätte fördern sollen, war gekennzeichnet durch die kombinierte Anwendung von aufgeklärter Konzeption und erbarmungsloser Härte.
Eine Maßnahme Josephs II. – sowohl damals wie heute sehr umstritten – war die Einführung der deutschen Amtssprache. Diese Verordnung entstand einerseits aus der Absicht heraus, die Verwaltung des Reiches zu vereinheitlichen, andererseits aus der realistischen Erkenntnis, daß Latein nicht mehr als gemeinsame Amtssprache geeignet sei. Von der Zentralregierung wurde in zunehmendem Maß das Deutsche als Amtssprache gebraucht, und so schien es naheliegend, das Latein auch in der Verwaltung Ungarns und Siebenbürgens durch diese Sprache zu ersetzen. Von der Bevölkerung Siebenbürgens waren aber bloß 12–15 % Deutsche, die Ungarn waren bereits mehr und die absolute Mehrheit stellten die Rumänen. Die Einführung der Sprache der kleinsten Nationalität als neue Amtssprache statt des veralteten Latein – das aber wenigstens nicht die Muttersprache einer Nation war – galt als eine Lösung, für die sich selbst die nüchternen Sachsen nicht recht begeistern konnten. Im Sinne des Erlasses von 1784 galt das Deutsche außer in 439den Regierungsbehörden auch in den Munizipalbehörden und in der Stadtverwaltung als Amtssprache. Später wollte der Kaiser das Deutsche auch zur Sprache des Landtags machen, obwohl er ihn nie einberief. Ab Herbst 1784 war es nicht mehr erlaubt, Schüler zu Oberschulen zuzulassen, die nicht deutsch lesen und schreiben konnten. Der Erlaß wurde jedoch ganz unterschiedlich befolgt. Das Gubernium veröffentlichte seine Runderlasse in zwei Spalten in deutscher und ungarischer (statt dessen manchmal in lateinischer) Sprache, bei den unteren Behörden stieß aber die Einführung des Deutschen auf erhebliche Schwierigkeiten. Eine bleibende Wirkung des Erlasses war schließlich nur die starke Expansion des siebenbürgisch-ungarischen Nationalismus.
Auch in Siebenbürgen entwickelte sich eine Widerstandsbewegung gegen den Josephinismus, wobei sich Konservativismus und neue Ideen untrennbar vermischten. Diese Bestrebungen artikulierten sich ausdrücklich in den Denkschriften der Stände von 1787, an deren Vorbereitung fast die gesamte ständische Führungsschicht der drei Nationen teilnahm. Aber trotz monatelanger Verhandlungen kam keine gemeinsame Eingabe zustande: Die Ungarn und Szekler brachten ihre Beschwerden gemeinsam, die Sachsen aber gesondert vor.
Die ungarische und die Szekler Nation gingen in ihrer Beschwerdeschrift von dem Grundsatz aus, daß die Stände Mitglieder der Heiligen Krone seien und ihr Gesetzgebungsrecht gemeinsam mit dem König ausübten. Unter Joseph II. würden aber die Grundgesetze und das ganze Staatssystem außer Kraft gesetzt; der Landtag nicht einberufen, die drei Nationen abgeschafft; Eingewanderte und Fremde den Ständen gleichgestellt; die Komitate verlören ihre ehemalige Kompetenz. Besonders gravierend fand man die Einführung der deutschen Amtssprache, durch die alle Ungarn zu Fremden in ihrer eigenen Heimat würden, denn auf den Wechsel der Sprache werde der Verlust ihrer Vorrechte folgen.
Das Memorandum führte auch den Horea-Aufstand primär auf die häufigen Veränderungen der Verwaltung zurück. Weiterhin erhob es den Vorwurf, daß die Bauern – da die Verbrecher nicht mit der nötigen Strenge bestraft würden und die Todesstrafe aufgehoben sei – mit noch mehr Anmaßung aufträten. Es werde solange keine Sicherheit für Leben und Vermögen bestehen, als das Ansehen der Beamten und der Grundherren nicht wiederhergestellt sei.
Eine heikle Frage aufwerfend, argumentierte das Memorandum damit gegen die Freizügigkeit, daß die Bindung an die Scholle die Bauern mehr zum Hausbau, zur Melioration und zum Düngen motiviere. Mit seiner ungenauen, aber ins Gewicht fallenden Argumentation sah es darin eine unglückliche Entwicklung, daß die Leibeigenen die Vorstellung sich aneignen könnten, sie hätten ihre Freizügigkeit mit dem Aufstand erreicht, obwohl es zu einer Urbarialregulierung nicht gekommen war. Die vermeintlichen und wahren Schwächen des unvollendeten Versuches einer Urbarialregulierung machte das Memorandum noch gesondert zum Vorwurf. Die adligen Gutsbesitzer sahen auch im königlichen Erlaß vom 14. Juni 1786 eine Verletzung ihrer Privilegien, da dieser die Zehntpachten der Grundherren abschaffte und den Zehnten für die Finanzkammer in natura erheben ließ.
Ein klassischer Beschwerdepunkt der Stände war, daß die Steuer nicht durch den (seit einem Vierteljahrhundert nicht einberufenen) Landtag 440festgesetzt wurde und das neue Steuersystem das Prinzip „onus non inhaeret fundo“ durchbrach. Auch die wichtigste Beschwerde, das Militär betreffend, bezog sich auf eine nicht erst unter Joseph II. getroffene Maßnahme, auf die Einrichtung der siebenbürgischen Militärgrenze. Im Falle des Szekler-Grenzregiments wurde die Rechtswidrigkeit der Maßnahme bemängelt: Man könne die Szekler nicht zu Militärdienst und Steuerzahlung zugleich verpflichten, die Einrichtung der Militärgrenze habe die Rechtsordnung im Szeklerland gestört und zu vermögensrechtlichen Absurditäten geführt. Die Aufstellung des rumänischen Grenzregiments hielt das Memorandum deshalb für gefährlich, da zu befürchten stand, daß die Rumänen ihre Waffen zu Unruhen gebrauchen oder vereint mit den Rumänen der Walachei und des Banats das Land angreifen könnten. (Dazu ist zu erwähnen, daß an der Unterdrückung des Horea-Aufstandes auch rumänische Grenzer aus dem Banat teilnahmen und es keine Spur von einem Plan für ein gemeinsames bewaffnetes Auftreten der Rumänen Siebenbürgens, des Banats und der Walachei in diesen Jahrzehnten gegeben hat.)
Der Gedanke liegt nahe, daß dieses ständische Memorandum die programmatische Basis des Adels nach 1790 hätte bilden können; das war aber nicht der Fall. Es zeugt vom Verantwortungsbewußtsein der Führer des siebenbürgischen politischen Lebens, daß sie später, als die Möglichkeiten zum Handeln oder doch zur Meinungsäußerung gegeben waren, alles, was der Josephinismus geschaffen hatte, viel realistischer beurteilten als im Memorandum.
Die gesonderte Beschwerdeschrift der Sachsen wurde Ende 1787 fertiggestellt. Mag ihre Formulierung vielleicht milder ausgefallen sein als die der anderen beiden Nationen, ihr Ton jedenfalls war noch konservativer. Der Kaiser ermahnte die Verfasser der Memoranden durch den ungarisch-siebenbürgischen Kanzler zum Schweigen. Der Widerstand verstärkte sich dennoch, vor allem als sich Joseph II. 1788 an der Seite Rußlands in den Krieg gegen das Türkische Reich verstrickte und auch die Lasten und Gefahren der Kriegsoperationen (Heeresgutlieferungen, türkische Angriffe usw.) spürbar wurden. Das System des Kaisers wurde aber nicht von Siebenbürgen aus gestürzt – und nicht einmal dort. Die Revolte in den Niederlanden, die Mißerfolge im Türkenkrieg, die Spannung zwischen dem Reich und Preußen und die innere Unzufriedenheit – vor allem in Ungarn – wirkten alle in diese Richtung. Inwieweit der Josephinismus als spezifische Reformbestrebung des aufgeklärten Absolutismus bestehen blieb, stellte sich – sowohl im ganzen Reich als auch in Siebenbürgen – erst im nachfolgenden Jahrzehnt heraus. Joseph II. sprach auf seinem Sterbebett mit dem Restitutionsedikt – womit er eine ganze Reihe seiner Maßnahmen widerrief – auch seinem eigenen System das Todesurteil.

 

 

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